Grundlagen SiC-Zuverlässigkeit Die Zuverlässigkeit von Leistungshalbleitern auf SiC-Basis verbessern

Von Peter Friedrichs *

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SiC-Bauelemente haben im Vergleich zu ihren Si-Pendants deutlich höhere Drain-induzierte elektrische Felder, die den Verschleiß beschleunigen können. Gate-Oxid und Grenzflächendefekte sind zwei Archilles-Fersen der WBG Devices.

Bild 1: Inzwischen sind es gut 30 Jahre Erfahrung mit Siliziumkarbid-Halbleitern, die in der Entwicklung von SiC-basierten Bauteilen von Infineon stecken. Doch die Themen Zuverlässigkeit und Robustheit von Leistungshalbleitern liefern immer wieder neue Erkenntnisse, die die Forschung weitertreiben.
Bild 1: Inzwischen sind es gut 30 Jahre Erfahrung mit Siliziumkarbid-Halbleitern, die in der Entwicklung von SiC-basierten Bauteilen von Infineon stecken. Doch die Themen Zuverlässigkeit und Robustheit von Leistungshalbleitern liefern immer wieder neue Erkenntnisse, die die Forschung weitertreiben.
(Bild: Infineon)

Bauelemente aus Siliziumkarbid (SiC) bieten viele Vorteile, insbesondere in Stromwandler-Schaltungen für Anwendungen, bei denen es auf eine hohe Effizienz ankommt. Dazu gehören Solarwechselrichter und Inverter für Elektrofahrzeuge, die über Jahrzehnte hinweg in Betrieb bleiben sollen. Für diese Anwendungen ist eine Kombination aus sehr hohem Wirkungsgrad und langfristiger Zuverlässigkeit von entscheidender Bedeutung.

Die SiC-Technologie ist wesentlich jünger als die Siliziumtechnologie und daher zwangsläufig noch nicht so ausgereift. Die besten Einsatzmöglichkeiten von SiC werden gerade noch erforscht. Gegenüber SiC-Leistungshalbleitern gibt es auf dem Markt deshalb zum Teil noch Vorbehalte. Infineon beschäftigt sich seit Jahren mit dieser Technologie und verfügt daher über die notwendigen Erkenntnisse und Erfahrungen, um zu helfen, SiC-Bauteile vorteilhaft einzusetzen und die Ausfallmechanismen zu verstehen und zu entschärfen. Dadurch wird die erforderliche Zuverlässigkeit stetig erhöht.

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Herausforderungen für die SiC-Zuverlässigkeit

Bei SiC handelt es sich um einen Halbleiter mit großer Bandlücke. Aus diesem Grund wird im Vergleich zu Silizium mehr Energie benötigt, um ein Elektron aus dem Valenzband des Materials in das Leitungsband zu befördern. SiC-Bauteile können somit bei internen elektrischen Feldern arbeiten, die deutlich oberhalb der Grenzen des klassischen Siliziums liegen. Zudem können SiC-Leistungshalbleiter höhere Spannungen bei höheren Frequenzen schalten als dies bei Silizium möglich wäre – und dies bei geringerem Kühlungsbedarf. Diese Besonderheiten erweitern die Möglichkeiten der Entwickler und erlauben es, einige etablierte Schaltungstopologien zu vereinfachen.

Allerdings belasten die höheren elektrischen Feldstärken, die sich in SiC-Bauteilen bilden, das Material und seine Umgebung, sodass eine Reihe von Herausforderungen bewältigen werden müssen. MOSFET-Bauteile aus SiC weisen unterschiedliche Tunnelbarrieren für Elektronen und Löcher auf. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass heiße Ladungsträger in das empfindliche Gate-Oxid gelangen. Ferner erhöht die breitere Bandlücke die Wahrscheinlichkeit von Grenzflächendefekten in der verbotenen Lücke zwischen Leitungs- und Valenzband, wodurch sich die elektrischen Eigenschaften verändern können. Die bei der Gate-Oxidation entstehenden Kohlenstoff-Oxidationsprodukte wie Kohlenmonoxid und Kohlendioxid können ebenfalls für zusätzliche Ladungszentren verantwortlich sein, die die elektrischen Eigenschaften des Bauelements verändern.

SiC ist darüber hinaus ein sehr steifes Material, was seine Fähigkeit einschränkt, mechanische Spannungen aufzunehmen und abzubauen, die durch Temperatur- und Lastschwankungen im Verbund mit Gehäusekomponenten verursacht werden. Wenn dieses Problem nicht richtig angegangen wird, kann es zu weiteren langfristigen Schäden führen, insbesondere an den physischen Schnittstellen zwischen den verschiedenen Schichten des Bauteils.

