Elektroautos als Treiber SiC-Leistungshalbleiter: Bosch kauft US-Chipfertiger TSI Semiconductors
Mit rund 1,4 Milliarden Euro will der Technologiekonzern Bosch die ASIC-Fertigung von TSI Semiconductor auf Siliziumkarbid-Chips umstellen und bis Ende 2030 sein weltweites Angebot an SiC-Halbleitern signifikant erweitern. Die Fabrik in Roseville wäre nach Reutlingen der zweite Fertigungsstandort von Bosch für die zukunftsträchtigen Leistungshalbleiter.

Bosch baut sein Halbleitergeschäft mit Siliziumkarbid-Chips aus. In den USA plant das Technologieunternehmen Teile des Geschäfts des Halbleiterherstellers TSI Semiconductors aus Roseville, Kalifornien, zu übernehmen. Das Unternehmen mit 250 Beschäftigten ist ein Fertigungsbetrieb, eine sogenannte Foundry, für anwendungsspezifische integrierte Schaltungen (ASICs). Es entwickelt und produziert in hohen Volumen derzeit überwiegend Halbleiter auf 200-Millimeter-Siliziumwafern für Anwendungen in der Mobilitäts-, Telekommunikations-, Energie- und Biowissenschaftsbranche. Bosch will in den kommenden Jahren mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar (rund 1,39 Milliarden Euro) in den Standort Roseville investieren und die Fertigungsstätten von TSI Semiconductors umrüsten. Ab 2026 sollen hier die ersten Halbleiter auf 200-Millimeter-Wafern produziert werden, die auf dem innovativen Material Siliziumkarbid (SiC) basieren.
Durch diesen Schritt stärkt Bosch sein Halbleitergeschäft mit stark nachgefragten SiC-Leistungshalbleitern. Ziel ist es nach eigenen Angaben, bis Ende 2030 das eigene Angebot dafür weltweit signifikant zu erweitern. Besonders der weltweite Boom der Elektromobilität führt zu einem enormen Bedarf an solchen Spezialhalbleitern für die Leistungselektronik praktisch rund um den Globus.
Fördermittel aus Subventionsprogramm „Chips and Science Act“
Der Umfang der geplanten Investitionen wird von den Fördermöglichkeiten des US-amerikanischen „Chips and Science Act“ sowie den wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten im Bundesstaat Kalifornien abhängen. Bosch und TSI Semiconductors haben eine entsprechende Vereinbarung getroffen und über finanzielle Details der Transaktion Stillschweigen vereinbart. Die Übernahme steht noch unter dem Vorbehalt der behördlichen Genehmigungen.
Interessant ist die Übernahme des US-Herstellers vor dem Hintergrund, dass der US-amerikanische Konkurrent Wolfspeed Anfang des Jahres bekannt gegeben hat, eine ebenfalls milliardenschwere SiC-Fab im saarländischen Ensdorf bauen zu wollen – und sich so besseren Zugang zum wichtigen europäischen Markt zu verschaffen. Nun plant Bosch Ähnliches für den US-Markt, der ebenfalls ein enormes Potenzial für die Anwendung von SiC-Halbleitern in der Elektromobilität (und etlichen anderen Bereichen) hat. Hier wie dort können die Unternehmen auf reichlichen Finanzmittelzufluss aus üppig ausgestatteten Förderprogrammen hoffen.
Auch Konkurrent und Leistungshalbleiter-Marktführer Infineon hat längst das Potenzial der Siliziumkarbidtechnologie erkannt, investiert zusätzlich aber auch in Galliumnitrid-Technologie: Zuletzt hatte der Konzern die Übernahme des kanadischen Galliumnitrid-Spezialisten GaN Systems für 830 Millione US-Dollar angekündigt.
Erfahrene Fachkräfte sind Teil der Übernahme
„Mit dem Erwerb von TSI Semiconductors bauen wir in einem wichtigen Absatzmarkt Fertigungskapazitäten für SiC-Chips auf und stellen gleichzeitig auch unsere Halbleiterfertigung global auf. Die vorhandenen Reinraumflächen und das Fachpersonal in Roseville werden es uns ermöglichen, SiC-Chips für die Elektromobilität in noch größerem Maßstab zu fertigen“, sagt Dr. Stefan Hartung, Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung.
Der Standort in Roseville besteht laut Hartung bereits seit 1984. In den vergangenen knapp 40 Jahren habe das US-Unternehmen sehr viel Knowhow für die Halbleiterfertigung aufgebaut. „Diese Kompetenz integrieren wir jetzt in den Halbleiter-Fertigungsverbund von Bosch“, sagt Dr. Markus Heyn, Bosch-Geschäftsführer und Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions.
