Wie Sie den Einschaltstrom wirkungsvoll begrenzen

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Der Einschaltstrom einer Stromversorgung ist oft deutlich höher als der Nennstrom, wird aber in vielen Datenblättern nur am Rande erwähnt. Das kann zu Schwierigkeiten führen.

Durch einen hohen Einschaltstrom werden das speisende Netz und dessen Komponenten stark belastet. Die wohl gängigste Methode der Einschaltstrombegrenzung ist die Verwendung eines NTC.
Durch einen hohen Einschaltstrom werden das speisende Netz und dessen Komponenten stark belastet. Die wohl gängigste Methode der Einschaltstrombegrenzung ist die Verwendung eines NTC.
(Bild: inpotron)

Meist beschreibt nur eine kleine Zeile im Spezifikationsblatt einer Stromversorgung den Inrush Current (Einschaltstrom). Leidvolle Erfahrungen gibt es hierzu. Warum haben Anwender mit den Auswirkungen des Einschaltstromstoßes häufig solch immense Probleme? Wie sind die Begrifflichkeiten zu verstehen und welche Auswirkungen ergeben sich daraus? Was bedeutet Kaltstart wirklich? Es soll aufgezeigt werden welche Schwierigkeiten durch den Einschaltstrom auftreten, wie diese zu bewerten sind und welche Maßnahmen zur Begrenzung wirksam sein können.

Der Einschaltstrom ist oft deutlich höher als der Nennstrom

Als Einschaltstrom bezeichnet man den elektrischen Strom, der unmittelbar nach dem Einschalten eines elektrischen Verbrauchers fließt. Er ist oft deutlich höher als der Nennstrom. Einschaltströme treten vor allem bei Transformatoren, Motoren, Heizwendel, Glühlampen, DC/DC-Wandler und allgemein bei Stromversorgungen auf.

Ursachen des hohen Einschaltstrom

Die Hauptursache des Einschaltstroms ist der Ladestrom, der in den Elektrolytkondensator C1 fließt (Bild 2). Dieser weist eine hohe Kapazität auf. Eine entladene Kapazität stellt einen Kurzschluss für das speisende Netz dar. Zusätzlich fließt ein Ladestrom in die Filterkondensatoren (Filter C). Dieser ist weniger wichtig, da die Filterkondensatoren eine deutlich geringere Kapazität als der Elektrolytkondensator C1 aufweisen.

Wie sich ein Einschaltstrom bewerten lässt

Um einen Einschaltstrom bewerten zu können, ist unter anderem das Schmelzintegral I2t ausschlaggebend. Um das Schmelzintegral für übliche Einschaltstromstöße leicht berechnen zu können, gibt es die Faustformel ½ . Imax2. T50. Dabei wird für Imax die maximale Amplitude des Einschaltstroms eingesetzt. T50 beschreibt die Impulsdauer in der Imax/2 überschritten wird. Bei Anwendung dieser Formel wird klar, dass die Stromspitze, verursacht durch die Filterkondensatoren, vernachlässigt werden kann. Diese weist einen deutlich geringeren Energiegehalt auf, als der durch den Elektrolytkondensator verursachte Einschaltstrom.

Wieso ist der Einschaltstrom so wichtig?

Durch einen hohen Einschaltstrom werden das speisende Netz und dessen Komponenten stark belastet. Es kann zu strombedingten Spannungseinbrüchen kommen, die unter anderem andere Geräte beeinflussen. Leitungen, Schalter und Relais müssen diese hohen Ströme vertragen können, ohne dabei beschädigt zu werden. Das wahrscheinlich wichtigste Merkmal zu hoher Einschaltströme ist das ungewollte Auslösen von Sicherungen und Leitungsschutzschaltern.

Sicherungsautomaten und Sicherungen

Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Mechanismen für das Auslösen von Sicherungsautomaten. Der erste Mechanismus ist der Überlastschutz, der mit einem Thermo-Bimetall-Auslöser arbeitet. Er wird durch Erwärmung ausgelöst, das heißt, er ist zeit- und stromabhängig. Der zweite Mechanismus ist der Kurzschlussschutz. Dieser kann mithilfe eines Elektromagnetauslösers, welcher ausschließlich stromabhängig ist, extrem schnell auslösen. Beim Einschalten von Stromversorgungen ist ausschließlich der Kurzschlussschutz maßgebend für das Auslösen der Sicherung. Bei Sicherungen sollte darauf geachtet werden, dass das Schmelzintegral I2t ausreichend hoch ist.