Die Leistung von SiC-Bauteilen ermöglicht aber neue Betriebsarten, die mit Silizium nicht zu realisieren sind. SiC-Bauelemente können Schaltgeschwindigkeiten (dV/dt) bei 1 kV bewältigen, die bei Silizium-Bauelementen typischerweise bei 50 V auftreten. Dies verspricht sehr viel effizientere Schaltungen für die Umwandlung hoher Leistungen. Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass es sich hierbei um Neuland handelt, nämlich um eine neue Betriebsart, deren offensichtliche Vorteile und potenzielle Nachteile erst noch vollständig erforscht werden müssen.

SiC-Eigenschaften erfordern Anpassungen im Chip Design

Wie so oft bei der Entwicklung von neuen Designs muss man auch hier eine Reihe von Kompromissen eingehen. So ist beispielsweise die Fehleranfälligkeit von SiC-Gate-Oxiden 10.000-mal höher als die der Oxide in Siliziumbauteilen. Es ist aber auch bekannt, dass die Nutzung von Gate-Oxiden mit erhöhter Dicke effektive Screening-Verfahren unterstützt, sodass die Defektdichte nahe an den Silizium-Status herabgesetzt wird – was gut ist. Allerdings um den Preis eines höheren Widerstands – was wiederum schlecht ist. Fakt ist auch, dass die Zuverlässigkeit der Bauelemente aufgrund der erreichbaren Screening-Effizienz exponentiell mit der Gate-Oxid-Dicke zunimmt, während der Widerstand nur linear ansteigt. Aus diesem Grund wird die Zuverlässigkeit durch die Verdickung des Gate-Oxids auf Kosten eines geringeren Widerstandsgewinns deutlich erhöht.

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Ein weiteres neuartiges Verhalten, mit dem man sich bei SiC-Bauelementen befassen muss, ist die Art und Weise, wie sich die Schwellspannungen und damit der Bauteilwiderstand im Laufe der Zeit verändern können. Hier gibt es drei Mechanismen: Beim ersten handelt es sich um eine reversible Hysterese der Schwellspannung, die für die Anwendung im Hinblick auf die Langzeitstabilität nicht relevant ist. Der zweite ist eine dauerhafte Verschiebung der Schwellspannung, die durch eine von der Spannung induzierte Instabilität verursacht wird. Der dritte Mechanismus ist ein Produkt des Schaltvorgangs bei SiC-Bauteilen. Hierzu liefert Infineon einen Anwendungshinweis, der die Entwickler dazu anhält, diesen Effekt zu vermeiden, indem sie mit ihren Schaltungen innerhalb der definierten Betriebsparameter bleiben.

Bei SiC-MOSFETs können Parameterverschiebungen auftreten, wenn sie im bipolaren Modus betrieben werden. In diesem Betriebsmodus (3. Quadrant, Body-Dioden-Betrieb), kann die Elektronen/Loch-Rekombination die Ausbreitung von Stapelfehlern im SiC-Material beschleunigen. Das Ergebnis ist ein Anstieg von RDS(on) und VSD während der Lebensdauer des Bauteils. Wichtig ist hier zu verstehen, dass dieser Effekt schließlich in die Sättigung übergeht.

Um sicherzustellen, dass Anwender einwandfreie Bauteile erhalten, verfolgt Infineon einen dreifachen Ansatz: Zunächst wurden wirksame Maßnahmen zur Verringerung der Defektdichte ergriffen. Diese ist für das Wachstum von Stapelfehlern im Kristallgitter verantwortlich. Als Nächstes kamen Bauteilkonzepte zum Einsatz, die die Rekombination von Elektronen und Löchern an Stapelfehlern verhindern, sodass sich diese nicht ausbreiten können. Zu guter Letzt, um wirklich auf der sicheren Seite zu sein, werden die Bauteile gescreent. Dabei wird überprüfen, ob die gefertigten Bauteile frei von Defekten sind, die zu Drift-Effekten führen, die die im Datenblatt angegebenen Grenzwerte während der Betriebsdauer überschreiten würden.

Bild 2: 
Die von Infineon entwickelte Trench-Struktur für die CoolSiC MOSFET-Chips minimiert die Fehleranfälligkeit von SiC-Bauteilen.
Bild 2: 
Die von Infineon entwickelte Trench-Struktur für die CoolSiC MOSFET-Chips minimiert die Fehleranfälligkeit von SiC-Bauteilen.
(Bild: Infineon)

Die Erfahrungen mit SiC-Bauteilen (Bild 2) ermöglicht es Infineon, die Eigenschaften dieser Bauelemente zu verstehen und die geschilderten Effekte abzuschwächen. Im Rahmen der Entwicklung wurde zusätzlich deutlich, dass neue Methoden zu ihrer Charakterisierung erforderlich sind. Das gilt insbesondere für Anwendungen wie die bereits erwähnte Stromwandlung in der Photovoltaik und bei Elektrofahrzeuge, bei denen die Bauteile über viele Jahre hinweg im Einsatz sein werden.