10.000 Quadratmeter Reinraumfläche: Produktionsstart 2026 auf 200-mm-Wafern geplant
Der neue Standort in Roseville wird den internationalen Fertigungsverbund von Bosch für Halbleiter stärken. Nach einer Umrüstphase werden hier ab 2026 auf Reinraumflächen von rund 10.000 Quadratmetern erste SiC-Leistungshalbleiter auf 200-Millimeter-Wafern produziert werden. Bosch hat früh in die Entwicklung und Fertigung von SiC-Halbleitern investiert und produziert bereits seit 2021 mit eigenen, hochkomplexen Verfahren solche Chips am deutschen Halbleiterstandort in Reutlingen bei Stuttgart in Serie, zukünftig ebenfalls auf 200-Millimeter-Wafern.
Die Reinraumfläche in Reutlingen erweitert das Unternehmen bis Ende 2025 von zurzeit rund 35.000 Quadratmetern auf mehr als 44.000 Quadratmeter. „SiC-Chips sind eine Schlüsselkomponente für die elektrifizierte Mobilität. Mit der Ausweitung unserer Halbleiteraktivitäten nach Übersee stellen wir uns in einem wichtigen Elektroobilitätsmarkt auch lokal schlagkräftig auf“, sagt Heyn.
Durchschnittlich 25 Bosch-Chips in jedem Auto
Die Nachfrage nach Halbleitern für die Automobilindustrie ist weiterhin hoch: Bosch erwartet, dass bis 2025 in jedem Neufahrzeug durchschnittlich 25 Chips von Bosch integriert sein werden. Auch der Markt für SiC-Halbleiter wächst kräftig weiter – im Jahresschnitt um über 30 Prozent. Haupttreiber des Wachstums sind hierbei der weltweite Boom und Hochlauf der Elektromobilität.
Bei E-Autos ermöglichen SiC-Chips größere Reichweiten und effizientere Ladevorgänge, da sie einen bis zu 50 Prozent geringeren Energieverlust aufweisen. In Leistungselektroniken von Elektrofahrzeugen sorgen sie dafür, dass das Auto mit einer Batterieladung deutlich weiter fahren kann – im Schnitt sind bis zu sechs Prozent mehr Reichweite möglich verglichen mit Chips, die auf Silizium basieren.
Hohe Investitionen in die Schlüsseltechnologie Halbleiter
Halbleiter sind ein entscheidender Erfolgsfaktor für alle Geschäftsfelder von Bosch. Nach eigenen Aussagen hat das Unternehmen das Potenzial der Technik bereits früh erkannt und produziert Halbleiter seit mehr als 60 Jahren. Bosch ist damit eines der wenigen Unternehmen, das neben Knowhow in den Bereichen Elektronik und Software auch über ein tiefes Verständnis der Mikroelektronik verfügt.
Diesen Wettbewerbsvorteil kombiniert Bosch mit seiner Stärke in der Fertigung von Halbleitern. In Reutlingen produziert das Technologie- und Dienstleistungsunternehmen bereits seit 1970. Die Produkte kommen sowohl im Automobilbereich als auch in der Konsumentenelektronik zum Einsatz. Moderne Elektronik in Fahrzeugen ist Basis für Klima- und Unfallschutz im Straßenverkehr sowie Effizienz im Antrieb. Die Produktion in der 300-Millimeter-Fabrik von Bosch in Dresden startete im Juli 2021. Der Bau der dortigen Halbleiterfabrik ist mit einer Milliarde Euro die bis dato größte Einzelinvestition in der Geschichte des Unternehmens.
Bis 2026: Weitere drei Milliarden für europäisches Chipgeschäft
Insgesamt hat Bosch in seine Halbleiterfertigungen in Reutlingen und Dresden seit der Einführung der 200-Millimeter-Technologie im Jahr 2010 bereits mehr als 2,5 Milliarden Euro investiert. Hinzu kommen weitere Investitionen in Milliardenhöhe für die Entwicklung der Mikroelektronik.
Unabhängig von der jetzt geplanten Investition in den USA hatte das Unternehmen im Sommer 2022 bekanntgegeben, bis 2026 im Rahmen seines Investitionsplans und mit Hilfe des europäischen Förderprogramms IPCEI Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie („Important Project of Common European Interest on Microelectronics and Communication Technologies“) weitere drei Milliarden Euro in sein Halbleitergeschäft in Europa zu investieren. (me)
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