IGBT: Wie funktioniert ein Insulated Gate Bipolar Transistor?
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IGBTs sind heute nahe an dem, was als idealer Schalter angesehen wird. Worin unterscheidet sich der IGBT vom MOSFET? Welche Vorzüge hat der IGBT und wie funktioniert er?

In Technikforen zum Thema Leistungselektronik kommen regelmäßig Fragen wie diese auf: „Ich bin dabei eine H-Brücke zu bauen. Ich soll einen Motor steuern. Spannung = 320 V, Strom = 2 A. Schaltfrequenz = 30 kHz. Um auf eine Nummer sicher zu gehen suche ich ein Bauteil mit 600 V Spannungsfestigkeit und 20 A. Ich habe keine Ahnung was ich nehmen soll, MOSFET oder IGBT. Nach welchen Kriterien soll ich mich in diesem Fall entscheiden?“
Im diesem Falle keine einfache Entscheidung, da einige wichtige Angaben fehlen, denn es ergeben sich je nach Zielsetzung sowohl Lösungen mit einem 600-V-MOSFET als auch mit einem 600-V-IGBT. Wichtige Kriterien, die der Fragesteller auslässt, beziehen sich beispielsweise auf Bauraum, Wirkungsgrad und Kostenziele.
Das breite Angebot an IGBT-Bauelementen
Der IGBT, ausgeschrieben der Insulated Gate Bipolar Transistor, hat sich zu dem am häufigsten verwendeten Leistungshalbleiter in industriellen Applikationen entwickelt. Er ist inzwischen zentraler Baustein in Umrichtern für elektrische Antriebe aller Art, Batterieladesystemen, Solar- und Windkraftanlagen. Aber warum? Was macht das Bauelement so besonders? Was sind die großen Stärken und wo liegen die Herausforderungen, wenn diese Technologie zum Einsatz kommen soll? Die Antwort auf diese Fragen liegt in der Technologie selbst.
Vom geregelten Kleinantrieb des Kompressors im Kühlschrank bis hin zu Traktionsantrieben im Bahnbereich hat der IGBT inzwischen eine dominante Stellung eingenommen (beachten Sie dazu den Artikel „Vom Selen zum Siliziumkarbid“).
In verschiedenen Bauformen findet der Anwender Bauelemente mit Sperrspannungen von 300 V in diskreten Gehäusen bis hin zu Hochleistungsbauteilen in Modulbauform mit bis zu 6500 V. Die Stromtragfähigkeit eines einzelnen Transistors reicht dabei von wenigen Ampere bis in den Bereich mehrerer tausend Ampere.
Neben den weit verbreiteten Gehäusebauformen der TO-Serien finden sich Bauelemente in SMD-Gehäusen sowie Module für den höheren und höchsten Leistungsbereich. Je nach Leistungsklasse bieten sich für die Kontaktierung das Löten oder Einpressen an, für Ströme über 200 A stehen auch Module mit Schraubanschlüssen zur Verfügung. Bild 1 zeigt einen winzigen Ausschnitt aus den am Markt verfügbaren Produktformen.
Der IGBT, ein unkomplizierter Leistungsschalter
Die grundlegende Funktion des IGBT ist das möglichst schnelle und somit verlustarme Schalten elektrischer Ströme. Er ist, wie die Bezeichnung „Insulated Gate Bipolar Transistor“ besagt, ein Bipolartransistor mit isoliertem Gate; das Gate ist in seiner Struktur ein MOSFET. Der IGBT vereint daher die Vorteile der hohen Stromtragfähigkeit und hohen Sperrspannung von Bipolartransistoren mit der kapazitiven, nahezu leistungslosen Ansteuerbarkeit des MOSFETs. Bild 2 zeigt, wie ein MOSFET und ein Bipolartransistor in Kombination den IGBT ergeben.
Das Schaltbild verdeutlicht dabei nur die Wirkungsweise. Die technische Ausführung besteht nicht tatsächlich aus der Schaltung zweier getrennter Bauteile, die gesamte Funktion ergibt sich aus der Integration auf Chip-Ebene. Mit dem MOSFET als Gate-Struktur ist für den Anwender die Basis des Bipolartransistors elektrisch nicht mehr erreichbar, die Kontakte zum Bauelement sind somit der Kollektor (C), das Gate (G) und der Emitter (E).
