Stromversorgungen EMVG – Schnittstelle zwischen EMV und Recht

Von Frank Cubasch*

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Das EMVG (Elektromagnetische-Verträglichkeit-Gesetz) hat die undankbare Aufgabe, zwei komplett unterschiedliche Aufgabengebiete mit Technik und Jurisprudenz auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Ob das gelingt, zeigt dieser Artikel mit dem Blick auf das EMVG von der juristischen Seite.

Bild 1: Betriebsmittel müssen nach dem Stand der Technik so entworfen und hergestellt sein, dass die von ihnen verursachten elektromagnetischen Störungen keinen Pegel erreichen, bei dem ein bestimmungsgemäßer Betrieb von Funk- und Telekommunikationsgeräten oder anderen Betriebsmitteln nicht möglich ist.
Bild 1: Betriebsmittel müssen nach dem Stand der Technik so entworfen und hergestellt sein, dass die von ihnen verursachten elektromagnetischen Störungen keinen Pegel erreichen, bei dem ein bestimmungsgemäßer Betrieb von Funk- und Telekommunikationsgeräten oder anderen Betriebsmitteln nicht möglich ist.
(Bild: Magic Power)

Wer sich nun die Lektüre der Richtlinie 2014/30/EU bzw. das darauf basierenden EMVGs (Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln) gönnt, vermisst den technischen Part im EMVG und stößt wider Erwarten nicht auf technische Details wie Feldstärken, Abstände, dBµV, Höhenscan, sondern ausschließlich auf den formal juristischen Part. Das EMVG definiert hierbei ausschließlich eine abstrakte Abhandlung eines Konformitätsprozesses ohne direkten technischen Bezug bzw. Anforderungen daraus.

In Anlehnung an die in Peter Schillings Major Tom beschriebene völlig losgelöste Sichtweise ergibt sich aus §4, welcher rudimentär die grundlegende Anforderung an die EMV festlegt, dass Betriebsmittel nach dem Stand der Technik so entworfen und hergestellt sein müssen, dass die von ihnen verursachten elektromagnetischen Störungen keinen Pegel erreichen, bei dem ein bestimmungsgemäßer Betrieb von Funk- und Telekommunikationsgeräten oder anderen Betriebsmitteln nicht möglich ist (Emissionen). In Bezug auf die Immissionen wird definiert, dass Betriebsmittel gegen die bei bestimmungsgemäßem Betrieb zu erwartenden elektromagnetischen Störungen hinreichend unempfindlich zu sein haben. Technisch etwas präziser wird im Nachgang §16, welcher die Normen als Vermutungsgrundlage der Konformität festlegt. Aber viel mehr gibt das EMVG in Sachen Technik letztendlich nicht her. Dies ist aber auch nachvollziehbar, denn ansonsten wäre das EMVG bei jeder technischen Änderungen einer Gesetzesänderung unterworfen, welche es schlichtweg unmöglich machen würde, den technischen Anforderungen zeitnah zu folgen und das EMVG deutlich umfangreicher werden lassen würde.

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Nun besteht aber die Konformität eines Gerätes nicht nur aus Normen, wie man (nachvollziehbar) aus technischer Sicht in erster Linie annehmen dürfte, sondern auch aus formellen Anforderungen, was letztendlich dazu führt, dass Juristen das EMVG losgelöst von technischen Details sehen und das Ganze mehr oder weniger stur unter den Gesetzestext subsummieren. Dies führt oftmals zu den bereits angesprochenen konträren Ansichten und Problemen, je nach Blickwinkel eines Technikers oder Juristen.

