Aus analog wird digital – aus einfach wird komplex
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Die globale Vernetzung erfordert in vielen Bereichen intelligente Systeme. Diese kommen in der Gebäudesystemtechnik ebenso zum Einsatz wie bei LED-Beleuchtungen, Medizintechnologien und im Flugsicherungs- oder Bahntechnikbereich. Dort stellen digitale Netzteile nicht nur entscheidende Systemdaten bereit, sie sorgen auch für mehr Effizienz.

Weil Märkte weltweit nicht mehr ohne Digitalisierung auskommen, sind auch intelligente Stromversorgungen unumgänglich. Dennoch stellt sich die Frage, welchen Mehrwert die Digitalisierung für den Anwender bereithält und welche Erwartungshaltung die Zulieferindustrie der Elektronikbranche an die Digitalisierung hat. Das maßgebliche Kriterium ist für Anwender und Hersteller der zu erfüllende Zweck.
Es sind die externen und internen Anforderungen und Einflüsse zu definieren, die auf das Netzteil einwirken. Dadurch lassen sich geeignete Maßnahmen ableiten, Ergebnisse bewerten und Informationen verarbeiten. Daraus ergibt sich wiederum für den Anwender und den Hersteller der Sinn für die Digitalisierung (Bild 1).
Digitalisierung extern: primärseitig vs. sekundärseitig
Bei einer primärseitigen externen Digitalisierung ist die hohe Betriebsspannung beim AC-Netzbetrieb problematisch. Dort können sicherheitstechnische Aspekte, EMV-Beeinträchtigungen oder hohe Spannungsdifferenzen auftreten. Das Trennen von Versorgung und Signal ist grundsätzlich mit großem Aufwand verbunden. Zudem bedingt die primärseitige Kommunikation meist nur eine unidirektional verlaufende Übertragung. Als Signalbeispiele insbesondere von LED-Treibern sind Powerline und DALI zu nennen.
Auf Niederspannungsebene lässt sich eine Versorgung hingegen deutlich einfacher sicherstellen. Bei der sekundärseitigen externen Digitalisierung sind Steuersignale und das On-/Off-Signal verfügbar. Zudem lassen sich aus der Stromversorgung vielfältige Informationen ableiten. Etwa Temperatur- und Betriebsdaten (Strom/Spannung), Serien- und Teilenummern, Status (Redundanz) sowie Betriebszeit und Lastverhalten. Eine Kommunikationsschnittstelle zu anderen Netzteilen erlaubt zudem eine Lastverteilung (load sharing), wobei I2C, RS232 oder RS485, CAN, Ethernet, Wi-Fi, RFID nennenswerte Signalbeispiele darstellen.
Vorteilhaft ist der Versuch einer Standardisierung mit dem Power Management Bus (PMBus), weil damit unterschiedliche Systeme einander zugeführt werden können. Auch erhöht eine Vielzahl an Daten über ein standardisiertes Bussystem die Marktakzeptanz. Andere Bussysteme wie KNX, DMX, ASi oder DALI weisen dagegen einen erhöhten Schaltungsaufwand auf. Allerdings bleibt der Wunsch, einen gemeinsamen Standard durch den PMBus zu schaffen, vorerst offen. Nachteilig ist die für den PMBus erforderliche kurze Verdrahtung aus Gründen der Störsicherheit.
Die im Netzteil stattfindende Anpassung an die Digitalisierung ist intern eine große Herausforderung. Eine Aufwand-Nutzen-Analyse zeigt, ob diese im Sinne des Herstellers ist. Auch ist es sinnvoll, bei Kunden- oder Anwenderwünschen bereits im Vorfeld das zu erzielende Ergebnis genau zu definieren.
Für die Umsetzung sind der Aufwand und der mögliche Nutzen abzuschätzen. Außerdem ist zwischen einer analogen und einer digitalen Lösung abzuwägen, wobei auch eine TCO-Betrachtung über die Laufzeit und ggf. Änderungsprozeduren empfehlenswert sind. Weiterhin ist zu berücksichtigen, ob mehrere unterschiedliche Varianten gewünscht sind und wo die Stromversorgung eingesetzt werden soll. Hinzu kommen systemsicherheitsrelevante Kriterien.
