Kabelloses Laden im Industriellen Internet der Dinge
Wie kommt der Strom zum IIoT-Gerät? Und auch dann, wenn es sich bewegt oder in sich in einem Umfeld befindet, das keine Verkabelung zulässt? Für die Datenübertragung heißt das Schlüsselwort „drahtlos“. Aber funktioniert das genauso bei der Leistungsübertragung?
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Industrie 4.0, Smart Home, Smart Building. Drei Technologietrends, die eines gemeinsam haben: Sie kommen nicht wirklich in Schwung. Einer von mehreren Gründen dafür ist, dass eine erfolgreiche Umsetzung zahllose unterschiedliche Sensoren und vernetzte Geräte benötigt, die alle mit Energie versorgt werden müssen. Eine Stromversorgung über Kabel ist gerade im Industriellen Internet der Dinge (IIoT) sehr kostspielig. So schätzt Advantech, dass bei einem aus einer Zentraleinheit und 20, durchschnittlich 45 m voneinander entfernten Sensoren bestehenden verdrahteten Sensornetzwerk die Installation und Verdrahtung circa 60% der Inbetriebnahmekosten ausmachen . Dabei ist die Tendenz aufgrund der Lohnkosten steigend.
Die drahtlose Kommunikation, beispielsweise über WiFi, 5G, ZigBee oder Bluetooth Low Energy, eliminiert bereits denjenigen Teil der Verkabelung, der zum Datenaustausch notwendig ist. Trotzdem müssen für die Energieversorgung weiterhin Kabel verlegt werden. Und bei der Menge der etwa für die Industrie 4.0 zu installierenden Sensoren und Geräten ist dieser Aufwand prohibitiv. Damit wird nicht nur die Verbreitung des Industriellen Internets der Dinge, sondern auch das Wachstum von Anwendungen für smarte Gebäude, dem Smart Home oder dem Smart Grid behindert. Zudem müssen mobile Applikationen wie autonome Roboter oder Material-Tracker kabelunabhängig arbeiten können.
Der Energieversorgung ohne Kabel gehört die Zukunft
Bei der kabellosen Stromversorgung kommen vor allem drei Technologien zum Einsatz: die klassische Batterie, die Energiegewinnung aus der Umwelt (Energy Harvesting) sowie die drahtlose Energieübertragung. Batterien besitzen den großen Nachteil, dass sie regelmäßig ausgetauscht werden müssen, wobei das Intervall größtenteils von der Leistungsaufnahme des Gerätes abhängt. In dieser Zeit – oder wenn die Batterie vorzeitig ausfällt – ist das IIoT-Gerät, und eventuell auch die damit verknüpfte Maschine, nicht einsatzbereit.
Durch diese Stillstandszeit ist diese Methode der Energieversorgung mit relativ hohen laufenden Kosten behaftet. Dazu kommt noch der Aufwand für die Beseitigung der Batterien: So müssen allein in Amerika jedes Jahr Batterien mit einem Gesamtgewicht von rund 180.000 t dem Recycling oder der Entsorgung zugeführt werden.
Eine weitere Methode zur Stromversorgung von IIoT-Geräten ist die Energiegewinnung aus der Umwelt. So gibt es betriebserprobte Anwendungen, die ihren Strombedarf aus der Umgebungswärme, Licht, Maschinenvibration, Bewegung oder auch der elektromagnetischen Strahlung der Umgebung decken. Nachteilig ist hier die teilweise geringe verfügbare Energiemenge und der bei der Realisierung erhöhte Entwicklungsaufwand, sowohl was die Entwicklung einer extrem stromsparenden Embedded-Hardware samt zugehöriger Firmware betrifft, als auch der Entwicklung der eigentlichen Stromversorgung.