Die Verbindung des EMVG zu anderen Gesetzen

Im Detail gibt es zum EMVG neben den technischen Normen prinzipiell drei Querverbindungen zu anderen Gesetzesbereichen mit EU-, Verwaltungs- und Privatrecht. Die Korrelation zum EU-Recht erfolgt dabei vorrangig aus der Richtlinie 2014/30/EU (EMV-Richtlinie), aber auch über weitere Verordnungen und Richtlinien, z.B. über den Beschluss 768/2008/EG sowie die EG-Verordnung Nr. 765/2008, welche beide die gemeinschaftliche Nomenklatur und den Aufbau für ein identisches Grobgerüst von CE-Richtlinien bilden. Diese beiden Normen, auch New Legislative Framework (NLF) genannt, kann man somit getrost auch als Eltern der aktuellen Richtlinien bezeichnen, denn sie stellen einen allgemeinen horizontalen Rahmen für Rechtsvorschriften zur Harmonisierung der Bedingungen für die Vermarktung von Produkten und einen Bezugspunkt für geltende Rechtsvorschriften dar. Die darauf basierenden Lex-Specialis-Richtlinien, etwa 2014/30/EU für die EMV, orientieren sich im Aufbau an diesen und passen sich dem technischen Zweck an.

Zum jetzigen Zeitpunkt hat die EU mehr als 20 Richtlinien erlassen, welche eine CE-Kennzeichnung vorschreiben, wobei natürlich nicht alle, z.B. (EU) 2016/425 (Schutzausrüstungen), einen Bezug zur Elektronik haben. Grundlegend gilt aber, dass es Aufgabe des Herstellers ist, herauszufinden, welche der Richtlinien durch sein Produkt zu erfüllen sind. So sind dies z.B. bei einem Netzteil zumindest die EMV-Richtlinie, die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU und die RoHS RL 2011/65/EU (geändert EU 2016/425).

In diesem Zusammenhang plakativ ein paar Worte zur Klarstellung der Bindungswirkung einer EU-Richtlinie: „Vergessen Sie sie einfach“. Das ist natürlich nicht ernst gemeint, hat aber den Hintergrund, dass eine (EU)-Richtlinie gem. Art.288 EU-Vertrag keine direkte Rechtswirkung gegen ein Rechtssubjekt wie z.B. ein Unternehmen aufweist. Die Richtlinie ist nur gegenüber den Mitgliedsstaaten der EU dahingehend bindend, diese in jeweils nationales Recht umzusetzen. Im Gegensatz dazu haben Verordnungen, egal ob seitens der EU oder national festgelegt, eine direkte Rechtsbindung, ähnlich einem Gesetz. Folgerichtig kodifiziert jeder Mitgliedsstaat seine eigene Umsetzung, so z.B. in Österreich mittels der Elektromagnetische Verträglichkeitsverordnung (EMVV).

Sowohl in der Anwendung als auch über Verweise aus dem EMVG spricht man daher zu Recht von der Pflicht zur Richtlinie, auch wenn diese formaljuristisch nicht (direkt) bindend ist.

Privatrechtlich agiert das EMVG hauptsächlich mit drei Schnittstellen: Vertragsrecht bzw. Gewährleistungsrecht, Lauterbarkeitsrecht und Schadensersatzrecht (i.d.H. Delikts- und Produkthaftungsrecht). Nun stellt die Richtlinie, wie auch in deren Einführungsleitfaden angegeben, keine Sicherheitsrichtlinie dar. Sie dient ausschließlich einem Funktionsschutz, denn letztendlich ist durch einen EMV-Fehler nur in den seltensten Fällen ein Schaden an Personen oder Sachen zu erwarten. Folgerichtig sind Fälle aus dem Deliktshaftungsrecht (BGB §§823ff) oder aus dem Produkthaftungsrecht (ProdhaftG) mit Bezug zur EMV wohl eher die Ausnahme als die Regel. In der Niederspannungs- oder Maschinenrichtlinie sieht das jedoch anders aus und kann bei diesen zu Schadensersatzansprüchen aus Delikts-, Vertrags- oder Produkthaftungsrecht führen, rein theoretisch aber natürlich auch auf EMVG basierend.