Die grundlegende Funktionsweise des Bauelementes ist denkbar einfach: Eine positive Gate-Emitter-Spannung UGE steuert den MOSFET auf, die anliegende Spannung am Kollektor treibt den Basisstrom durch den Bipolartransistor und den MOSFET, der Bipolartransistor schaltet ein und der Laststrom beginnt zu fließen. Umgekehrt schnürt eine Spannung UGE≤0 V den MOSFET ab, der Basisstrom kommt zum Erliegen und der Bipolartransistor schaltet aus.
Wegen des kapazitiven Verhaltens des MOSFETs fließt in das Gate lediglich der Strom zum Laden der Gate-Kapazität. Der Mittelwert dieses Stromes ist dabei so gering, dass häufig die Aussage fällt, die Steuerleistung sei null.
Diese Vereinfachung ist oft die Ursache für spätere Schwierigkeiten beim Design von Applikationen. Eine Ansteuerschaltung für einen IGBT – einen Gate-Treiber – zu entwerfen, ist eine Aufgabe, die je nach Funktionalität durchaus ganze Entwicklungsabteilungen beschäftigt.
So viel Aufwand ist häufig nicht nötig, denn viele Halbleiter-Hersteller bieten passende Hardware in verschiedensten funktionalen Umfängen als integrierte Lösungen an. Einen gut funktionierenden Gate-Treiber zu entwerfen gelingt, wenn dedizierte Treiber-Bausteine zum Einsatz kommen und die Hinweise aus den zugehörigen Datenblättern und Application-Notes Beachtung finden (lesen Sie dazu den Artikel „Fünf Eigenschaften, die ein Gate-Treiber nicht haben sollte“)..
Als Bauelement ist der IGBT für das schnelle Schalten optimiert. Der Linearbetrieb, der mit MOSFETs früher zum Beispiel in Audio-Endstufen Verwendung fand, ist kein gewünschter Modus, da hierbei eine erhebliche Menge an Verlustleistung entsteht.
Mit der Ausgangscharakteristik des Bipolartransistors gehen weitere charakteristische Eigenschaften des Bauteils einher. Der IGBT kann Strom nur in einer Richtung führen und weist bei Stromfluss immer eine Vorwärtsspannung auf, die der eines PN-Überganges entspricht. IGBTs eignen sich für den Schaltbetrieb mit Schaltfrequenzen bis hin zu 30 kHz. Kommen spezielle Topologien zum Einsatz, sogenannte resonante Schaltungen, lassen sich die Schaltverluste des Bauelementes reduzieren und höhere Schaltfrequenzen erreichen.
Im Gegensatz zum MOSFET lassen sich IGBTs mit sehr hohen Sperrspannungen herstellen, womit sich die Einsatzbereiche der beiden Technologien insbesondere im Spannungsbereich 300 V bis 900 V überlappen.
Anders als beim MOSFET entsteht bei der Herstellung von IGBTs keine Freilaufdiode, auch Body-Diode genannt. Diese ist aber in fast allen Applikationen notwendig, um den Schalter vor Strom in Rückwärtsrichtung zu schützen und den Freilaufpfad herzustellen. Bei der Auswahl des Bauelementes ist darauf zu achten, entweder eine in der Schaltgeschwindigkeit passende Diode hinzuzufügen oder ein bereits integriertes Bauelement zu verwenden. Die Schaltzeichen der Bauteile in Bild 3 geben Auskunft darüber, ob es sich um einen reinen IGBT-Baustein oder ein so genanntes Co-Pack aus IGBT und Diode handelt.
Zur Verbesserung des Schaltverhaltens erhält der IGBT häufig einen Hilfsanschluss am Emitter, der die im Gate-Kreis enthaltene Streuinduktivität reduziert. Was bei Halbleitermodulen nahezu flächendeckend integriert ist, hat jetzt auch in den diskreten Bauelementen Einzug gehalten und zur Verbreitung des TO247-4 geführt. Bild 4 zeigt schematisch, wie sich die beiden Gehäuseformen unterscheiden.
Der Hilfs-Emitter E‘ trägt keinen Laststrom. Dies reduziert eine in den Gate-Kreis eingebrachte Störung durch induktive Kopplung, da die Stromänderung di/dt im Ansteuerkreis entfällt. Daraus resultiert für den Anwender ein sauberer Schaltvorgang, der zur Erreichung der EMV-Vorgaben hilfreich ist.
