Winkelsensoren: funktionale Sicherheit zertifiziert nach ASIL D

Michael Westpfahl *

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Zur Risikoklassifizierung definiert die ISO 26262 den Automotive Safety Integrity Level, kurz ASIL. Als bisher erster Hersteller magnetischer Winkelsensoren hat Infineon für die Winkelsensoren TLE5501 und TLE5014 eine Klassifizierung nach ASIL D erhalten.

Bild 1: Der TLE5501 nutzt das TMR-Sensorprinzip für eine präzise, schnelle und energieeffiziente Winkelerfassung.
Bild 1: Der TLE5501 nutzt das TMR-Sensorprinzip für eine präzise, schnelle und energieeffiziente Winkelerfassung.
(Bild: Infineon)

Funktionale Sicherheit bedeutet, dass eine Fehlfunktion in elektrischen oder elektronischen Systemen weder eine Gefährdung noch ein unvertretbares Risiko verursacht. Zur Wahrung der Integrität von Sicherheitsfunktionen brauchen Bauteile explizit eine Zulassung als Nachweis der ausreichenden Sicherheit.

Basierend auf der internationale Norm IEC 61508 entstand seit 2009 eine Normenlandschaft, in der die Norm ISO 26262 für Automotiv-Elektronik bindend ist. Innerhalb der ISO 26262 gibt es zur Risikoklassifizierung den Automotive Safety Integrity Level (ASIL), um die funktionale Sicherheit zu garantieren. Mit der höchsten Klassifizierungsstufe ASIL D wurden jetzt die Lenkwinkelsensoren TLE5501 (TMR-Technologie) und TLE5014 (GMR-Technologie) zertifiziert.

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Infineon entwickelte präzise magnetische Winkelsensoren in allen gängigen Technologien wie AMR (Anisotrop Magnetoresistiv), GMR (Giant Magnetoresitive) und auch TMR (Tunnel Magnetoresitive) für vielfältige Applikationen. Die xMR-Technologien sind komplementär und so gibt es Versionen mit analogen und digitalen Ausgängen, Single- und Dual-Chip-Kanal-Varianten sowie Produkte für Safety-relevante Applikationen.

Jüngste Entwicklungen sind der TMR-Winkelsensor TLE5501 und der GMR-Winkelsensor TLE5014, die jeweils als einkanalige und zweikanalige Variante erhältlich sind. Beide Sensoren ermöglichen neben einer präzisen und schnellen Winkel-Messung auch funktionale Sicherheit gemäß einer ISO26262 konformen Entwicklung für ASIL-C- bzw. ASIL-D-Systeme in Automobil-Anwendungen.

Bei magnetoresistiven Sensoren ändert sich der elektrische Widerstand, wenn das Sensorelement einem magnetischen Feld ausgesetzt wird. Bei einem GMR-Sensor ist diese Widerstandsänderung etwa um den Faktor 10 größer als bei einem AMR-Sensor (daher Giant) und erreicht beim TLE5014 etwa 25% bis 45%. Für den sofortigen Einsatz sind die GMR-Sensoren vorkalibriert.

Ein TMR-Sensor besteht im einfachsten Fall aus zwei ferromagnetischen Schichten (beispielsweise eine Legierung aus Kobaldeisen, CoFe). Dazwischen befindet sich eine Isolatorschicht aus Al2O3 (Aluminiumoxid) oder MgO (Magnesiumoxid). Darunter liegt (analog zum GMR-Effekt) eine Schicht aus einem Antiferromagneten zum Fixieren der Magnetisierung dieser Schicht. Die obere Schicht folgt dem äußeren Feld.

Die erreichbare Widerstandsänderung ist nochmals deutlich höher als bei GMR – bei Raumtemperatur etwa 40% bis 200%. Das ergibt hohe Signalamplituden, sodass weniger oder gar keine Signalverstärkung nötig ist. Anders als bei AMR- und GMR-Sensoren ist bei den TMR-Varianten die Stromflussrichtung nicht horizontal sondern vertikal.

