Primärschutz mit Lade-Balancing im Batterie-Management

Autor / Redakteur: Peter Straub * / Gerd Kucera

Während des Ladevorgangs ist die Brandgefahr von Li-Ion-Akkus am größten und deshalb ein geeigneter Ladeschutz Pflicht. Der Artikel zeigt die Bedeutung der Sicherung als Primärschutz.

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Bild 1: Die Sicherung UMT-H nach AEC-Q200 von SCHURTER schützt vor Überstrom und Übertemperatur nach AEC-Q200.
Bild 1: Die Sicherung UMT-H nach AEC-Q200 von SCHURTER schützt vor Überstrom und Übertemperatur nach AEC-Q200.
(Bild: SCHURTER)

Beim Aufladen von Akkus nutzt das Ladeverfahren eine ausgeklügelte Strategie, um Strom und Spannung während des Ladevorgangs innerhalb der Betriebsgrenzen zu regeln. Die Batterie soll schnellstmöglich aber zugleich schonend auf Nennkapazität gebracht werden. Für Mehrzellen-Akkus besitzt das Batterie-Management-System ein Zellen-Balancing. Ohne diese Funktionskomponente bestimmt in einem Mehrzellen-Akku stets die schwächste Zelle darüber, welche Kapazität das Gesamtsystem hat. Da die einzelnen nun Zellen unterschiedlich altern, lässt sich selbst mit einer gewissenhaften Zellen-Selektion nicht sicherstellen, dass eine identische Kapazität gegeben ist. Notwendig ist eine intelligente Ladelösung und unerlässlich ein Primärschutz durch Sicherungen, wie nachfolgend beschrieben.

Ein schnelles Laden verkürzt die Lebensdauer

Lithium-Ionen-Akkus unterliegen wie andere Akkutypen auch beim Laden und Entladen einem Abnutzungsprozess, der auf chemische Veränderungen zurückzuführen ist. Beim Lithium-Ionen-Akku besteht die Anode aus einer Kupferfolie, die mit Kohle oder einer Graphitverbindung beschichtet ist.

Die Kathode besteht aus einer Lithiumverbindung. Der zwischen den Elektroden liegende Elektrolyt ist ein gelöstes Lithiumsalz. Je nachdem ob der Elektrolyt flüssig oder fest ist, spricht man von Lithium-Ionen- oder Lithium-Polymer-Akkus. Die unter diesen Sammelbegriff gehandelten Zellen unterscheiden sich hauptsächlich im Kathodenwerkstoff, der aus Kobalt, Mangan, Nickel-Kobalt, Nickel-Kobalt-Mangan (NKM), Eisenphosphat oder Titanat bestehen kann. Die verschiedenen Kathodenwerkstoffe bewirken unterschiedliche Energiedichten, Leistungsdichten, Nennspannungen und mögliche Ladezyklen.

Das sogenannte IU-Ladeverfahren, das bei solchen Zellen angewandt wird, arbeitet mit Konstantstrom und Konstantspannung (Constant Current = CC, Constant Voltage = CV). Ebenso wie die Lebensdauer hängt auch die Ladezeit von unterschiedlichen Faktoren ab; bei höheren Ladeleistungen ist vor allem von die Zellen-Temperatur von Bedeutung. Kurze Ladezeiten bzw. hohe Ladeströme wirken sich belastend auf das Elektrodenmaterial aus, sodass die Lebensdauer und Zyklenzahl verkürzt wird. Schonendes Laden und Entladen erhöht die Lebensdauer gravierend.

Lithium-Plating kann zu einem Zellen-Brand führen

Das Laden und Entladen von Li-Ion-Zellen mit hohen Strömen oder bei tiefen Temperaturen kann zu einem Lithium-Plating führen. Das bedeutet, es setzen sich Lithium-Ionen bevorzugt auf der Anodenoberfläche ab, anstatt sich zwischen die Schichten des Graphits einzulagern. Dieser Effekt führt zu signifikanten Einbußen an Leistung, Lebensdauer und Sicherheit. In extremen Fällen kann dieses Lithium-Plating sogar zu einem Kurzschluss oder gar zu einem Brand führen, weil metallisches Lithium leicht entflammbar ist. Üblich sind je nach Qualität und Aufbau des Akkus 500 bis über 1000 Ladezyklen. Als verbraucht (abgenutzt) gilt ein Akku dann, wenn er weniger als 80% der ursprünglichen Kapazität besitzt.