Ohne eine oder mehrere Hilfsspannungen zu erzeugen, Informationen zu erfassen oder die Kommunikation von Daten in geeigneter Geschwindigkeit, ist eine Digitalisierung nicht möglich. Ferner ist es erforderlich, Mikrocontroller und sonstige Bausteine zu programmieren. Nur so lassen sich die für eine Digitalisierung geeigneten Informationen zur Verfügung stellen. Ferner spielt die kompetente Datenverarbeitung eine entscheidende Rolle.
Konkretes Beispiel Messdatenerfassung
Ein Mikrocontroller stellt einem Anwender verarbeitete Daten über I2C zur Verfügung. Die hierfür erforderliche Hilfsspannung wird mit entsprechendem Timing erzeugt. Die zunächst analog gemessene Temperatur wird auf einen Port des Mikrocontrollers geführt. Um Temperaturunterschiede berücksichtigen zu können, kommen unter Umständen mehrere Messstellen zum Einsatz.
Die Ausgangsspannung wird über einen Spannungsteiler auf den Mikrocontroller geführt. Anschließend folgt der vom Shunt erfasste Ausgangsstrom mittels Verstärker. Während die Genauigkeit zu bewerten ist und das Signal gegebenenfalls abgeglichen wird, ist insbesondere die Strommessung zu beachten. Schließlich erfolgt die Ausgabe der Signale über einen gegen Störungen und gegebenenfalls auch gegen Verpolung geschützten Ausgang. Diese Methode bringt für die Funktionalität der Stromversorgung keinen Nutzen, was aufschlussreich ist.
Die Leistungsstufe eines getakteten Netzteils arbeitet „naturgemäß“ digital. Seit jeher ist die Umsetzung analoger Signale in digitale Signale entscheidend für die Funktionalität. Die bisherige Verwendung analoger und halbdigitaler Komponenten sorgt für eine preiswerte, zuverlässige, dynamische und robuste Stromversorgung.
Die Digitalisierung bietet zahlreiche Vorteile
Vielfältige Aspekte sprechen für die Digitalisierung. So bietet die Digitalisierung nicht nur mehr Möglichkeiten zur Auslegung eines Netzteils, auch lassen sich beispielsweise Effizienz und Regelverhalten über den gesamten Lastbereich optimieren. Ferner ist es möglich, alle Daten im Zeitbereich auszuwerten und zu verwenden und das Power-Sequencing gut umzusetzen. Etwaige Änderungen erfordern oftmals lediglich ein Software-Update. Auch sind diskrete Bauteile (teilweise) reduziert.
Zudem lassen sich nicht nur Reklamationen bei Bedarf analysieren, es besteht ferner die Möglichkeit, mehrere Netzteile zu vernetzen. Altern diskrete Bauteile, ist es möglich, das Dynamikverhalten anzupassen. Mit der Digitalisierung lassen sich modulare Konzepte gut umsetzen. Auch ist es möglich, Elkos im Primärkreis und insgesamt zu vermeiden.
Drei Beispiele digitaler Stromversorgungen
Das erste Beispiel ist ein 200-W-4-Kanal-LED-Treiber (Bild 2). Das mit LLC-Resonanzwandler ausgestattete Modul ist inrush-free und benötigt keine Zwischenkreis-Elkos. Der LED Driver ist mit vier separat regelbaren Ausgängen und einer Master-Slave-Funktion ausgestattet. Hinzu kommen Primary Controller PFC, LLC, Secondary Controller für die digitale Stromregelung, DALI Controller sowie optional DMX Controller.
Ein 250-W-Industrienetzteil ist ein weiteres Beispiel (Bild 3). Das Netzteil mit LLC-Resonanzwandler und vier Ausgängen verfügt für Timing und Strommessung über einen Secondary Controller. Jeder einzelne Ausgang ist entsprechend NEC class II begrenzt. Der Softwareabgleich erfolgt bis 99% der maximal zulässigen Last.
Das 350-W-peak-Power-Industrienetzteil in Bild 4 ist mit drei Ausgängen und integrierter Motorendstufe ausgestattet. Auch hier ist ein Secondary Controller für Timing und Strommessung vorhanden. Die Motorendstufe wird signalgesteuert. Zudem ist eine Sicherheitsabschaltung integriert.