Parallelschaltung mehrerer Geräte

Im Falle einer Parallelschaltung mehrerer Stromversorgungen an einer Sicherung, muss besonders Acht gegeben werden. Die Einschaltströme jeder Stromversorgung addieren sich und führen oft zu ungewolltem Auslösen der Sicherung. Der stark wachsende LED-Markt ist hierfür ein gutes Anwendungsbeispiel. Jede LED-Leuchte benötigt einen LED-Treiber. Da meistens mehrere Leuchten parallel betrieben werden, muss auf den Einschaltstrom der Treiber geachtet werden. Ein weiteres Beispiel ist die Gebäudeautomation, wenn zum Beispiel alle Rollläden eines Gebäudes gleichzeitig angesteuert werden.

Passive Einschaltstrombegrenzung mit NTC

Die wohl gängigste Methode der Einschaltstrombegrenzung ist die Verwendung eines NTC. Ein NTC ist ein temperaturabhängiger Widerstand (Heißleiter). Dieser verringert seinen Widerstandwert bei steigender Temperatur. Der NTC wird in den Leistungspfad implementiert und begrenzt im kühlen Zustand (Cold start) den Einschaltstrom. Dieser erwärmt sich mit der Zeit und verringert seinen Widerstand, sodass er im Normalbetrieb weniger Verluste verursacht. Die Vorteile dieser Lösung sind die einfache Umsetzung, geringer Bauteilaufwand und damit verbunden die niedrigen Kosten. Außerdem ist der NTC eine sehr robuste Lösung. Die Nachteile wiederum sind der temperaturabhängige Einschaltstrom, ein schlechterer Wirkungsgrad und schlechte Begrenzung nach einem Start des Netzteils bei einem Netzunterbruch (Warmstart).

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Tabelle: Verschiedene Auslösecharakteristika im Vergleich.
Tabelle: Verschiedene Auslösecharakteristika im Vergleich.
(Bild: inpotron)

Aktive Einschaltstrom­begrenzung mit NTC

Die aktive Einschaltstrombegrenzung mittels NTC behebt die Nachteile der passiven Begrenzung. Der NTC begrenzt den Einschaltstrom beim Einschalten des Netzteils. Damit dieser im Normalbetrieb keine Verluste mehr verursacht, wird er mit einem Schalter gebrückt. Dazu kann beispielsweise ein Relais verwendet werden. Zusätzlich wird der Einschaltstrom nach einer Netzunterbrechnug wieder effektiv begrenzt, da der NTC im Normalbetrieb wieder Zeit hat sich abzukühlen.

Die Nachteile hierbei sind der erhöhte Schaltungsaufwand und die damit verbundenen Kosten. Anstatt eines NTC mit aktiver Überbrückung können auch Festwiderstände oder PTCs (Kaltleiter) verwendet werden. Zur Überbrückung kann anstatt eines Relais auch ein MOSFET, Thyristor oder Triac verwendet werden. Es gibt noch viele andere Arten der Einschaltstrombegrenzung, beispielsweise das gepulste Aufladen der Eingangskondensatoren durch eine Zusatzschaltung, das Minimieren der Eingangskapazität, usw.

Externe Einschaltstrom­begrenzer

Es gibt externe Einschaltstrombegrenzer, an denen mehrere Geräte gebündelt werden können. Der Vorteil ist, dass man nur einmal einen Einschaltstrombegrenzer extern realisieren muss. Der Nachteil ist die erhöhte Leistung im Normalbetrieb. Die maximale Anzahl der Geräte pro Begrenzer muss beachtet werden.

Bild 2: Die Hauptursache des Einschaltstroms ist der Ladestrom der in den Elektrolytkondensator C1 fließt. Zusätzlich fließt ein Ladestrom in die Filterkondensatoren (Filter C).
Bild 2: Die Hauptursache des Einschaltstroms ist der Ladestrom der in den Elektrolytkondensator C1 fließt. Zusätzlich fließt ein Ladestrom in die Filterkondensatoren (Filter C).
(Bild: inpotron)

Datenblattangaben können irreführend sein

Die Datenblattangaben verschiedener Hersteller bezüglich des Einschaltstromes, müssen genau betrachtet werden. Diese können irreführend und wenig informativ ausfallen. Man sollte unbedingt darauf achten unter welchen Bedingungen der Einschaltstromstoß spezifiziert ist. Außerdem ist es wichtig, ob nur ein typischer oder maximaler Wert angegeben ist. Der reale Wert könnte unter Umständen höher sein als der typisch angegebene Wert. Um die Anforderungen an den gewünschten Begrenzer zu verstehen, den Anwender angemessen beraten zu können und eine passende Art der Begrenzung im Netzteil umzusetzen, würde ein Hersteller kundenspezifischer Netzteile folgende Fragen stellen.

