Projekt-Organisation Kommunikation auf Augenhöhe für ein optimales Produkt
Anbieter zum Thema
Auf welche Kriterien, insbesondere Soft Skills, sollte man bei der Wahl des Netzteilpartners Wert legen? Natürlich ist das wettbewerbsfähige Angebot eine Voraussetzung. Aber es gibt weitere Gründe.

Anders als beim Kauf eines Standard-Netzteils wird zu Beginn des Entwicklungsprozesses neben dem Vertragswerk nur das Pflichtenheft abgestimmt. Der Kunde hat die Entwicklung beauftragt, wird aber in den ersten Wochen danach nur wenige Informationen und schon gar kein Netzteilmuster erhalten. Erst nach Fertigstellung des Prototyps kann der Netzteilpartner Testmessungen durchführen und dem Kunden die Resultate übermitteln. Im Zuge dessen erhält der Kunde dann das durch die Spezifikation zuvor beschriebene Netzteil als Prototyp und kann damit erste Tests in seiner Applikation durchführen.
Sollte sich dabei herausstellen, dass die Festlegungen im Pflichtenheft lückenhaft waren oder der Lieferant mit seiner Entwicklung Probleme hatte, kann das die gesamte bisherige Entwicklung gefährden. Im Extremfall führt dies zu einem neuen Loop. Oder aber die Entwicklung ist sogar gescheitert und genügt in wesentlichen Punkten nicht den Anforderungen. Dann hieße es für den Kunden: Zurück an den Start, und das mit all den daraus folgenden zeitlichen und finanziellen Konsequenzen.
Grundsätzlich sollte man sich bei der Auswahl des Netzteils vor Augen führen, dass dieses ein sicherheits- und EMV-kritisches und nicht zuletzt auch lebensdauerbestimmendes Bauteil einer Applikation darstellt. In der Regel bedeutet eine kundenspezifische Entwicklung und die Belieferung mit einem individuellen Netzteil dann auch die Entscheidung des Kunden für eine Single-Source. Die Zulassung der Applikation erfolgt oftmals mit nur einem Netzteil. In den seltensten Fällen kann bei technischen oder lieferseitigen Problemen kurzfristig ein Ersatznetzteil gefunden werden. Da mancher Ansprechpartner auf Kundenseite jedoch nur begrenzte Detailkenntnisse über Netzteile besitzt, kann er dementsprechend solche Situationen auch nur grob beurteilen.
Besonders deshalb muss sich der Netzteilpartner der Situation und Verantwortung bewusst sein und dem Kunden im Zuge von Vereinbarungen, vorausschauender Lagerhaltung und kontinuierlicher Betreuung Sicherheiten bieten. Regelmäßige Gespräche mit den Beteiligten beider Seiten sind z.B. eine gute Möglichkeit, alle relevanten Themen anzusprechen und Rückschau und Ausblick zu halten.
Zusätzlich können auf Wunsch des Kunden die technischen Konstruktionsunterlagen an einer neutralen dritten Stelle hinterlegt werden. So besteht die Option, im Ausnahmefall das Netzteil durch einen Dritten fertigen zu lassen.
Dass der ausgewählte Netzteilpartner über die entsprechende Erfahrung für die Umsetzung verfügen sollte, versteht sich eigentlich von selbst. Trotzdem durchläuft jedes durchgeführte OEM-Projekt Situationen, in denen neue Lösungen gefragt sind. Je mehr Projekterfahrung der Netzteilpartner besitzt, desto besser kann er Abläufe und Risiken schon zu Beginn abschätzen und berücksichtigen. Hierbei Flexibilität und Ideen einzubringen, sind wichtige Kompetenzen des Lieferanten. Besonders vorteilhaft sind Projekterfahrungen mit ähnlichen Projekten, Leistungen und Features. Z.B. wird sich ein Hersteller von einem galvanisch nicht isolierten 2-W-DC/DC-Wandler wohl schwertun, ein 500-W-Medizinnetzteil zu konstruieren. Dies gilt umgekehrt natürlich ebenso. Oder würden Sie einen Transporter bei einem Hersteller von Elektrorollern kaufen oder einen Roller bei einem LKW-Hersteller? Darum lassen Sie sich schon in den Vorgesprächen Beispiele von bereits durchgeführten Projekten zeigen und erklären.