Als dritte Methode bietet sich der kabellose Energietransfer (Wireless Power Transfer / WPT) an. Dieses Konzept ist nicht neu: Bereits 1893 demonstrierte Nikola Tesla anhand einer Glühbirne diese Technik auf der Weltausstellung in Chicago und reichte am 2. September 1897 beim US-Patentamt ein Patent über die drahtlose Übertragung elektrischer Energie ein. 1987 startete das Communications Research Centre Canada mit SHARP (Stationary High Altitude Relay Platform) ein Flugzeug mit Elektroantrieb mit einer Spannweite von 4,5 m. Es konnte über eine 1-kW-Energieversorgung mittels Mikrowellen mit 2,45 GHz mehrere Stunden lang in einer Höhe von 21 km in der Luft gehalten werden. Dabei flog es fortwährend einen Kreis mit einem Durchmesser von 2 km.
Verschiedene Technologien für unterschiedliche Anwendungsfälle
Technisch gesehen lässt sich die drahtlose Energieübertragung grob in zwei Kategorien einteilen: Nahfeld und Fernfeld. Beide besitzen ihre eigenen Problemstellungen und Lösungen.
Für den Nahbereich, also die Überbrückung von Abständen im Bereich von Zentimetern bis wenige Meter, gibt es bereits zahlreiche erprobte Anwendungen. Diese basieren entweder auf der Magnetfeldkopplung oder der kapazitiven Leistungsübertragung (Capacitive Power Transfer / CPT).
Die Magnetfeldkopplung gibt es wiederum in zwei verschiedenen Varianten: Als elektromagnetische Induktionsmethode (Electromagnetic Induction Power Transfer / IPT), wie sie beispielsweise zum Laden von elektrischen Zahnbürsten, Smartphones oder Elektrobussen verwendet wird, oder als Magnetresonanzmethode (Magnetic Resonanz Power Transfer / MRPT).
Letztere erlebte ihren Aufschwung erst durch die Forschungen am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den Jahren 2006 und 2007. Beiden Techniken ist gemeinsam, dass die Spulen des Senders und des Empfängers für eine gute Übertragung genau ausgerichtet werden müssen. Diese sichere Methode weist eine sehr hohe Effizienz auf, die meist über 80% liegt, und erlaubt einen maximalen Abstand von wenigen Metern.
Eine weitere im Nahfeld angewandte Technik ist die kapazitive Leistungsübertragung (Capacitive Power Transfer / CPT), die eine elektrische Feldkopplung statt magnetischer Felder benutzt. Diese Technologie wird hauptsächlich für das Laden von mobilen Robotern und zum Laden von Elektrofahrzeugen verwendet. Der maximale Abstand zwischen den beiden Platten des Kondensators beträgt einige zehn Zentimeter, die Effizienz liegt bei 90% und darüber.
Als Sonderfall kommt noch die akustische Übertragung (Acoustic Power Transfer / APT) zum Einsatz. Diese Methode benutzt Schall – üblicherweise im Bereich von 0,5 MHz bis 2,25 MHz – zur Leistungsübertragung. Die elektrische Energie wird dabei im Sender mittels eines Umformers in Schall umgewandelt und beim Empfänger wieder zurück gewandelt. Diese Technik kommt bevorzugt in medizinischen Implantaten zum Einsatz, wo es um Leistungen im Milliwatt-Bereich geht. Die Effizienz liegt hierbei im einstelligen Prozentbereich.
Das Fernfeld stellt besondere Anforderungen
Für die Leistungsübertragung im Fernfeld, wie sie für das IIoT benötigt wird, sind ebenfalls mehrere Technologien gebräuchlich. Gemeinsam ist ihnen, dass sie auf Radio- oder Lichtwellen anstatt auf magnetische oder elektrische Felder setzen.
Eine Methode ist die Übertragung mittels eines Lasers (Laser Power Transfer / LPT), dessen Wellenlänge in der Nähe des sichtbaren oder des infraroten Spektrums liegt. Der ausgesandte Laserstrahl wird im Empfänger dann über einen Laser Power Converter zurück in elektrische Energie gewandelt. Damit ist die Überbrückung langer Strecken bei sehr großen Leistungen möglich und diese Technik ist für die Stromversorgung von Satelliten in Evaluierung.
Nachteilig wirkt sich aus, dass eine direkte Sichtlinie (Line of Sight / LOS) zwischen Sender und Empfänger ebenso benötigt wird, wie eine genaue Fokussierung des Laserstrahls. Außerdem ist diese Technologie empfindlich gegenüber Wolken, Nebel, Regen oder Staub. Zudem darf sich aus Sicherheitsgründen kein Mensch im Bereich des Laserstrahls befinden.
