Trends in der elektrischen Antriebstechnik
Die Geschichte der Antriebstechnik ist mehr als 120 Jahre alt, doch hat sie für eine enorme Produktivitätssteigerung in vielen industriellen Anwendungen gesorgt. Neue Anwendungen wie Antriebssysteme für die Elektromobilität führen nun zu weiteren Innovationsschüben, die auch auf industrielle Anwendungen ausstrahlen.
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Die elektrische Antriebstechnik ist eine der wichtigsten industriellen Technologien. Mehr als 6000 TWh elektrischer Leistung werden global in der Industrie durch elektrische Antriebe in mechanische Leistung gewandelt; dies entspricht etwa 27 % der globalen Stromproduktion. Dieser Anteil ist nicht verwunderlich, denn viele technische Applikationen sind heute ohne elektrische Antriebstechnik undenkbar. Die Einsatzgebiete reichen von einigen Milliwatt Antriebsleistung, zum Beispiel in der Computertechnik für Festplattenantriebe, über hochpräzise stellwinkelgenaue Antriebe in Werkzeug- und Produktionsmaschinen im Bereich einiger Kilowatt mechanischer Leistung. Aber auch für Schiffsantriebe mit hohen Anforderungen an Wirkungsgrad und Zuverlässigkeit kommen geregelte Antriebssysteme zur Anwendung, bis hin zu Applikationen in der Öl- und Gasindustrie mit bis zu 100 MW mechanischer Leistung.
Im Vergleich zu anderen Antriebsarten weisen elektrische Antriebssysteme einen sehr hohen Wirkungsgrad auf. Je nach Größe und Ausführungsform können bis zu 99 % der elektrischen Leistung in mechanische Leistung umgewandelt werden.
Elektrischen Antriebe bewegen die Industrie
Elektrische Antriebssysteme zeichnen sich durch eine hohe Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit, effizienten Betrieb und geringe Wartungs- und Servicekosten aus. In vielen Applikationen werden digital drehzahl- oder lagegeregelte Elektromotoren im Asynchron- oder Synchronbetrieb eingesetzt. Der Asynchronmotor in einphasiger Ausführung im Leistungsbereich bis zu einigen Kilowatt und in dreiphasiger Ausführung bis zu etwa 10 MW ist die robuste Standardmaschine für den Großteil der Anwendungen. Oftmals wird der Motor durch einen digital geregelten Frequenzumrichter gespeist. Der Betriebspunkt des Antriebs kann damit sehr individuell und optimiert auf den Arbeitspunkt der angetriebenen Maschine eingestellt werden. Die typischen Anwendungsgebiete findet man heute zum Beispiel in der diskreten Fertigungsindustrie. In Dreh- und Fräszentren mit hochgenauer digitaler Lage- und Drehzahlregelung werden typischerweise frequenz- und winkelpositionsgesteuerte Synchronmotoren eingesetzt.
Viele Anwendungen sind in der Prozessindustrie zu finden: In einer typischen Chemieanlage werden oftmals einige Tausend Motoren für Pumpen- und Kompressorantriebe eingesetzt. Hier steht die Effizienz und der Wirkungsgrad, die Zuverlässigkeit, aber auch der Umweltschutz im Vordergrund. Hat man in der Vergangenheit zum Beispiel für elektrische Pumpenantriebe oftmals netzgespeiste Festdrehzahl-Asynchronmotoren eingesetzt und den Pumpenvolumenstrom über hydraulische Drosselventile geregelt, werden heute drehzahlvariable Antriebe eingesetzt. Erst hierdurch kann das Pumpensystem wirklich energieeffizient arbeiten, denn durch die Drosselventile wurde Energie dissipiert und der Systemwirkungsgrad stark verschlechtert. Der Einsatz von Frequenzumrichtern führt in diesen Fällen zu einem deutlich reduziertem Energieverbrauch und rechnet sich meist schnell. Trotzdem muss man feststellen, dass heute immer noch etwa 70 % aller elektrischen Antriebe als Festdrehzahlantriebe ausgeführt werden.
Generell sind die Anforderungen an die Energieeffizienz der Motorentechnologie in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Dies hat dazu geführt, dass die Leistungsdichte und Materialausnutzung eher reduziert werden mussten. Der Trend geht auch zu permanenterregten Motoren mit hohem spezifischen Wirkungsgrad. Es wird an Applikationen mit Hochtemperatur-Supraleitung im Rotor und Stator geforscht, die naturgemäß die höchsten Leistungsdichten bei niedrigsten Verlusten zulassen. Interessant sind solche Anwendungen zum Beispiel als Flugantriebe.