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Wenn das CE-Zeichen fehlt

Bei Inaugenscheinnahme des EMVGs stößt man nun unweigerlich auch auf das CE-Zeichen. Doch was ist das überhaupt? Was sagt es aus? Welche rechtliche Bindungswirkung wird durch das CE-Zeichen erzeugt? Das CE-Zeichen ist im ersten Schritt nicht mehr als die Erklärung des Herstellers gegenüber der Behörde, hier in Deutschland der BNA, über die Einhaltung der Richtlinie(n) bzw. deren nationale Umsetzungen im Zuge eines Verwaltungszeichens. Es ist nichts Anderes als eine Art Produkt-Reisepass für die EU (+ EWR + EFTA), welcher dem Verkäufer erlaubt, das Produkt ohne Handelshemmnisse, im Zuge der Warenverkehrsfreiheit als EU-Grundsatz, zu vermarkten. Dem Spruch folgend, zwei Juristen drei Meinungen, gehen die weiteren Sichtweisen auch in der Rechtsprechung auseinander, inwieweit und ob z.B. das Fehlen des CE-Zeichens im Zuge von privatrechtlichen Verträgen wie etwa Kaufvertrag einen Mangel aus BGB §434ff (Mangel Kaufvertrag) oder §280 (Pflichtverletzung aus Vertrag) darstellt, oder ob das Fehlen überhaupt ein Problem ist. Dazu hat das Amtsgericht Frankfurt geurteilt, dass das Fehlen eines CE-Zeichens weder einen Sachmangel (BGB §434) noch einen Rechtsmangel (BGB §435) darstellt. Allenfalls könnten Schäden daraus über eine Pflichtverletzung (BGB §280) realisiert werden. Ähnliches gilt, inwieweit das Vorhandensein eines CE-Zeichens überhaupt eine Willenserklärung des Verkäufers in Richtung Käufer darstellt, in welcher er die Einhaltung der technischen Normen dem Käufer gegenüber mittels dem CE-Zeichen konkludent (stillschweigend) erklären will. Etwas einfacher ist die Fragestellung, wenn das CE-Zeichen isoliert durch seine „Reisepassfunktion“ beschrieben wird, aufgrund welcher dem z.B. gewerblichen Importeur überhaupt erst erlaubt wird, das Produkt innereuropäisch ohne Handelshemmnisse zu vertreiben. Durch das Fehlen des CE-Zeichens wird dem Wirtschaftsakteur diese Möglichkeit nun genommen, das Produkt im Zuge des Weiterverkaufs zu nutzen, was letztendlich als Mangel zu subsummieren ist. Um diese Probleme zu umgehen, ist es anzuraten und letztlich auch gängige Praxis, das CE-Zeichen, nebst den zu berücksichtigenden Normen, sowie der nationalen Gesetze per Vertrag oder Datenblatt zur Beschaffenheit und Grundlage des Produktes zu erklären. Sollte dann das Produkt nicht den Normen entsprechen oder die Kennzeichnung nicht gegeben sein, so kann der Käufer recht einfach einen Mangel ansetzen. So ist letztlich die Aussage, ob das das alleinige CE-Zeichen in Bezug auf die EMV konkludent die Bestätigung der z.B. EN55032&35 darstellt, privatrechtlich zumindest in Frage zu stellen.