TLE5501: funktionale Sicherheit mit nur einem Chip

Die neue XENSIV-TLE5501-Familie beinhaltet schnelle analoge und TMR-basierte Winkelsensoren für Automobilanwendungen. Ihr Einsatzgebiet reicht von Lenkradwinkelanwendungen (höchste funktionale Sicherheit) bis hin zu Scheibenwischern, Pumpen und Aktoren sowie Elektromotoren im Allgemeinen. Aber auch für Industrie-Anwendungen (etwa für die Robotik) oder für kardanische Aufhängungen/Lagerungen (etwa Messtechnik) und zum Einsatz in Konsumprodukten sind diese Bausteine geeignet.

Aufgrund der TMR-Technologie bieten sämtliche Produkte der neuen Sensoren eine hohe Erfassungsgenauigkeit bei hohen Ausgangsspannungen mit einer Signalamplitude bis zu 0,37 V/V. Im Gegensatz zu Sensoren anderer Technologien lassen sie sich direkt und ohne weitere Verstärkung an den Mikrocontroller anschließen. Der TMR-Sensor bietet eine sehr hohe Empfindlichkeit, eine geringe Leistungsaufnahme und geringen Jitter. Darüber hinaus zeichnet sich die TMR-Technologie durch eine sehr geringe Temperatur-Drift aus, wodurch der Aufwand für die externe Kalibrierung und Kompensation verringert wird.

Infineon entwickelte TLE5501-Sensoren in zwei verschiedenen Qualifizierungsstufen. Der TLE5501 E0001 ist nach AEC Q100 qualifiziert. Diese Version ist Pin-kompatibel mit dem bewährten Sensor TLE5009, ermöglicht jedoch kostengünstigere Systemlösungen, da kein zusätzlicher Verstärker erforderlich ist. Die andere Version, TLE5501 E0002, stellt einen wichtigen Schritt hinsichtlich Funktionaler Sicherheit dar. Konform mit der ISO 26262 erreicht dieser Winkelsensor die für Automobilanwendungen höchste funktionale Sicherheitsstufe ASIL D mit nur einem Sensorchip. Der TLE5501 E0002 besteht aus entkoppelten Brücken für eine redundante externe Winkelberechnung und bietet umfangreiche externe Diagnosemöglichkeiten entsprechend den gängigen Vorschriften für funktionale Sicherheit.

Acht TMR-Widerstände sind beim TLE5501 als zwei Wheatstone-Brücken angeordnet. Die Widerstandswerte hängen von der Ausrichtung des externen Magnetfeldes ab. Jede Brücke liefert ein differenzielles Ausgangssignal. Die erfassten Rohsignale (Sinus- und Kosinus-Winkelkomponenten) werden als differenzielle Ausgangssignale für die Verarbeitung durch einen Mikrocontroller (Winkelberechnung und weitere Signalverarbeitung) zur Verfügung gestellt. Durch die große Ausgangsspannung der zugrundeliegenden Brückenschaltung ist keine weitere Signalverstärkung notwendig. Damit sind für die Integration auf dem entsprechenden Board keine weiteren externen Bauelemente erforderlich; die Signalverarbeitung des analogen Sensorsignals kann direkt im Mikrocontroller erfolgen. So lassen sich auch Kompensationsalgorithmen (Winkelgenauigkeit, Linearität über die Temperatur und anderes mehr) per Software nutzen, um die Sensorgenauigkeit zu erhöhen. Außerdem kann die Performance mittels Software für die jeweilige Zielapplikation optimiert angepasst werden. Im Hinblick auf die funktionale Sicherheit ist der Sensor relativ einfach diagnostizierbar, weil nur eine einfache Sensorbrücke zu überwachen ist.

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Die Version TLE5501 E0002 hat zwei unabhängige VDD- und GND-Pins für die P- bzw. N-Brücke. Damit stehen zwei unabhängige Brückensignale (Kanäle) zur Verfügung, die in Safety-Konzepten einen Quercheck mit hoher Diagnose-Abdeckung durchführen können und so Fehlfunktionen vermeiden. Da auch sonst weniger externe Bauelemente notwendig sind, können kostbarer Bauraum gespart und die Systemkosten in sicherheitskritischen Anwendungen wie dem Gas- und Bremspedal oder bürstenlosen Gleichstrommotoren in Servolenkung, Getriebe und Kupplung gesenkt werden.

