Grundlagen der Leistungshalbleiter Power Devices zwischen Theorie und elektrischer Realität
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Auf abstrakter Definitionsebene, fern einer realen Applikation, gilt der ideale Zustand. Parasitäre elektrische Eigenschaften werden gerne vernachlässigt. Aber eben auf die kommt es an.

Zur Evaluierung der Wirksamkeit von Steuerverfahren ist es meist hinreichend, den Leistungshalbleiter als idealen Schalter aufzufassen. Bei der Umsetzung der am Rechner gefundenen Lösung in Hardware tauchen dann allerdings oft Probleme auf, die auf die Abweichungen zwischen Simulation und realem Aufbau zurückzuführen sind. Wenige grundlegende Schritte stehen zwischen der idealisierten Ansicht und der physikalischen Wirklichkeit.
In Lehrbüchern und Skripten der Universitäten findet sich meist eine sehr stark abstrahierte Version des Leistungshalbleiters. Die für die Applikation notwendige Kombination aus Schalter, dem IGBT, und Freilaufdiode beschränkt sich auf die rein akademische Darstellung, die in Bild 1 gegeben ist. Alle parasitären Bauelemente, die sich aus der Verwendung metallischer Verbindungen oder der Aufbautechnik ergeben, sind vernachlässigt.
Abstrakt und Ideal des Leistungshalbleiters
Der ideale Schalter führt im ausgeschalteten Zustand keinen Strom, im eingeschalteten Zustand fällt an ihm keine Spannung ab. Für das Einschalten ist eine positive Spannung größer 0 V am Gate hinreichend, bei einer Gate-Emitter-Spannung von 0 V sperrt das Bauelement.
Darüber hinaus weist der Aufbau keine Ein- oder Ausschaltverzögerungen auf und die Dauer eines Ein- oder Ausschaltvorganges ist null. Daraus ergibt sich, dass der ideale Schalter weder Schalt- noch Leitverluste erzeugt, was eine thermische Betrachtung überflüssig macht. Für die Ansteuerung des Bauelementes reicht das Anlegen einer Spannung; die für die Kontrolle notwendige Leistung ist null.
Schritt 1 zur Realität: parasitäre Kondensatoren
Aus dem Aufbau der Halbleiter ergeben sich parallele Flächen auf unterschiedlichen Potenzialen, die von isolierenden Schichten getrennt sind. Hieraus resultieren parasitäre Kapazitäten, die das Schaltverhalten und die elektrischen Eigenschaften des Bauteils verändern. Dies gilt sowohl für den Schalter als auch für die zugehörige Freilaufdiode. In Bild 2 ist der um die parasitären Kapazitäten ergänzte ideale Aufbau dargestellt.
Statisch sind die Kapazitäten von untergeordneter Bedeutung, ihr Einfluss auf das transiente Verhalten des Bauelementes ist aber erheblich. Führt der IGBT den Laststrom, so ist die Kollektor-Emitter-Spannung UCE am Bauelement klein, sie liegt im Bereich von 1,5 bis 2,5 V. Schaltet der Transistor den Laststrom aus, wächst an ihm die Spannung auf ein Niveau einiger hundert Volt. Die Änderungsgeschwindigkeit dUCE/dt der Spannung liegt im Bereich mehrerer kV/µs.
Diese transiente Spannungsänderung liegt an dem kapazitiven Spannungsteiler an, den die parasitären Kondensatoren CCG und CGE bilden. Darin wird ein Strom erzeugt, der in der Lage sein kann, das Gate zu laden. Als Konsequenz schaltet das Bauelement ein, obwohl am Gate von außen eine Spannung von 0 V anliegt. Dieses parasitäre Einschalten tritt besonders bei IGBT für Ströme deutlich über 100 A und in Anordnungen mit parallel geschalteten Halbleitern auf. Es lässt sich verhindern, wenn die für das Ausschalten verwendete Spannung geringfügig kleiner ist als null. Eine Spannung im Bereich von -5 V bis -8 V hat sich für diesen Zweck als geeignet erwiesen.
Beim Einschalten kommutiert der Laststrom von einer Diode auf den IGBT. Der Stromverlauf im IGBT weist aber eine Spitze auf, die weit höher liegen kann als der Laststrom. Diese Spitze ist eine Konsequenz der Speicherladung der Freilaufdioden. Die Diode kann einen Strom erst sperren, wenn ihre Speicherladung Qrr abgeflossen ist. Da dies mit der Geschwindigkeit stattfindet, mit der der IGBT den Strom aufnimmt, dauert der Vorgang nur sehr kurz. Der zusätzlich zum Laststrom IL auf den IGBT kommutierte Strom ∆I ergibt sich aus der in dieser kurzen Zeit bewegten Ladung mit ∆I=dQ/dt. In Bild 3 ist ein Einschaltvorgang dargestellt, in dem die Rückstromspitze gut zu erkennen ist. Die Rückstromspitze trägt zu den Einschaltverlusten des IGBT bei; sie entfällt beim Einsatz von SiC-Schottky-Dioden fast vollständig.
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