Ein Anspruch aus eher unerwarteter Richtung kann seitens des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) quasi aus dem Nichts kommen. Das UWG regelt zum einen die Wettbewerbsbedingungen zwischen Unternehmen, aber auch in deren Richtung zum Verbraucher. Und genau dieses sogenannte Lauterbarkeitsrecht ist ein potentieller Ansatzpunkt, den Wettbewerber im Zuge eines Abmahnverfahrens wählen könnten, um ungewollten Marktbegleitern zumindest zeitweise den Zugang zu Märkten zu unterbinden. Wie kann das sein? Nehmen wir an, ein Hersteller markiert sein Produkt mit der Beschriftung CE-geprüft (CE; Communauté Européenne). Das UWG definiert in §3 (1) und (2) als Generalklausel bzw. Auffangtatbestand nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechende Handlungen als unlauter, sofern sie das wirtschaftliche Verhalten eines Verbrauchers beeinflussen. Alleine basierend darauf könnte bereits ein Unterlassungsanspruch im Zuge einer anwaltlichen Abmahnung wegen der Begrifflichkeit CE-geprüft gebildet werden. Warum? CE-geprüft kann einem Verbraucher einen Qualitätsstandard suggerieren, welchen das CE-Zeichen im Zuge seiner Selbstdeklaration so nicht darstellt. Insbesondere, wenn das CE-Zeichen auf Basis des Anhang II der Richtlinie ohne Einbindung einer benannten Stelle vergeben wurde. Oder einfach ausgedrückt hält der CE-Konformitätsprozess nicht das ein, was das Wort CE-geprüft einem Verbraucher vorspiegelt und ihn dadurch dazu verleiten kann, eine Entscheidung zugunsten des Produktes zu treffen, die er so nicht getroffen hätte, wenn das Zeichen richtig gewesen wäre. Das UWG gibt hierzu sogar mittels seines Anhanges entsprechende exemplarische Verstöße für die Anwendung von §3 vor, worunter auch diese Art der unrechtmäßigen Verwendung von Zeichen fällt. Wettbewerbsrechtlich ähnlich zu bewerten sind ebenso das Fehlen des CE-Zeichens, das fälschliche Anbringen ohne Grundlage sowie theoretisch auch das Nichterfüllen der technischen Normen.

Verwaltungsrechtliche Schnittstelle des EMVG

Neben dem privatrechtlichen Bereich gibt es auch die verwaltungsrechtliche Schnittstelle des EMVG. Die Bundesnetzagentur ist kraft Gesetzes (EMVG §22) die zur Durchführung des EMVGs bestimmte Behörde. Zu ihren Aufgaben gehört u.a. auch die Marktüberwachung, wozu sie sich auch der Amtshilfe des Zolls beim Import von Drittlandprodukten bedient (wie auch in der Verordnung EG/765/2008 beschrieben). Im Zuge dessen prüft die BNA zum einen auf formale Fehler namentlich i.d.H. CE-Kennzeichnung, Adressen, Anleitung und Konformitätserklärung sowie auf technische EMV-Fehler, welche im EMVG auch als mit Risiko behaftet tituliert sind. Im Falle einer Nichtkonformität erlässt die Bundesnetzagentur einen Verwaltungsakt, in welchem sie die entsprechenden Maßnahmen, sowie im Regelfalle ein Bußgeld festlegt. Ein solcher Verwaltungsakt unterscheidet sich im allgemeinen Teil nicht von jedem anderen Verwaltungsakt wie Knöllchen beim Falschparken oder einer Baugenehmigung. Er lässt entsprechende Rechtsbehelfe zu, erstrangig den Widerspruch, der jedoch innerhalb einer Fristigkeit von einem Monat nach Bekanntgabe (§70 VwGO) gestellt sein muss. Wird diese Frist nicht eingehalten, so ist nur unter bestimmten Bedingungen oder bei Formfehlern ein sogenanntes Wiedereinsetzen in den vorherigen Stand möglich. Abgesehen davon, dass seitens des EMVGs eine gesetzliche Mitwirkungspflicht der Wirtschaftsakteure sowieso festgeschrieben ist, z.B. gem. EMVG §9 (4), kann es im Fall der Fälle kein Fehler sein, eventuell unter Inanspruchnahme eines Anwalts mit der BNA entsprechend kooperativ zusammenzuarbeiten, denn letztendlich hätte die BNA auch die Möglichkeit, Maßnahmen zu Lasten des Wirtschaftsakteurs eigenmächtig durchzuführen und/oder ein Zwangsgeld festzusetzen.