Auch wenn man im ersten Augenblick daran weniger denken würde, ist es für einen reibungslosen Ablauf nicht unwichtig, dass die Organisationen und die Produktionskapazitäten zueinander und zum Projektumfang passen. So ist es nicht zielführend, für ein Projekt mit mehreren hunderttausend Stück pro Jahr einen Hersteller zu wählen, welcher typischerweise Projekte mit tausend und maximal zehntausend Stück pro Jahr abwickelt. Im Gegenzug ist es ebenso unglücklich, wenn sich ein Hersteller von Großstückzahlen aufgrund langjähriger Geschäftsbeziehungen (und kundenseitigem Druck) durchringt, ein Projekt in deutlich kleinerem Bereich anzubieten. Die Entwicklungs- und Fertigungsprozesse sollten deshalb möglichst auf die geforderten Stückzahlen ausgerichtet sein.
Doch nicht nur das Know-how des Herstellers ist wichtig, auch der Vertriebskanal, also der vor Ort betreuende Partner (z.B. der Hersteller selbst oder ein Distributor) spielt eine wichtige Rolle. Er sollte neben den technischen Kenntnissen des Netzteils auch entsprechende Messmöglichkeiten besitzen, um ein solches Projekt zu koordinieren und zu überwachen. Denn hier können Ressourcen aufgedeckt werden, die vorab vielleicht noch nicht abzuschätzen waren. Als Beispiel sei die Möglichkeit genannt, die EMV des spezifischen Netzteils an die Applikation anzupassen. Im Ergebnis können dann u.U. Filterstufen im Endgerät entfallen. Dabei ist es wichtig, dass der Netzteil- oder Vertriebspartner solche Chancen zum richtigen Zeitpunkt erkennt und entsprechende Tests schon mit dem Kundengerät unbürokratisch vor Ort durchführt. Muss die Applikation eventuell erst an ein weiter entferntes Werk verschickt werden, entsteht schnell Zeitverzug im Projekt. Oder aber der Kunde entschließt sich am Ende, die Möglichkeiten aus Zeitgründen nicht auszuschöpfen.
Wichtig ist in jedem Fall eine enge Kommunikation zwischen Hersteller und Kunden, weil sich ein OEM-Projekt durch eine höhere Komplexität als ein Standardprojekt auszeichnet und dementsprechend auch mit einem höheren Aufwand betreut werden muss.
Jede Projektphase mit dem Partner erfolgreich sichern
Es kann vorteilhaft sein, den Netzteilpartner bereits früh in die Erstellung des Anforderungsprofils einzubinden. Er weiß durch seine Erfahrung, welche Punkte zwingend genau zu definieren sind. Ebenso kann er Hinweise geben, welche gewünschten Features mit höheren Kosten verbunden sind und welche möglichen Alternativen es dazu gibt. Außerdem kann er bei der Entscheidung über die Art der Zulassungen seine Erfahrungen einbringen und entsprechende Tipps geben. Es ist wie beim Hausbau. Das Wichtigste sind Plan und Fundament. Dabei spielen die technisch fundierte Sachkenntnis und die Erfahrung eine wichtige Rolle. Es macht z.B. einen großen Unterschied, ob ein Katalog-Standard-Netzteil oder ein voll kundenspezifischer medizinischer, 60601 zugelassener AC/DC Dioden-Lasertreiber mit Integration in die Regelschleife des Kundenlasers entwickelt werden soll. Je komplexer ein Projekt, desto kompetenter sollte der Partner auf diesem speziellen Gebiet sein.
Das Thema Netzteil-Zulassungen ist in den vorherigen Abschnitten schon skizziert worden. Die Bandbreite ist hierbei sehr groß. Neben regulatorischen technischen Unterschieden, wie z.B. 62368 (IT), 60601 (Medizin) oder Hausgeräte (60335) müssen länderspezifische Prüforganisationen (z.B. UL, IEC etc), aber auch länderspezifische technische Abweichungen berücksichtigt werden. Bei optimaler Auslegung können hier die Einmalkosten reduziert werden, ohne ein Risiko in Sachen Haftung einzugehen. So kann es je nach Applikation und Zielmarkt (z.B. ausschließlich EU) vollkommen ausreichend sein, ein qualifiziertes CE-Zeichen (LVD-Report + EMV-Prüfbericht + RoHS) zu vergeben. Ebenso groß wie die Bandbreite ist die Spanne der Kosten. Ein verantwortungsvoller Netzteilpartner wird Ihnen auch hier die Alternativen begründen und ggf. auf Wunsch mit Ihrem zulassenden Prüfhaus sprechen.