Unterschiedliche Ladezustände in der Reihenschaltung

Cluster oder Akkupacks bestehen zur Erhöhung der Nennspannung in der Regel aus mehreren in Reihe geschalteten Einzelzellen oder Zellblöcken. Fertigungs- und alterungsbedingt gibt es hierbei Schwankungen in der Kapazität, im Innenwiderstand und weiteren Parametern dieser Zellen. Die schwächste Zelle ist dabei bestimmend, wie viel geladen oder entladen werden darf.

Im praktischen Einsatz von mehrzelligen in Reihe verschalteten Akkus führt dieser Umstand dazu, dass die Zellen in Reihe unterschiedlich geladen und entladen werden. Es kommt dann im Verbund zu kritischer Tiefentladung oder bei der Ladung zu einer Überladung und Überschreitung der Ladeschluss-Spannung einzelner Zellen. Je nach Akkutyp kann es dabei zu einer irreversiblen Schädigung einzelner Zellen kommen. Die Folge: das gesamte Akkupaket verliert an Kapazität.

Bild 2: 
Hoher Entladungsstress führt ebenso 
zu verminderter 
Lebensdauer wie hoher Ladestress.
Bild 2: 
Hoher Entladungsstress führt ebenso 
zu verminderter 
Lebensdauer wie hoher Ladestress.
(Bild: SCHURTER)

Batterie-Management-Systeme sind verantwortlich für die Steuerung und Kontrolle des Lade- und Entladevorgangs von Hochleistungs-Akkupacks in autonomen Leistungselektronik-Anwendungen wie Elektro- und Hybridfahrzeugen, Robotik oder ähnlichem. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass jede einzelne Zelle sowohl beim Laden als auch beim Entladen einen für die Anwendung definierten Grenzwert bezüglich Ladezustand (SoC; State of Charge) weder unter- noch überschreitet. Dieser SoC-Wert bezeichnet die noch verfügbare Kapazität eines Akkus im Verhältnis zum Nominalwert. Der Wert wird in Prozent vom vollgeladenen Zustand angegeben. Beispiel: 30% bedeuten, dass der Akku noch über eine Restladung von 30% bezogen auf die Vollladung verfügt. Je nach Anwendung liegen die oberen und unteren Grenzwerte für den SoC bei 20% bis 100% für maximale Leistung bzw. 30% bis 70% für maximale Lebensdauer.

Batterie-Management-Systeme überwachen Kennwerte wie die Batteriespannung, die Temperatur der Zellen, ihre Kapazität, ihr Ladezustand, die Stromentnahme, die Restbetriebszeit, den Ladezyklus und anderes mehr. Diese Regeleinheiten sind unentbehrlich, da mehrere Batteriezellen zu einem Cluster vereinigt werden müssen, um eine hohe Gesamtbatteriekapazität zu erzielen. Eine wichtige Rolle in solchen Batterie-Management-Systemen spielen die Balancer.

Bild 3: Prinzipschaltung eines aktiven Balancers mit zwei Stufen. In zwei Schaltvorgängen kann Energie aus der Akkuzelle Cell_n über den FET_n in die Spule L_n übertragen werden (Schleife in rot, 1). 
Im zweiten Schaltvorgang (Schleife in blau, 2) wird die Energie in der Spule L_n über Diode D_n-1 in die Cell_n-1 geladen und Cell_n-1 aufgeladen.
Bild 3: Prinzipschaltung eines aktiven Balancers mit zwei Stufen. In zwei Schaltvorgängen kann Energie aus der Akkuzelle Cell_n über den FET_n in die Spule L_n übertragen werden (Schleife in rot, 1). 
Im zweiten Schaltvorgang (Schleife in blau, 2) wird die Energie in der Spule L_n über Diode D_n-1 in die Cell_n-1 geladen und Cell_n-1 aufgeladen.
(Bild: SCHURTER)

