Das Batteriesystem – Bauplan eines Erfolgsmodells
Stuttgart, Januar 2017 - Die Elektrifizierung von Fahrzeugen stellt Ingenieure und Wissenschaftler vor neue Herausforderungen. Mehr noch als dem Elektromotor kommt dem Batteriesystem eine Schlüsselrolle zu.

Die heute am weitesten verbreitete Technologie ist die wiederaufladbare Lithium-Ionen-Zelle. Ihr Funktionsprinzip ermöglicht verschiedene Aufbauformen und Eigenschaften. Nur mit der genauen Kenntnis von Grundlagen und Lösungsansätzen ist eine gezielte Weiterentwicklung für den Einsatz im E-Auto möglich.
Aufbau und Funktionsweise
Ein Batteriesystem setzt sich in der Regel aus mehreren Modulen zusammen, welche wiederum aus einzelnen Batteriezellen aufgebaut sind. Die Hauptkomponenten einer Batteriezelle bilden die beiden Elektroden Anode und Kathode, der Separator, der Elektrolyt und das Zellgehäuse. Die Elektroden bestehen aus einer mit Elektrodenfilm beschichteten dünnen Metallfolie, dem Stromsammler.
Im Fall von Lithium- Ionen-Zellen ist die Aluminiumfolie der Kathode häufig mit einem Elektrodenfilm beschichtet, der auf Übergangsmetalloxiden wie Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxiden basiert. Die Anode besteht üblicherweise aus einer Kupferfolie, die mit einem grafithaltigen Elektrodenfilm beschichtet ist. Die porösen Elektrodenfilme setzen sich zum größten Teil aus dem Aktivmaterial und zu geringeren Anteilen aus Leitkohlenstoffen sowie polymeren Bindern zusammen.
Die beiden Elektroden sind durch den Separator – eine semipermeable Membran – elektrisch voneinander isoliert, um einen Kurzschluss zu vermeiden. Separatoren bestehen häufig aus mikroporösen Kunststoffen wie Polyethylen. Zusätzlich können sie durch keramische Partikel stabilisiert sein.
Die Poren in den Elektroden und im Separator sind von einem Elektrolyten durchtränkt, der als Lithium-Ionen-Leiter dient. Als Elektrolyte werden vor allem Lösungen aus organischen Carbonaten – beispielsweise Ethylencarbonat – und einem Leitsalz wie Lithiumhexafluorophosphat verwendet.
Unmittelbar nach dem Zusammenbau befindet sich eine Lithium-Ionen-Zelle im entladenen Zustand, das heißt, alle verfügbaren Plätze des Kathodenaktivmaterials sind vollständig mit Lithium-Ionen besetzt. Wird die Zelle geladen, wandern Lithium-Ionen von der Kathode durch den Elektrolyten zur Anode. Dort werden die Lithium-Ionen in die Anodenstruktur eingelagert.
Dieser Vorgang wird auch als Interkalation bezeichnet. Zum Ladungsausgleich fließen Elektronen von der Kathode über die angeschlossenen Stromquellen zur Anode. Beim Entladen findet genau der umgekehrte Prozess statt, und die Elektronen und Lithium-Ionen bewegen sich wieder in Richtung der Kathode. Das Hin- und Herpendeln der Lithium-Ionen zwischen den beiden Elektroden ist auch als Schaukelstuhlprinzip (rocking chair principle) bekannt.
Weiterentwicklung der Materialien für Lithium-Ionen-Zellen
Beim erstmaligen Laden einer Lithium-Ionen-Zelle bildet sich eine Deckschicht auf der Anode. Die Bildung dieser sogenannten SEI (Solid Electrolyte Interface) ist ein unvermeidbarer und irreversibler Prozess. Dieser hat einen Verlust von Lithium-Ionen zur Folge. Gleichzeitig schützt eine stabile SEI die Anodenstruktur jedoch vor Zerstörung.
Prinzipiell stehen fünf Eigenschaften im Mittelpunkt der Weiterentwicklung von Lithium-Ionen-Zellen: Sicherheit, Lebensdauer, Leistung, Kosten und Energie. Die Steigerung der Zellenergie ist dabei entscheidend, um den hohen Ansprüchen bezüglich der Reichweite von Elektroautos bei möglichst geringer Masse und geringem Volumen des Batteriesystems gerecht zu werden.
Sie ist das Produkt aus der mittleren Zellspannung U und der Zellkapazität Q (E = U x Q). Bezogen auf die Zellmasse oder das Zellvolumen spricht man von der spezifischen Energie (Wh/kg) oder der Energiedichte (Wh/l). Zur Steigerung dieser beiden Größen werden bestimmte Kernmaterialien gezielt weiterentwickelt und optimiert.
Kathodenaktivmaterialien
Die Liste der Kathodenaktivmaterialien ist umfangreich. Eine wichtige Substanzklasse stellen die Übergangsmetallschichtoxide mit Lithium- Nickel-Mangan-Cobalt-Oxiden (NMC) als prominenten Vertretern dar. NMC-111 hat sich zum Beispiel bereits in kommerziellen Lithium-Ionen-Zellen im Automobilbereich bewährt. Allerdings werden für die Realisierung von Elektroautos mit hohen Reichweiten Kathodenaktivmaterialien benötigt, die höhere spezifische Zellenergien ermöglichen.
