Ratgeber: Freilaufdiode vs. Bodydiode Frag den Schulz! Wenn alle Theorie nicht weiterhilft
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Von Hugo G. aus H. kommt die Frage: Was macht es für einen Unterschied, ob ich einen IGBT mit Freilaufdiode oder einen MOSFET mit Bodydiode in meiner Schaltung einsetze? Dazu antwortet Dr. Martin Schulz:

Wie so oft liegt die Antwort irgendwo zwischen „gar keinen“ bis hin zu „geht gar nicht“. Dazu sei zunächst gesagt, dass beim MOSFET die Body-Diode als parasitäres Bauelement bei der Herstellung in Form einer PN-Diode zwangsläufig entsteht. Wie für Freilaufdioden grundsätzlich notwendig, ist die Durchflussrichtung der Body-Diode von Source nach Drain.
Das Bild zeigt einen Querschnitt durch den technischen Aufbau von MOSFET und IGBT. Der PN-Übergang, der die Body-Diode formt, ist gekennzeichnet. Die Dotierungsprofile sind primär für eine effiziente Struktur des MOSFET-Kanals ausgelegt. Eine individuelle Optimierung von MOSFET und Body-Diode stellt sich, bedingt durch den Herstellungsprozess, als sehr schwierig dar.
Die Stromtragfähigkeit
Wegen der Unterschiede in der Halbleiterstruktur entsteht beim IGBT keine Body-Diode, weshalb man die Freilaufdiode als weiteres Bauelement hinzufügen muss. Das ermöglicht es Herstellern und Anwendern, die Eigenschaften von Dioden und IGBTs sowohl aufeinander als auch für bestimmte Applikationen zu optimieren. Natürlich kann man bei Bedarf auch zu einem MOSFET mit seiner Body-Diode eine externe Freilaufdiode hinzufügen, um spezielle Eigenschaften zu ergänzen. Das liegt wohl aber nicht im Sinne der Frage und sei daher hier nicht berücksichtigt.
Lässt sich nun die Kombination aus IGBT und Freilaufdiode gegen einen MOSFET mit Body-Diode ersetzen? Ein Inverter, in dem Rückspeisung von Energie keine übergeordnete Rolle spielt, kann durchaus mit Freilaufdioden bestückt sein, die nur 80% der Stromtragfähigkeit der zugehörigen IGBTs haben. Spielt dieser Faktor eine größere Rolle, kommen durchaus Freilaufdioden zum Einsatz, die deutlich mehr Strom tragen können als der verwendete IGBT.
Im speziellen Fall muss also zunächst eine Analyse geschehen, ob MOSFET und Body-Diode thermisch in der Lage sind, die Applikation zu bedienen. Hintergrund ist, dass die thermischen Übergangswiderstände von IGBT und Freilaufdiode unabhängig voneinander sind und von der Chip-Größe abhängen. Im MOSFET steht nur die Fläche eines Halbleiters zur Verfügung, auf der beide Funktionen integriert sind.
Zwar ist ein Silizium-MOSFET-Chip üblicher Weise größer als ein IGBT mit gleicher Nennstromangabe, weshalb der thermische Übergangswiderstand kleiner ausfällt, gleichzeitig entstehen aber Verluste von Schalter und Diode auf der gleichen Fläche.
Nachteilig wirkt sich häufig aus, dass die Body-Diode eine recht hohe Vorwärtsspannung aufweist. Insbesondere bei Siliziumkarbid-MOSFETs (SiC-MOSFETs) macht sich dies bemerkbar. Der für 1200 V ausgelegte SiC-Power MOSFET MCB60I1200TZ erreicht im Betrieb, abhängig von der Chip-Temperatur, einen Kanalwiderstand RDS(on) von ca. 40 mΩ. Bei 25 A ergibt das vereinfacht eine Verlustleistung von ID²•RDS(on)=25 W.
Die Body-Diode weist wegen der großen Bandlücke des Halbleitermaterials eine Vorwärtsspannung VSD von etwa 3,5 V auf, was bei gleichem Strom zu einer Verlustleistung von VSD•ID=87 W führt. Ohne auf die besonderen Möglichkeiten Rücksicht zu nehmen, die der Einsatz von MOSFETs bietet, erscheint die Situation also auf den ersten Blick wenig günstig.
Wenn neben der Hardware auch die Ansteuerlogik ein Update erfährt, kann sich dennoch eine Verbesserung ergeben. Anders als IGBTs können MOSFETs den Strom in beide Richtungen tragen. Die sperrende Eigenschaft der Body-Diode kommt also zur Anwendung, ihre Funktion als Freilaufdiode kann bei geschickter Ansteuerung aber der Kanal des MOSFETs übernehmen. Durch eine Minimierung der Zeit, in der Strom in der Body-Diode in Durchlassrichtung fließt, lassen sich unnötige Verluste vermeiden.
Neben der thermischen Situation verdienen weitere Aspekte besondere Aufmerksamkeit:
- Die Sperrspannung muss den Anforderungen der Applikation genügen.
- Schaltgeschwindigkeiten von MOSFETs, insbesondere von SiC-MOSFETs, liegen deutlich höher als die von IGBTs. Bei gleicher Geometrie der DC-Anbindung steigt das Risiko einer Zerstörung durch transiente Überspannungen.
- Erlaubt der MOSFET die gleiche Beherrschung von Fehlerfällen wie Kurzschluss? Falls nicht, welche Änderungen am Design sind vorzunehmen, damit alle Anforderungen erfüllt sind?
- Sind die Spannungen der Ansteuerschaltung (der Gate-Treiber) von IGBT zu MOSFET für die gewählten Bauelemente kompatibel?
- Welcher Gewinn oder welche Verbesserung ergibt sich durch den Wechsel in der Technologie und welche finanziellen Auswirkungen resultieren daraus?
Geht es also nur darum, „schnell mal eben“ in einem bestehenden Design ein Upgrade mit höherer Effizienz zu implementieren, ist vermutlich ein Fehlschlag vorprogrammiert. Fällt hingegen auf Basis einer objektiven Bewertung die Entscheidung, eine Lösung mit einem MOSFET anzustreben, finden sich technische Mittel und Wege für ein sinnvolles Design.
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