Besonderheiten des EMVG

Schauen wir uns nun ein paar Besonderheiten des EMVG genauer an. Das EMVG und andere NLF-Richtlinien definieren die Stufen von der Herstellung bis zum Vertrieb gemeinsam als sog. Wirtschaftsakteure. Dabei ist im Vorfeld zu sagen, dass ein Wirtschaftsakteur jemand ist, der im Rahmen einer Geschäftstätigkeit handelt. Somit ist der private Import zur Eigennutzung oder die eigene Herstellung durch einen Verbraucher nicht durch das EMVG betroffen. Aber Achtung, wie so oft steckt die Wahrheit im Detail. Denn die Aussage, ob jemand gewerblich tätig ist, ist in diesem Zusammenhang nicht nur davon abhängig, ob eine Kaufmannseigenschaft gemäß HGB §§1-7 vorliegt oder eine Eintragung in ein Register gegeben ist, sondern es wird auch die Auslegung des Finanzamts angesetzt, ob jemand permanent, selbstständig und mit Gewinnabsicht Dinge verkauft. Sollte also jemand im größeren Stil Produkte im Drittland einkaufen, um diese auf einer Online-Plattform zu verkaufen, kann er schnell trotz Kennzeichnung „Privatverkauf“ im gewerblichen Bereich enden. Hierbei umfasst diese Definition auch weit mehr als nur den Verkauf. Die Begrifflichkeit „Bereitstellung auf dem Markt“ definiert jede entgeltliche oder auch unentgeltliche Abgabe zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung. Somit sind schon einmal alle schuldrechtlichen Verträge wie Kauf, Miete, Leihe etc. heiße Aspiranten, um unter das EMVG zu fallen. Theoretisch würde auch eine Schenkung unter das EMVG fallen, wobei es hier nicht darauf ankommt, dass das BGB den Schenkenden in Sachen Haftung größtenteils freischreibt. Letztendlich ist es so, daß die Art der schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen z.B. Käufer und Verkäufer dabei eine eher untergeordnete Rolle spielt, sondern es richtet sich ausschließlich nach den Vorgaben des EMVGs.

Der Zeitpunkt, ab welchem ein Gerät EMVG-konform sein muss, ergibt sich dabei u.a. aus der Legaldefinition §3 (10). Hierbei ist der Zeitpunkt des Inverkehrbringens als das erstmalige Bereitstellen definiert. Formal müsste somit nach der EMVG-Definition z.B. bei einem Verkaufsprozess zumindest ein Angebot des Verkäufers vorliegen, damit man den Verkaufsvorgang als grundlegend angestoßen betrachten kann. Nun stellt aber juristisch das Ausstellen in einem Geschäft oder das Anbieten in einem Onlineshop (das sog. Feilbieten) typischerweise eben noch kein Angebot dar, sondern nur Vorstufe, die sogenannte Aufforderung zur Abgabe eines Solchen durch den potentiellen Käufer (sog. invitatio ad offerendum). Damit wären Geräte, welche z.B. unbestellt auf Halde im Lager des Herstellers oder Importeurs liegen, (noch) nicht vom EMVG umfasst. Diese Auslegung könnte zu mannigfaltigen Diskussionen führen. Im Produktschutzgesetz (ProdSG) wird dieser frühe Zeitpunkt deutlicher herausgestellt:

  • §1 Anwendungsbereich (1). Dieses Gesetz gilt, wenn im Rahmen einer Geschäftstätigkeit Produkte auf dem Markt bereitgestellt, ausgestellt oder erstmals verwendet werden.
  • §2 Begriffsbestimmungen (2). ...ist Ausstellen, das Anbieten, Aufstellen oder Vorführen von Produkten zu Zwecken der Werbung oder der Bereitstellung auf dem Markt.

In der Praxis wird letztendlich der Vorgang der Bereitstellung deutlich nach vorne verlegt, z.B. zum Import, sodass, zumindest auf dem Papier, nur konforme Produkte in die EU importiert werden bzw. dort zum Vertrieb bereitliegen.