IGBT und mehr im Modul geschickt kombiniert
Meist braucht der Schaltungsentwickler zur Erreichung seiner Ziele nicht einen einzelnen Leistungsschalter. Zum Aufbau von Umrichtern sind im Allgemeinen zwei Einheiten notwendig. Zunächst ist die versorgende Spannung aus dem Netz gleichzurichten und gegebenenfalls in der Höhe der entstehenden DC-Spannung anzupassen. Danach wird mittels eines Wechselrichters aus der erzeugten Gleichspannung das in Frequenz, Amplitude und sogar Anzahl der Phasen variable, gewünschte Ausgangssystem erzeugt.
Ist die Applikation nicht darauf ausgelegt, Energie ins Netz zurück zu speisen, kommt ein einfacher Diodengleichrichter zum Einsatz. Von der Applikation kommende Energie erhöht die Spannung im Zwischenkreis; hier sorgt ein Brems-Chopper dafür, dass im Überschussfall Energie kontrolliert abfließen kann – sie wird im Bremswiderstand in Wärme umgewandelt.
Um den Aufbau solcher standardisierter Schaltungen zu erleichtern und unerwünschte Einflüsse zu minimieren, kombinieren Halbleiterhersteller leistungselektronische Bauelemente in Modulen. Bild 5 zeigt den aus Gleichrichter, Brems-Chopper und Wechselrichter bestehenden Aufbau. Farblich unterlegt sind Gruppen, die als kombiniertes Bauelement zur Verfügung stehen; sie sind in Tabelle 1 benannt.
Etwa 90% der industriellen Anwendungen sind Pumpen, Lüfter und andere nicht rückspeisefähige Antriebe. Die Lösung mit Diodengleichrichter und dreiphasigem Ausgangssystem stellt daher die Mehrheit aller Applikationen dar. Neben diesen am meisten verwendeten Kombinationen sind weitere Module zum Aufbau spezieller Topologien im Einsatz. Hierzu gehören z.B. Multilevel-Umrichter, Vienna Rectifier oder Matrix-Convertern.
Beherrschbare thermische Eigenschaften des IGBT
IGBTs sind heute bereits nahe an dem, was man als idealen Schalter ansieht. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass im ausgeschalteten Zustand kein Strom fließt und im eingeschalteten Zustand keine Spannung am Bauteil abfällt. Die Konsequenz daraus ist, dass der ideale Schalter keine Verlustleistung erzeugt und sich daher auch nicht erwärmt. Moderne IGBTs als einzelnes Bauteil erreichen zwar Wirkungsgrade nahe oder sogar über 99%, dennoch ist die Kühlung der Bauelemente ein nicht zu vernachlässigendes Thema.
Im Bereich der Leistungen, in denen diskrete Gehäuseformen hinreichend sind, verläuft die Montage der Leistungshalbleiter nach bekannten Vorgaben. Wie an beispielsweise TO-Baureihen üblich, erhält das Bauelement einen Kühlkörper, der durch Lötung oder mittels Schrauben an der Trägerplatine befestigt wird. Dabei ist zu beachten, dass die meisten diskreten Gehäuse eine elektrisch aktive Rückseite aufweisen, die den Kollektor des Schalters darstellt.
Auf einem gemeinsamen Kühlkörper dürfen sich also nur Bauelemente wiederfinden, die das gleiche Kollektorpotenzial aufweisen. Andernfalls muss, um Kurzschlüsse zu vermeiden, eine Isolation zwischen Kühler und Bauelement zum Einsatz kommen. Diese verringert allerdings den thermischen Transfer, was die Ausnutzbarkeit der Halbleiter reduziert.
Für größere Leistungen kommen in Modulen gruppierte IGBTs zum Einsatz. Die thermisch aktive Rückseite solcher Module ist elektrisch vom IGBT isoliert und gestattet es so, alle in der Schaltung eingebrachten Halbleiter auf einem einzigen Kühlkörper zu montieren. Für die Verbesserung der thermischen Anbindung ist ein Wärmeleitmaterial unumgänglich. Bei diesem ist erheblicher Wert darauf zu legen, dass es sowohl den thermischen Anforderungen als auch der Lebensdauer der späteren Applikation genügt.
Trotz der bereits erreichten Wirkungsgrade kann die Verlustleistung beträchtlich groß ausfallen. In einer Windkraftanlage mit 5 MW Durchsatzleistung fallen an der Leistungselektronik – stark vereinfacht – bei 98% Wirkungsgrad immerhin 100 kW Wärme an, die es abzuführen gilt (lesen Sie dazu den Artikel „Herausforderung thermisches Management“).