Passives Battery Balancing ist zwar einfach, aber nicht ideal

Eine technisch einfache und weit verbreitete Methode ist das passive Balancing, das praktisch nur im Bereich des Ladeschlusses arbeitet, also wenn die Zellen eines Akkupacks fast vollständig geladen sind. Hierbei wird an den Zellen, die bereits die Ladeschluss-Spannung erreicht haben, durch den Balancer ein Widerstand parallel geschaltet und so die Spannung auf die Ladeschluss-Spannung begrenzt. Diese Zelle wird dann nur geringfügig weiter geladen oder sogar etwas entladen, während die Zellen in der Reihenschaltung, die die Ladeschluss-Spannung noch nicht erreicht haben, weiterhin mit dem vollen Ladestrom versorgt werden.

Die Leistung des Parallelwiderstandes muss dazu an den Ladestrom angepasst sein, da die überschüssige Energie in Form von Wärme am Widerstand auftritt. Der Vorteil dieser Methode: sie ist kostengünstig und technisch leicht realisierbar. Nachteilig ist: der Ladevorgang dauert so lange, bis die schwächste Zelle den geforderten SoC-Wert aufweist. Zudem verpufft viel Energie in Form unerwünschter Wärme. Diese Verlustwärme wirkt sich negativ auf die Lebensdauer der Akkuzellen aus und ist eine nicht unerhebliche Brandgefahr.

Aktives Battery Balancing ist effizient, aber auch komplex

Sehr viel komplexer, aber effizienter sind aktive Balancer. Bei ihnen wird ein Ladungstransfer von Zellen untereinander realisiert: Die Energie von Zellen mit höherer Ladung wird auf solche mit niedrigerer Ladung übertragen. Die dazu nötige Laderegelung übernehmen mehrere und speziell auf die Anwendung optimierte Schaltregler, die pro Zelle arbeiten und aktiv Energie übertragen. Dieser Vorgang kann bereits während des Ladeprozesses erfolgen. Üblicherweise setzt er aber wie beim passiven Balancing erst im Bereich des Ladeschlusses ein. Bei bidirektionalen Balancer-Systemen findet dieser Ladungsaustausch sowohl beim Lade- als auch Entladevorgang statt. Bidirektionale Balancer sind dadurch noch effizienter.

Ein großer Vorteil beim aktiven Balancing ist der deutlich höhere Wirkungsgrad, da überschüssige Energie nur zu einem geringen Grad in Wärme umgewandelt wird. Aktives Balancing wird derzeit bei größeren Leistungen (E-Power) angewandt, etwa im Bereich der Elektromobilität (EV=Electric Vehicle, BEV=Battery Electric Vehicle, HEV=Hybrid Electric Vehicle und PHEV=Plug-in Hybrid Electric Vehicle).

Bild 4: IU-Ladeverfahren mit Konstantstrom (CC) und Konstantspannung (CV).
Bild 4: IU-Ladeverfahren mit Konstantstrom (CC) und Konstantspannung (CV).
(Bild: SCHURTER)

Der höhere Schaltungsaufwand für die Regelung bringt natürlich höhere Initialkosten mit sich. Im Gegenzug bietet diese zum Batterie-Management gehörende Regelung aber Vorteile. Mittels einer übergeordneten Laderegelung mit intelligenter und lernfähiger Software kann durch diese Ladungsumverteilung von starken zu schwachen Zellen (auch über unterschiedliche Reihenschaltungen hinweg) die Lebensdauer eines Hochleistungs-Akkupacks deutlich verlängert werden.