Doch wie gelingt der Übergang in die digitale Welt der elektronischen Stromversorgungen? Zum einen sind Software-basierende Digital-Schaltungen in der Umgebung energiereicher, schnell schaltender Leistungselektronik zu integrieren. Zum anderen sollen Netzteile verbunden mit komplexer Leistungselektronik und den Möglichkeiten der digitalen Welt entwickelt werden. Die Hersteller elektronischer Stromversorgungen sind gefordert, die Kunden- und Marktanforderungen mit angemessenem Hard- und Softwareaufwand umzusetzen. Dabei ist die Sinnhaftigkeit von Anforderungen zu durchleuchten.
Aber auch eine Kosten-Nutzen-Analyse ist mit dem Kunden zu diskutieren. Ein Großteil der Entwicklungskompetenz ist dabei auf die Software zu verlagern. Weil immer schneller neue Anforderungen gestellt werden, hat das Zitat „heute schon an morgen denken“ durchaus seine Berechtigung.
Die Digitalisierung bietet eine ganze Reihe von Chancen
Die Digitalisierung erlaubt es, anhand von Datenanalyse optimierte Systeme zu entwickeln. Kosten lassen sich dadurch reduzieren, dass Überdimensionierungen vermieden werden. Zudem ist es möglich, auch kleine Stückzahlen zu individualisieren. Der digitale Wandel erlaubt es, mit erfassten Leistungsdaten die Temperaturentwicklung eines Systems zu kalkulieren, sinnvolle Wartungsintervalle bei z.B. USVs und Lüftern zu planen und komplexe Systeme wie LED-Beleuchtungssysteme oder Server zu vernetzen. Hinzu kommen intelligente Steuerungen für N+1-Redundanzen. Den sich daraus ergebenden neuen, heute noch nicht bekannten vielfältigen Möglichkeiten können wir mit gespannter Erwartung entgegensehen.
Auch mit Risiken ist die Digitalisierung verbunden
Mit der digitalen Transformation geht das erhöhte Risiko der Cyberkriminalität einher. Die umfangreiche Vernetzung bedingt sehr große Datenmengen gepaart mit einem erhöhten Risikopotenzial. Auch kann softwarebasierende Kommunikation immer Fehler enthalten (Datenlecks). Ferner können Daten fehlinterpretiert werden. Dadurch steigt der Aufwand für die Software enorm. Die dafür anfallenden Kosten werden auf das Produkt umgelegt. Weil Produktsoftware nur schwer oder gar nicht haftpflichtversichert werden kann, führt die Verbindung zwischen Anwender, Kunden- und Herstellerkompetenz (Stromversorgung) zu Abhängigkeiten. Auch gibt es in der Welt der Digitalisierung keine Normung und keinen Standard. Was ist also der Königsweg?
Letztlich lässt sich der Entwicklungsprozess der Digitalisierung nicht aufhalten. Deshalb ist es keine Alternative, dem digitalen Wandel die kalte Schulter zu zeigen. Schließlich gilt: ohne Risiken keine Chancen! Die Stromversorgungen sind entscheidende Baugruppen, wenn es um die Erfassung von Systemdaten geht. Es ist daher eine unternehmerische Pflicht, digitale Kompetenzen aufzubauen und zukünftige Entwicklungen im Blick zu behalten. Dabei ist ein enger Austausch zwischen Kunden und Anwendern für eine optimale Umsetzung unentbehrlich.
Natürlich tragen Visionäre das größte Risiko, gleichzeitig haben sie aber auch enorme Optionen. Es ist deshalb ein bewusstes und intelligentes Vorgehen erforderlich. Es gilt die Branche zu motivieren, die Digitalisierung maßgeblich (mit) zu prägen! Hier bietet der „ZVEI: Fachverband Schaltnetzteile“ eine geeignete Plattform zur Vernetzung und zum Austausch – nicht nur, aber auch – zur Digitalisierung.
* Hermann Püthe ist Geschäftsführender Gesellschafter der inpotron Schaltnetzteile GmbH.
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