Wenngleich solche voluminösen Module als massive Bauelemente erscheinen, ist beim mechanischen Umgang dennoch Vorsicht geboten. Trotz der soliden Konstruktion sind es häufig mechanische Ursachen, die in der späteren Applikation oder bereits in der Montage zu Fehlern führen.
Auch hierfür weisen die Hersteller in ihren Application-Notes bewährte Vorgehensweisen aus. Finden die hier gemachten Grenzwerte und Prozeduren Anwendung, steht einem erfolgreichen Design und dessen dauerhaftem Einsatz nichts im Wege
(Lesen Sie bitte dazu auch den Artikel „Fünf Tipps für ein robustes mechanisches Design in der Leistungselektronik“).
MOSFET oder IGBT? Die Antwort auf die Frage aus dem Forum
Zurück zur Frage aus dem Forum, welches Bauteil denn geeignet ist – MOSFET oder IGBT? Aus den wenigen genannten Informationen kann eine erste Abschätzung erfolgen.
Die genannte Spannung von 320 V ergibt sich aus der Gleichrichtung einer einphasigen Versorgung von 240 V. Sie berücksichtigen aber nicht, dass Schwankungen im Netz auch die Gleichspannung erhöhen. Mit einer Zugabe von 10% kann im Maximalfall die DC-Spannung im System auch bei 350 V liegen. Das schließt die Verwendung von 400-V-Bauteilen aus. Grund dafür ist das Auftreten von Überspannungen während des Schaltvorganges. Als Daumenregel gilt, dass man ein Bauelement auswählt, dessen Spannungsfestigkeit – auch Durchbruchspannung – nur zu zwei Dritteln ausgenutzt wird. Das verbleibende Drittel ist die Reserve für die Überspannung. Um den Motorstrom von 2 A zu führen, reicht ein Bauteil mit einem Nennwert von 2 A ebenfalls nicht aus. Hintergrund ist das thermische Budget des Schalters. Dieses wird bestimmt durch die Vorwärtsverluste, die Schaltverluste und die thermischen Widerstände des Bauelementes. Zudem ist eine Überdimensionierung um einen Faktor 10 sicher zu konservativ.
Da beim MOSFET die Schaltverluste kleiner ausfallen als bei einem vergleichbaren IGBT, ist der MOSFET bei hohen Schaltfrequenzen im Vorteil. Gleichzeitig steigen die statischen Verluste oder Vorwärtsverluste am MOSFET mit dem Quadrat des Stromes. Da sie an einem Kanalwiderstand RDS entstehen, gilt hier PVMOS,Stat=I2•RDS. Am IGBT steigen die Verluste wegen des bipolaren Charakters aber nur linear mit dem Strom, es gilt PVIGBT,Stat=I•UCE. Bei kleinen Strömen ist daher der MOSFET oft im Vorteil. Kennt man aus dem Datenblatt einige grundlegende Werte, lassen sich mit wenig Aufwand die thermischen Verhältnisse abschätzen und eine Aussage treffen, ob das gewählte Bauelement für die Anwendung in Frage kommt.
Wichtig für diese erste Schätzung ist ein Bezugspunkt für die thermische Rechnung, bestehend aus Temperatur und thermischer Anbindung. Hierzu eignet sich die Kette an thermischen Widerständen RthJH vom Chip bis zum Kühlkörper und eine maximal zulässige Kühlkörpertemperatur THS. Wahlweise kann auf die Umgebungstemperatur Tamb referenziert sein, wenn die Kette der Widerstände RthJA vom Chip bis zur Umgebgung bekannt ist; hierin ist der thermische Widerstand RthHA vom Kühlkörper bereits berücksichtigt.
Liegt nach der Abschätzung die Chip-Temperatur sicher innerhalb der erlaubten Maxima, dann kommt das Bauteil generell in Frage. Ob es dann der geplanten Lebensdauer genügt, bedarf weiterer Betrachtungen unter Berücksichtigung eines Lastprofils. Eine Laboranwendung, ein Experiment oder ein selten genutzter Aufbau haben hier völlig andere Anforderungen als ein Antrieb im industriellen Dauereinsatz. Die Frage „Wie lange hält mein Bauelement in der Applikation?“ stellt sich allerdings eher dem beruflichen Experten, als demjenigen, der in Foren nach Hilfe sucht.
* Dr. Martin Schulz ist Principal Application Engineer bei Infineon, Warstein.
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