Neue Impulse durch Elektromobilität
Elektrische Antriebssysteme für die Elektromobilität müssen neue Anforderungen erfüllen und setzen neue Trends. Hier steht der Klima- und Umweltschutz im Vordergrund, die Systeme sorgen sowohl für den Antrieb als auch regenerativ für das Abbremsen und können damit den Wirkungsgrad deutlich erhöhen. Fahrzeuge werden sehr viel einfacher in der Produktion und wartungsärmer. Es wird an neuen Produktionsverfahren geforscht und entwickelt, zum Beispiel 3D-gedruckte Statoren oder komplette Motoren. Aufgrund der Forderung nach höchster Leistungsdichte und geringem Gewicht werden Konzepte mit Zweiphasenkühlung untersucht. Die Anforderungen an diese Antriebe unterscheiden sich vor allem in Bezug auf Lebensdauer und Zuverlässigkeit von industriellen Anwendungen: Während ein typischer Fahrzeugantriebsmotor eine Lebensdauer von etwa 5000 Betriebsstunden aufweisen muss, müssen Antriebe in der Industrie weit über 100 000 Betriebsstunden zuverlässig arbeiten.
Im Marinebereich wird die elektrische Antriebstechnik durch die steigenden Umweltauflagen, aber auch Komfortanforderungen für Kreuzfahrtschiffe immer interessanter. Ein Kreuzfahrtschiff benötigt typischerweise nur circa 30 % seiner elektrischen Leistung für den Vortrieb, 70 % werden durch Beleuchtung, Kühlung, Heizung und Ventilation und weitere Verbraucher benötigt. Durch entsprechende Asynchron- oder Synchronmotoren kann die Antriebsleistung sehr individuell und effizient geregelt werden. Die Motoren sind im Vergleich zu konventionellen Dieselmotoren sehr leise und vibrationsarm. Die elektrische Energie wird typischerweise durch mehrere Dieselgeneratoren erzeugt, die optimal auf die jeweiligen Lastpunkte ausgelegt sind. Es werden aber auch rein elektrisch betriebene Fähren gebaut, die elektrische Energie in Akkus speichern.
Elektrische Flugzeugantriebe sind ebenfalls neue, vielversprechende Applikationen: Hiermit könnten Flugreisen umweltschonend möglich sein, insbesondere in Verbindung mit solarer Energieerzeugung. Obwohl sich diese Anwendungen noch in einer frühen Versuchsphase befinden, sind die Potenziale der Technologie erkennbar.
Digitalisierung und IoT: Antriebssysteme werden intelligent
Neue Möglichkeiten zur Steigerung der Produktivität, der Zuverlässigkeit und zur Kostensenkung ergeben sich in den letzten Jahren durch die zunehmende Vernetzung und IoT. Die Antriebssysteme werden mit Sensoriken zur Betriebszustandsüberwachung ausgestattet und diese Signale entweder lokal oder dezentral in einer Cloud digital verarbeitet. Die Antriebssystem-Hersteller arbeiten an Algorithmen zur frühen Detektion von Fehlfunktionen und Schäden, um die Zuverlässigkeit zu erhöhen und Wartung optimal sowie rechtzeitig anbieten zu können. Auch Betriebsweisen können so optimiert werden. Dies führt zu einer engen Kollaboration zwischen Herstellern und Betreibern über den gesamten Produktlebenszyklus und zu neuen Geschäftsmodellen für Betreiber und Hersteller.
Die Entwicklungsgeschichte der modernen elektrischen Antriebstechnik ist noch nicht beendet. Innovative Technologien, Materialien und Werkstoffe sowie die Digitalisierung werden genutzt, um die Anforderungen an Produktivität und Zuverlässigkeit, aber auch an Umwelt- und Klimaschutz umzusetzen. Neue Applikationen und Anwendungen ergeben sich hieraus, die auch zu Innovationsschüben für die etablierten industriellen Anwendungen führen werden.
Dieser Beitrag stammt von unserem Partnerportal Maschinenmarkt.
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„Immer wieder neue Impulse, die ich als Entwickler nutzen kann“
* Dr. Christian Mundo ist Digital Officer der Business Unit Large Drives bei der Siemens AG in 90443 Nürnberg
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