5 Fragen: Welche Einschaltstrombegrenzung passt für meine Anwendung?

  • Gibt es einen von Ihnen gewünschten maximalen Einschaltstrom?
  • Welche Erwartungen haben Sie an den Einschaltstrombegrenzer? (Klärung Verständnis für Cold und Warmstart)
  • Welche Vorsicherungen, Schalter, Relais sind in Ihrem Gerät verbaut?
  • Welche Vorsicherungen, Schalter, Relais sind für den Endkunden für Ihr Gerät zulässig?
  • Werden mehrere Geräte parallel geschalten? Wenn ja, wie viele maximal?

Messung des maximalen Einschaltstroms

Ziel der Messung ist es, den maximalen Einschaltstrom zu messen. Dabei muss auf gewisse Dinge geachtet werden. Bei jeder Messung ist sicherzustellen, dass die Eingangskondensatoren komplett entladen sind. Der Betrieb des Netzteils an einer Last kann dabei helfen. Unabhängig davon, ob man einen Kalt- oder Warmstart messen möchte, ist zu gewährleisten, dass im Spannungsmaximum einer Sinushalbwelle eingeschaltet wird. In aller Regel ist der Einschaltstrom unabhängig von der Ausgangslast. Außerdem muss auf die Umgebungstemperatur und Bauteiltemperatur geachtet werden.

Bei einem Kaltstart sollte der NTC beispielsweise kalt und bei einem Warmstart dementsprechend heiß sein. Vor einem Kaltstart sollte der NTC genügend Zeit haben, sich abzukühlen. Einen Warmstart kann man gewährleisten, indem man das Netzteil längere Zeit unter Volllast betreibt. Zudem müssen die Unterschiede verschiedener speisender Netze/Quellen beachtet werden. Bei einer AC-Quelle darf der maximale Spitzenstrom (peak), den die Quelle liefen kann, nicht den maximalen Einschaltstrom des zu messenden Netzteils unterschreiten. Da eine AC-Quelle eine geringe Impedanz aufweist, treten bei hohen Peakströmen geringe bis keine Spannungseinbrüche auf.

Falls der Einschaltstrom mithilfe eines Trenntransformators gemessen wird, treten niedrigere Einschaltströme und größere Spannungseinbrüche auf, da dieser eine relativ hohe Impedanz aufweist. Dies kann je nach verwendetem Trenntransformator variieren. Bei Messung am direkten Versorgungsnetz kann es zu starkem Schalterprellen beim Einstecken des Netzteils, kommen. Das macht es fast unmöglich, eine vernünftige und reproduzierbare Messung aufzunehmen.

Ein guter Schalter, der kein Prellen aufweist, kann hier Abhilfe schaffen. Dabei kommt es zu Spannungseinbrüchen im Versorgungsnetz, da das Netz eine relativ hohe Impedanz aufweist. Dies hängt stark davon ab, wie groß der Abstand zwischen der zur Messung genutzten Steckdose und dem Verteiler ist. Außerdem muss beim Messen am direkten Netz besonderes auf Sicherheit geachtet werden.

Die Verwendung eines Oszilloskops und falsches Anschließen der Tastköpfe kann zur Zerstörung des Oszilloskops führen. Es kann auch Netzspannung auf das Gehäuse gebracht werden und somit besteht die Gefahr eines Stromschlages. Um eine gefahrlose und verwertbare Messung zu erhalten, benötigt man passendes Hintergrundwissen und geeignete Messmittel.

Bei Unklarheiten mit dem Einschaltstrom lieber nachhaken

Obwohl die Beschreibung des Einschaltstroms von Netzteilen in Spezifikationsblättern eher kurz gehalten wird, kann dieser durchaus größere Bedeutung für den Anwender bzw. das Gesamtsystem haben. Bei Unklarheiten ist es ratsam den Lieferanten nach erweiterten Angaben zu fragen und sich passend beraten zu lassen. Hersteller kundenspezifischer Netzteile beraten und lösen offene Fragen, statt den Kunden mit Datenblättern alleine zu lassen.Generell gilt, man sollte dem Hersteller auch oder gerade bei so unscheinbaren Punkten in einer Netzteilspezifikation vertrauen können.

* Torsten Keinath ist Entwicklungsleiter und Jan-Roman Maaser Mitarbeiter in der Entwicklung bei inpotron.

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