Neue Prüfverfahren für hohe Zuverlässigkeit

Aus diesem Grund führt Infineon eine Reihe von Tests an den SiC-Bauteilen durch, darunter einen Hochtemperatur-Sperrspannungstest bei 1.200 VDS, 175 °C und 0 VGS für 2.000 Stunden. Dazu gehört auch ein 1.000-stündiger Hochtemperatur-Gate-Stresstest mit Bauteilen, die bereits zehnmal einem Kurzschluss ausgesetzt waren. Darüber hinaus werden die Leistungsmodule in einem Langzeittest mit etwa 120 Tagen unter neu entwickelten Feuchtigkeits- und Temperaturzyklen getestet, während das Bauteil mit Kilohertz-Frequenzen geschaltet wird.

Infineon testet die Bauteile auch über die von den Industriestandards geforderten Werte hinaus. So richtet sich die Automobilindustrie traditionell nach der Norm AEC-Q101, um die Qualität der in Autos verwendeten Komponenten zu gewährleisten. Die Norm definiert ein „Einsatzprofil“ für das Fahren und Aufladen von Elektrofahrzeugen, also wie lange ein Fahrzeug in jedem Szenario während seiner Lebensdauer bei verschiedenen Spannungen betrieben werden kann.

Die Tests, die durchgeführt werden, sollen diese Nutzungsprofile nachbilden. Infineon ergänzt diese Test mit weiteren Betriebsspannungen und -temperaturen, neuen Szenarien für Klimatests und längeren Tests mit Sperrspannung bei hohen Temperaturen. Außerdem werden weitere Tests bei hohen Spannungen durchgeführt und Transienten und Überschwingungssignale einbezogen. All diese Tests werden eingesetzt, weil Infineon die Meinung vertritt, dass die Norm AEC Q101 zwar für die Automobilindustrie notwendig ist, aber im Zeitalter der SiC-Bauteile nicht mehr ausreicht.

Bild 3: Umweltbelastungstests auf Waferebene, die über die Anforderungen der AEC Q101 hinausgehen, stellen die Zuverlässigkeit der SiC-Bauteile von Infineon sicher.
Bild 3: Umweltbelastungstests auf Waferebene, die über die Anforderungen der AEC Q101 hinausgehen, stellen die Zuverlässigkeit der SiC-Bauteile von Infineon sicher.
(Bild: Infineon)

Bei der Prüfung von Bauteilen im Gehäuse verfolgt Infineon einen ähnlichen Ansatz. Es hat sich gezeigt, dass Bauteile von Dritten am Markt, die die Anforderungen der AEC-Q101 erfüllen, Tests bei hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit sowie Hochspannungssperrtest trotzdem nicht bestehen können (Bild 3). Das Gleiche gilt für die Delaminierung zwischen Chips und den Pressmassen während der Temperaturzyklen von diskreten Bauteilen im Gehäuse.

Weiteres Verständnis zum Versagen ist notwendig

SiC-Bauteile bieten für vielen Anwendungsfelder ein großes Potenzial für die Verbesserung der Effizienz bei der Leistungswandlung. Die Technologie ist jedoch relativ neu, und das Verständnis für die besten Einsatzmöglichkeiten – und für die Art und Weise, in der sie versagt – wird ständig weiterentwickelt. Gleichzeitig sind die Kunden besorgt über die langfristige Stabilität und Zuverlässigkeit aller Schaltgeräte, insbesondere bei Applikationen mit langen Betriebszeiten.

Infineon ist sich dieses Spannungsverhältnisses bewusst und hat das Verständnis und die Erfahrung mit dieser Technologie über viele Jahre hinweg permanent weiterentwickelt. Dadurch ist das Unternehmen in der Lage, Bauteile zu entwickeln und zu fertigen, die SiC-immanente Probleme minimieren und gleichzeitig deren Auswirkungen durch ein umfassendes Bauteil-Screening, gezielte Programme zur Technologieverbesserung und eine Qualifizierung über den Industriestandard hinaus signifikant abmildern. Dies alles geschieht, um dafür zu sorgen, dass die SiC-Bauteiltechnologie in der Praxis genauso viel Leistung und Zuverlässigkeit bietet, wie sie in der Theorie verspricht.

* Dr. Peter Friedrichs Vice President SiC bei Infineon Technologies.

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