Einen Sonderfall stellen die sogenannten Fulfillment-Dienstleister (FFC) dar, welche Drittland-Produkte (i.d.R. über Online-Plattformen), die sich jedoch bereits physisch in der EU in Zollfreilägern befinden, im Auftrag des Drittland-Lieferanten entnehmen und an Kunden mit Sitz in der EU senden. Es ist einem pflichtbewussten Importeur nur denkbar schlecht zu erklären, warum die EU hier (noch) mit zwei Maßstäben misst und zum einen den Importeur voll dem EMVG und anderen Richtlinien unterwirft und zum anderen den Drittland-Lieferanten nebst seinem Erfüllungsgehilfen (Dienstleister) von den Richtlinien mehr oder weniger entbindet bzw. in Bezug auf potentielle Maßnahmen diese nicht durchsetzen kann oder will. Obgleich der Dienstleister i.d.R. in der EU ansässig ist, ist es umstritten, ob er nun als Händler oder Spediteur mit fremden Waren (= Erfüllungsgehilfe und damit nicht unter die Richtlinien fallend) einzugruppieren ist und damit mit Maßnahmen belegt werden kann. Die 2014/35/EU (bzw. §23 (4) EMVG) würde zumindest im Falle eines Risikoverstoßes die theoretische Möglichkeit eröffnen, den FFC mit ins Boot der Wirtschaftsakteure zu nehmen. Zum Juli 2021 tritt außerdem im Zuge dessen hierzu eine neue Verordnung (EU 2019/1020) in Kraft. Die als neue Marktüberwachungsverordnung titulierte Rechtsnorm ist recht umfangreich. Unter anderem belegt sie den FFC (Fulfillment-Dienstleister) mit entsprechenden Aufgaben, sofern kein anderer Wirtschaftsakteur in der EU ansässig ist. Ein weiterer maßgeblicher Punkt dieser Verordnung liegt in der nun gesetzlich kodifizierten Fingierung der Bereitstellung im Online-Kauf, welche dann bereits erfüllt ist, wenn sich das Angebot an einen Endnutzer in der EU richtet. Dies schafft etwas mehr Klarheit über den maßgeblichen Zeitpunkt der Bereitstellung. Ob und inwieweit diese Änderungen Auswirkungen auf Prozesse im Online-Geschäftsmodell haben, wird die Zeit nach dem Juli 2021 zeigen.

Welche Elektronik bzw. Geräte sind denn seitens des EMVGs eigentlich umfasst? Diese Frage ist recht einfach zu beantworten: Nahezu alles, wie Bild 5 zeigt.

Ausnahmen hiervon liegen nur dann vor, wenn z.B. im Zuge einer Sicherheitsnorm wie der EN60601-1-2 die EMV speziell festgelegt ist und somit mittels eines Lex-specialis-Ansatzes, also eines genau auf den Anwendungsfall passenden Gesetzes bzw. Normenwerk, dem EMVG vorgeht, das Funkanlagengesetz anzuwenden ist oder spezielle Ausnahmen aus EMVG §2 (3) vorliegen. Des Weiteren möchte ich mit einem Vorurteil aufräumen, nachdem die Richtlinie nur für Geräte gilt, welche für private Nutzer gedacht sind. Diese Einschätzung mag daher stammen, dass das die Richtlinie von Endnutzern spricht, es aber gleichzeitig nicht legal definiert. Etwas Klarheit schafft hier der Blue-Guide (Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU):

„…bezeichnet der Ausdruck Endnutzer eine natürliche Person (z.B. einen Verbraucher) oder eine rechtliche Einheit (z.B. ein Unternehmen), die das Gerät bestimmungsgemäß nutzt oder beabsichtigt, es bestimmungsgemäß zu nutzen...“

Das EMVG bzw. die Richtlinie stellen also nicht darauf ab, ob der Nutzer ein privater Verbraucher gemäß BGB §13 ist, sondern ausschließlich, ob der Nutzer das Gerät seiner Bestimmung nach, z.B. aus dem Datenblatt oder nach üblicher Verwendung, nutzt.