Bei einer Versorgungsspannung von 5 V ist der Versorgungsstrom mit nur 2 mA spezifiziert. Der Magnetfeldbereich umfasst 20 bis 100 mT. Der typische Winkelfehler beträgt (nicht kompensiert) nur 1° über die Temperatur und die Lebenszeit. Untergebracht ist der TLE 5501 in einem kleinem DSO8-Gehäuse.

Ebenso für anspruchsvolle Anwendungen inklusive funktionaler Sicherheit gerüstet sind die magnetischen Winkelsensoren XENSIV-TLE5014. Wie einfach die Integration des TLE5014 in eine elektrische Servolenkung ist, wurde auf Sensor+Test 2018 am Applikationsbeispiel einer Fail-Safe-/Fail-Operational-Architektur für die Servolenkung mit hoher Verfügbarkeit demonstriert.

Diese Sensor-Familie in GMR-Technologie erreicht auf Produktebene ISO 26262 ASIL-C-Werte für alle Single-Chip- und sogar die höchstmöglichen ASIL-D-Werte für alle Dual-Chip-Sensoren, was die Eignung der TLE5014-Sensoren in Anwendungen mit höchsten funktionalen Sicherheitsanforderungen bestätigt. Wie die zuvor skizzierten TLE5501-Pendants haben die TLE5014-Sensoren einen extrem kleinen Winkelfehler von weniger als 1° über den gesamten Temperaturverlauf und die gesamte Lebensdauer hinweg. Dies ist besonders hilfreich in Anwendungen, die eine sehr präzise Positionserfassung erfordern, beispielsweise bei der Lenkwinkelerkennung oder der Motorkommutierung. Weitere Einsatzmöglichkeiten sind unter anderem elektrische Servolenkungen und das Erfassen von Pedalstellungen.

Sämtliche TLE5014-Sensoren gibt es in Ein-Chip- und Zwei-Chip-Ausführungen. Sie sind als Plug-and-Play-Sensoren vorkonfiguriert und vorkalibriert und dadurch direkt einsetzbar. Wählbare Schnittstellen sind SENT, PWM und SPC; Versionen mit SPI-Schnittstelle sind in Vorbereitung. Zusätzlich zu diesen Protokolloptionen lassen sich die Sensoren über die programmierbaren E2PROM-Schnittstellen an beliebige Anwendungsumgebungen anpassen. Sämtliche Winkelsensoren sind mit hohen Eingangsspannungen bis maximal 26 V kompatibel.

Automobile Sicherheit konform mit ASIL C oder ASIL D

Um hohe funktionale Sicherheit in Automobilen gemäß ASIL C oder D gewährleisten zu können, ist eine entsprechende System-Partitionierung mit Redundanz und zuverlässigen Sensoren erforderlich. Nur so ist hohe Verfügbarkeit gewährleistet und das System bleibt bei einem Komponentenfehler funktionsfähig. Deshalb entwickelt und dokumentiert Infineon die entsprechenden Sensoren von Anfang an gemäß ISO26262.

Einen großen Einfluss auf die Safety-Partitionierung hat das Platzieren der Sensoren – ob nun lokal auf dem ECU-Board oder per Remote über eine separate Leiterplatte. Der TLE5501 ist für On-Board-Applikationen ausgelegt und wurde von Beginn an entsprechend der ASIL-D-Anforderungen entwickelt. Er basiert auf einem proprietären Safety-Konzept mit zwei unabhängigen Vollbrücken-Kanälen. Zusammen mit externen Safety-Mechanismen (sichere Spannungsversorgung, Brücken-Partitionierung, Erfüllung der ASIL-D-Metriken) und einem AURIX-Mikrocontroller kann damit ASIL D auf Systemebene unterstützt werden. Mit dem TLE5014 im TDSO-16-Gehäuse lässt sich die erforderliche Redundanz in System-Designs entweder durch den Einsatz von zwei Ein-Chip- oder einer Dual-Chip-Version erreichen.

* Michael Westpfahl ist Director Product Group Position & Current Sensors bei Infineon Technologies.

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