Nach einvernehmlicher Abstimmung des Pflichtenheftes (ab diesem Zeitpunkt auch Spezifikation genannt) erfolgt die Entwicklung des/der Prototypen durch die R&D des Netzteilpartners. Mit der Auslieferung des Prototyps sollte der Kunde einen EMPB (Erstmuster-Prüfberichtes) erhalten. Darin prüft der Hersteller die Stromversorgung im Vergleich zur Spezifikation für alle elektrischen Werte, EMV, Temperatur, MTBF und Sicherheitsanforderungen. Erfolgt der Vertrieb über einen Distributor bzw. eine Niederlassung, sollte auch diese einen EMPB erstellen und die Ergebnisse damit verifizieren.
Nach Einbau in die Kundenapplikation und Tests bespricht der Netzteilpartner die Ergebnisse und die ggfs. aufgetretenen Änderungswünsche mit dem Kunden. Erstmals im Projektverlauf kann nun auch das Thema EMV konkret bewertet werden. Hier ist die Kompetenz des Netzteilherstellers von großer Bedeutung. Warum?
Es macht einen Unterschied, ob das Netzteil an einem Widerstand vermessen wird (wie im Entwicklungslabor) oder in der Kundenapplikation. Hier gibt es Wechselwirkungen zwischen Netzteil und Störquellen, Kabellängen, Gehäuse und anderen Umgebungsbedingungen. Idealerweise bietet der Netzteilpartner entsprechende Messmöglichkeiten inhouse an. So kann die Applikation mit dem Netzteil gemeinsam bereits vor einer Messung bei einer benannten Stelle (externes EMV-Labor) bewertet werden. Sollten sich aus dem Zusammenspiel Probleme andeuten, können diese schon verifiziert und im Nachgang behoben werden. Oftmals sind es nur Kleinigkeiten wie Kabelführung, Platzierung des Netzteils, Schirmung, Gehäuseschlitze etc. Es ist für den Kunden wenig hilfreich, wenn der Lieferant sich dann einfach auf seinen (bestandenen) Netzteil-EMV-Bericht fokussiert und dem Kunden keine konkrete Hilfestellung bietet.
Natürlich wird der Kunde erst während des Projekts feststellen, ob der Netzteilpartner seinen Zeitplan in Sachen Entwicklung und Serienlieferung einhält. Idealerweise sollte der Netzteillieferant dem Kunden vor und mit seinem Angebot einen Projektplan vorlegen. Dazu zählt auch das Rückgrat zu sagen, wenn man bereits in der Angebotsphase feststellt, dass der gewünschte Sollzeitplan nicht einzuhalten ist. Ein Bestätigen eines nicht einzuhaltenden Zeitplans, nur um des Auftrags willen, bringt am Ende Verdruss und Vertrauensverlust.
Aber auch bei einem gut geplanten Projekt kann es zu Änderungen der Kundenanforderungen kommen. Hier sollte bereits in der Anfangsphase abgeklärt werden, inwieweit der Netzteilhersteller flexibel und willens ist, eventuelle nachträgliche Änderungen umzusetzen.
Im Vorfeld zur Beauftragung ist der Abschluss einer entsprechenden Qualitätsmanagementvereinbarung (QMV) und einer Geheimhaltungsvereinbarung (NDA) zu empfehlen. Auf Basis der QMV werden dann parallel zur Entwicklung bereits erste Qualitätsunterlagen ausgetauscht. Idealerweise betreibt der Netzteilhersteller ein identisches Qualitätsmanagementsystem wie der Kunde (z.B. ISO9001), so dass grundlegende Abgleiche unter Bezug darauf entfallen können.
Ebenso empfiehlt es sich, bereits zu Beginn mit der Einkaufsabteilung des Kunden die Anforderungen bezüglich Logistik und Abwicklung abzugleichen wie z.B. Konsignationslager, Rahmen- oder Einzellieferungen, Laufzeit, Sicherheitslager usw.
Nichts ist so beständig wie der Wandel, denn oftmals laufen OEM-Projekte über viele Jahre. Und folgerichtig ändern sich während dieser Zeit Rahmenbedingungen. Neben Abkündigungen (oder aktuell auch Lieferproblemen) von (sicherheitskritischen) Bauteilen wie z.B. Y-Kondensatoren, Sicherungen etc., können auch Änderungen in der Zulassung (wie z.B. neue Amendments) entstehen. Dann muss der Netzteilpartner gemeinsam mit dem Kunden Lösungen hierfür finden. Üblich sind Änderungsanträge zu alternativen Komponenten bzw. ein Update der Zulassungen. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass für das Ende des Produktlebenszyklus des Netzteils mit sinkenden Stückzahlen sowie für nachgelagerte Ersatzteilbedarfe entsprechende Regelungen getroffen werden.
* * Dipl.-Ing. Heidrun Seelen ... ist Vertriebsleiterin bei Magic Power, Dahn.
Artikelfiles und Artikellinks
(ID:48201151)