EMVG und der Bezug zur Technik

Wer wie bereits erwähnt das EMVG durchblättert, wird auch keine Inhalte technischer Art finden. Das EMVG definiert keine Feldstärken, Abstände, dBµV, Höhenscan etc. Es ist mehr oder weniger losgelöst von technischen Details. So ergibt sich der erste Bezug zur Technik aus §4, worin erwähnt wird, dass die Betriebsmittel dem Stand der Technik entsprechen müssen, die Emissionen anderer Geräte nicht stören sollen und das Gerät sich nicht durch Immissionen stören lassen soll. Technisch gesehen nicht wirklich hilfreich. Die letztendliche Verbindung zu den technischen Normen folgt über §16, welcher eine Konformitätsvermutung zugunsten der Verwendung von Normen vorgibt. Juristisch eine interessante Aussage. Denn diese Konformitätsvermutung zugunsten der Normen begründet keinen Umkehrschluss welcher aussagt, dass, wenn keine Normen angesetzt werden, das Betriebsmittel nicht konform ist. Somit ergibt sich hieraus auch kein Zwang zur Nutzung von Normen (wie auch bereits in den NLF Grundlagen festgelegt). Natürlich ist diese Sichtweise, auch wenn so kodifiziert, ein heißes Eisen, denn wie würden ein Kunde oder die BNA wohl reagieren, wenn als zugrundeliegende Anforderung „Kaffeesatz vom 9.12.2020 10 Uhr“ vermerkt sein würde? So ist letztendlich anzuraten, Normen anzusetzen und diese natürlich auch aktuell zu wählen, z.B. mittels Verfügung 2018/C246/01.

Neben den indirekt zur technischen Grundlage gemachten Normen definiert das EMVG direkt diverse formale Anforderungen an die Konformität des Gerätes. Dies sind z.B. das CE-Zeichen und die Typenbezeichnung (oder Chargen oder SN-Nr.), als auch Herstellerangabe, gegebenenfalls auch Importeur-Name nebst Adresse. Diese Informationen können je nach Art und Größe des Gerätes auch in der Bedienungsanleitung eingetragen sein, welche neben der Konformitätserklärung und eventuellen Montageanleitung dem Gerät beigefügt sein muss. Ist das Gerät für einen privaten Verbraucher gedacht, so hat die Montage- und Bedienungsanleitung in Landessprache zu sein. Im Vorfeld im sogenannten Konformitätsprozess stellt der Hersteller die Übereinstimmung zu den Normen oder, falls gewünscht, auch zum „Kaffeesatz“ sicher. Dabei ist der Hersteller nicht gezwungen, eine benannte Stelle (EMV-Labor) einzubinden. Er kann auch durch eigene Untersuchungen bzw. über das Design die Konformität sicherstellen. Während des Konformitätsprozesses hat der Hersteller außerdem über eine Risikoanalyse & Bewertung bereits während des Design-Vorgangs zu ermitteln, ob und welche Bedingungen repräsentativ sind und welche Auswirkungen zu erwarten sind. Die Konformitätsunterlagen sind letztendlich 10 Jahre aufzubewahren.

Um abschließend noch einem weiteren Vorurteil entgegen zu treten: Auch wenn alle in einem System eingesetzten Geräte CE-konform sind, bedeutet dies nicht automatisch, dass man vom EMVG und der Konformitätserklärung für das Komplettgerät befreit ist oder das Gesamtsystem in Summe messtechnisch sauber ist. Anders sieht es aus, wenn die Systemteile einzeln verkauft werden. Wobei man auch hier unter Umständen Gefahr läuft, dass, wenn bestimmte Zubehörteile mehr oder weniger zwingend vorgegeben sind, man dadurch doch wieder von einem Komplettsystem ausgehen kann und die EMV für das Komplettsystem nachweisen muss.

Verglichen mit den z.B. mehr als 2000 Paragraphen umfassenden BGB erscheint das EMVG auf den ersten Blick mit seinen nur 34 Paragraphen recht übersichtlich. Aber es beinhaltet einige Fallstricke und Querverbindungen, die es zu beachten gilt, um privat- und verwaltungsrechtlich auf der sicheren Seite zu sein.

Mess- und EMV-Service sowie Zulassungsunterstützung von Magic Power Technology

* * Frank Cubasch ... ist Jurist & staatlich geprüfter Elektrotechniker und beratend in der EMV-Technik tätig. Daneben betreut er als Geschäftsführer der Magic Power Technology GmbH Netzteilprojekte mit Messungen im hauseigenen EMV-Labor.

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