Kein Zellen-Balancing ohne Absicherung

In E-Power-Anwendungen wie Elektrofahrzeugen stellen die Akkupacks den zumeist größten Kostenfaktor überhaupt dar. Der Anwender verlangt eine maximale Leistungskapazität, einen schnellstmöglichen Ladevorgang, eine lange Lebensdauer und absolute Zuverlässigkeit. Diese Anforderungen sind nicht einfach zu vereinbaren.

Akkus auf Lithiumbasis weisen eine deutlich höhere Leistungsdichte auf als die robusten Bleiakkus. Sie reagieren jedoch sehr empfindlich auf Über- und Unterspannung. Dies erfordert eine Überwachung und Absicherung, um einen vorzeitigen Ausfall, eine Überhitzung oder gar einen Kurzschluss einzelner Zellen zuverlässig zu verhindern.

Solche Sicherungen müssen über viele Jahre fehlerfrei funktionieren. Sie müssen der winterlichen Kälte und der Sommerhitze widerstehen, Schlägen und Vibrationen standhalten. Sie müssen maximale Lade- und Entladeströme mit minimalen Verlusten passieren lassen. Ein- und Ausschalten, Beschleunigen – auch zyklische Festigkeit ist unverzichtbar.

Anwendungsgerechter Schutz, pulsfest in Chip-Version

Bild 5: Schnittansicht einer Automotive-Chip-Sicherung (USN 1206 von Schurter) zum Schutz vor Überstrom und Übertemperatur gemäß AEC-Q-Standard.
Bild 5: Schnittansicht einer Automotive-Chip-Sicherung (USN 1206 von Schurter) zum Schutz vor Überstrom und Übertemperatur gemäß AEC-Q-Standard.
(Bild: SCHURTER)

Zu den größten Feinden der Akkupacks zählen Übertemperatur, Kurzschlüsse und pulsförmige Überströme. Je nach Konstruktion und Verwendungszweck des Hochleistungs-Akkupacks muss der Fokus mal stärker auf den Schutz vor Überstrom, ein andermal eher auf die Temperatur gelegt werden. Zumeist kommen aber gleich mehrere potenzielle Probleme zusammen. In der Praxis bedeutet dies nichts anderes, als dass maßgeschneiderte Lösungen zur Absicherung notwendig sind. Denkbar und bereits realisiert sind hier etwa pulsfeste Kombi-Sicherungen zum Schutz vor Überstrom und Übertemperatur. Und zwar in Chip-Technologie, um auch die nötige mechanische Widerstandsfähigkeit zu gewährleisten. Maximale Leistungsdichte bei maximaler Sicherheit und Langlebigkeit – dieser Ansatz gilt nicht nur für die einzelnen Zellen, sondern für die gesamte Energieeinheit.

Das optimierte Balancing erhöht auch die Leistung

Natürlich ist es möglich, stets auf die neueste Akkutechnologie zu setzen und immer die größtmögliche Leistungskapazität bereitzustellen. Dies ist aber grundsätzlich mit hohen Kosten verbunden und Langzeiterfahrungen fehlen gänzlich. Aus diesem Grund tendiert die Industrie dazu, auf bewährten Technologien aufzubauen, welche sich in Standardanwendungen (z.B. Notebooks) millionenfach bewährt haben.

In einem nächsten Schritt werden Fertigungsprozesse optimiert, die Grenzen der Zu- und Abführung der Leistung ausgelotet sowie Mechanismen zur möglichst beliebigen Skalierung entwickelt. Dem intelligenten Lade- und Entladevorgang kommt künftig eine enorme Bedeutung zu. Optimiertes Balancing verbindet maximale Leistung mit maximaler Lebenserwartung. Hierzu unerlässlich bleiben Sicherungen, wie in diesem Artikel beschrieben. Deshalb hat SCHURTER eine umfassende Palette an Sicherungen gemäß AEC-Q200 für verschiedene Applikationen wie Batterie-Management, Klimaregelung und motornahe Elektronik.

* Peter Straub ist Head Engineering Circuit Protection bei SCHURTER, Luzern/Schweiz.

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