Die Lithium-Ionen-Zelle als Modulbaustein für Batteriesysteme
Deshalb kommen verstärkt nickelreiche NMC-Materialien mit hohen reversiblen Kapazitäten auf den Markt. NMC-622 steht seit Kurzem für automotive Lithium-Ionen-Zellen zur Verfügung. Außerdem wird an der Optimierung des Kathodenaktivmaterials NMC-811 gearbeitet. Generell steigt zwar mit höherem Nickelgehalt die Zellenergie, gleichzeitig sinkt jedoch die Zyklenfestigkeit derartiger Lithium-Ionen-Zellen.
Dennoch haben hochnickelreiche NMC-Materialien großes Potenzial und werden vermutlich in naher Zukunft in Zellen für automotive Batteriesysteme genutzt werden können. Lithium-Nickel-Cobalt-Aluminium-Oxid (NCA) ist schon seit Längerem kommerzialisiert und treibt bereits Elektroautos auf der Straße an. Bei Temperaturen über 40 °C weisen Zellen mit NCA allerdings eine kürzere zyklische Lebensdauer und im Vergleich zu nickelreichen NMC-Materialien eine geringere Belastbarkeit bei hohen Stromraten auf.
In jüngster Zeit versprechen zwei neue Kathodenaktivmaterialien eine deutliche Steigerung der spezifischen Zellenergie. Dabei handelt es sich zum einen um lithiumreiche NMC-Materialien und zum anderen um Hochvolt-Spinelle. Allerdings befinden sich beide Verbindungen noch im Forschungsstadium und haben großen Optimierungsbedarf.
Weiterhin wird Schwefel aufgrund seiner geringen Kosten und seiner hohen spezifischen Kapazität (Energie pro Gramm Schwefel) als Kathodenaktivmaterial untersucht. Die sogenannten Lithium-Schwefel- Zellen verfügen im Vergleich zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Zellen aber über eine signifikant geringere Energiedichte (Energie pro Zellvolumen).
Anodenaktivmaterialien
Als Anodenaktivmaterialien kommen derzeit vorwiegend Grafite (Abbildung unten rechts) zum Einsatz. Üblicherweise werden drei Grafitarten in Lithium-Ionen-Zellen verwendet: MCMBs (MesoCarbon MicroBeads), synthetische oder natürliche Grafite. Alle drei grafitischen Kohlenstoffe haben vergleichbare spezifische Kapazitäten und ermöglichen folglich ähnliche spezifische Zellenergien.
MCMBs sind kugelförmige Partikel. Sie zeichnen sich durch sehr gute Zyklisierungseigenschaften aus, sind aber relativ teuer. Daher werden heute vor allem natürliche oder synthetische Grafite in Lithium- Ionen-Zellen genutzt. Im Hinblick auf die weitere Steigerung der spezifischen Energie von Zellen rückt Silicium zunehmend als Anodenaktivmaterial in den Fokus der Forschung, da es eine etwa neun Mal höhere spezifische Kapazität besitzt als Grafit.
Allerdings finden bei der Ein- und Auslagerung von Lithium-Ionen starke Volumenänderungen der Siliciumpartikel statt, die sich negativ auf die Lebensdauer auswirken. Deshalb werden Elektroden, die ausschließlich reines Silicium als Aktivmaterial verwenden, bislang nicht in kommerziellen Zellen eingesetzt.
Ein möglicher Weg zur Erhöhung der Zellenergie unter Minimierung der Volumenänderungen ist die Verwendung von Silicium-Kohlenstoff-Kompositen mit lediglich fünf bis 20 Prozent Gehalt an reinem Silicium. Sie sind ein vielversprechender Kandidat, um die spezifische Energie von Lithium- Ionen-Zellen deutlich zu erhöhen, müssen jedoch noch hinreichend optimiert werden.
Energetisch betrachtet stellt metallisches Lithium als leichtestes festes Element des Periodensystems das ideale Anodenaktivmaterial dar, da es die höchste spezifische Kapazität liefert. Diese Eigenschaft kommt bei nicht wiederaufladbaren kommerziellen Lithium-Zellen zum Tragen. Im Fall von wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Zellen treten aber in Kombination mit flüssigen organischen Carbonaten gravierende Probleme auf. Die auf dem Lithium gebildete SEI ist nicht stabil.
Das führt dazu, dass ständig Elektrolyte und Lithium-Metall verbraucht werden. Überdies können sich bei der Rückabscheidung des Lithiums auf der metallischen Anodenoberfläche Nadeln ausbilden. Diese sogenannten Lithium- Dendriten stellen ein großes Sicherheitsproblem dar, weil sie durch den Separator wachsen und einen internen Kurzschluss in der Zelle verursachen können. Aktuell wird daran geforscht. Flüssigelektrolyte durch Festelektrolyte zu ersetzen, damit Lithium-Metall in einer Feststoffzelle (all-solid-state cell) als Anodenaktivmaterial eingesetzt werden kann.
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