Eine weitere Übertragungsmethode ist die Übertragung mittels Infrarot, wie sie beispielsweise Wi-Charge anbietet . Diese Methode bietet eine Effizienz nahe 100%, benötigt aber wie der LPT eine direkte Sichtlinie. Dafür nimmt die Leistung mit der Entfernung nur wenig ab und erlaubt den Transfer von mehreren Watt. Da natürliches Licht verwendet wird, gilt die Infrarot-Übertragung als sehr sicher.
Mikrowellen sind derzeit erste Wahl
Im Fernfeldbereich ist der Leistungstransfer mittels Mikrowellen (Microwave Power Transfer / MWPT) zur Zeit am verbreitetsten und wird von unterschiedlichen Herstellern angeboten. Diese Technik ähnelt im Grundsatz derjenigen, die für die Übertragung von Daten im Rahmen der drahtlosen Kommunikation mittels Hochfrequenz verwendet wird und erlaubt die Integration von Datentransfers in die Leistungsübertragung. Sie ist für vergleichsweise große Entfernungen bis 50 m geeignet und benötigt keinen direkten Sichtkontakt zwischen Sender und Empfänger.
Um möglichst viel Energie zum Empfänger zu transportieren, wird meist ein Beamforming angewandt, um zielgerichtet arbeiten zu können und die Diffraktion zu minimieren. Aufgrund von Sicherheitsvorschriften zur Minimierung der menschlichen Strahlungsbelastung ist in zahlreichen Ländern ein Maximum der Sendeleistung vorgeschrieben. Eingesetzt wird der MWPT für das Laden von Elektrofahrzeugen, von mobilen Robotern oder für Applikationen wie Überwachung, Gebäudemanagement und die vorausschauende Wartung von Fertigungsmaschinen im IIoT. Zumeist wird dabei der Frequenzbereich von 869 MHz bis 940 MHz (beispielsweise bei den Anwendungen von TransferFi , Energous , Reach Labs oder Powercast ) und die 2,4-GHz- (Ossia ) und 5,8-GHz-Bänder benutzt.
Ein System für bis zu 32 IIoT-Geräten
Eine WPT-Anwendung, welche die Leistungsübertragung mittels Mikrowellen mit einer Datenübertragung kombiniert, ist das jüngst vorgestellte Turin-1-System der in Singapur ansässigen Firma TransferFi. Diese Plattform besteht aus dem TFi-Gateway und dem TFi-Sense Sensorknoten. Das Gateway verfügt über ein 2-D-Antennenarray mit integrierter Phasen- und Leistungskontrolle für ein effektives Beamforming. Zusätzlich wurde ein Autokalibrationssystem implementiert, das die Ausrichtung der Antennen und das Signal entsprechend der Position des IIoT-Geräts optimiert. Damit kann eine – für Fabrikhallen ausreichende – Entfernung von 50 m überbrückt werden. Dabei kann sich das Zielgerät auch in Bewegung befinden. Ein TFi-Gateway unterstützt bis zu 32 TFi-Sense-Module.
Der TFi-Sense verfügt über Sensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit und -druck, Schall, flüchtige Verbindungen (Total Volatile Organic Compounds / TVOC) und einen 3-Achsen-Beschleunigungsmesser. Zudem ist genug Rechenleistung für Edge-Computing verfügbar. Die Empfangshardware wurde dabei speziell auf eine hohe Effizienz optimiert.
Das System ist skalierbar und offen gestaltet, ist also hardware- und anwendungsagnostisch. Ziel der Entwicklung war es, eine nicht-invasive drahtlose Leistungsübertragung für Applikationen in der Industrie 4.0, im Smart Building und im Smart Home zu ermöglichen, um die damit gerade in diesen Anwendungen aufwändige Verdrahtung zu vermeiden. Derzeit wird die CE- und FCC-Zertifizierung angestrebt. Ein Developer-Kit steht in Kürze zur Verfügung.
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