Embedded Systeme Embedded Computing aus dem „kleinen Silicon Valley“ Deggendorf
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Eine hohe Produktqualität ist nicht nur in Deutschland, sondern in allen Weltregionen ein starkes Verkaufsargument. Christian Eder, Director Marketing bei Congatec, informiert über die Herausforderungen, diese sicherzustellen – und wie man sie meistert.

ELEKTRONIKPRAXIS: Herr Eder, so weit bekannt arbeitet Congatec fabless und nicht mit chinesischen Herstellern zusammen. Greift Congatec dabei auf mehrere lokale EMS (Electronics Manufacturing Services) oder nur einige wenige globale Hersteller zurück?
Christian Eder:Um die Erwartungen unserer globalen Kunden hinsichtlich Supply-Chain-Integration, Lieferbeständigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu erfüllen, arbeiten wir sowohl mit globalen als auch lokalen Fertigern zusammen, die über das erforderliche, hohe technische Know-how verfügen. Auf diese Weise können wir Großkunden Multi-Sourcing-Lösungen anbieten, um geopolitische und ökologische Risiken zu mindern. Kürzeste Markteinführungszeiten sind für uns der Schlüssel. Dafür greifen wir auch auf kleinere, lokale Fertiger zurück, um unseren Kunden schnell kleinere Stückzahlen für Prototyping und Evaluierung bereitstellen zu können.
Bringt die derzeitige Atmosphäre im globalen Handel Congatec dazu, sein Produktionsnetz zu überdenken? Wie können Sie beispielsweise mit taiwanesischen Anbietern konkurrieren?
Unsere APAC-Zentrale befindet sich in Taiwan, wir lassen einen Teil unserer Produkte in der Asia-Pacific Region (APAC) produzieren. Gegenüber asiatischen Anbietern haben wir den Wettbewerbsvorteil, dass wir uns an deutschen Qualitätsstandards orientieren. Eine hohe Design- und Produktqualität sind dabei in allen Weltregionen ein starkes Verkaufsargument. Und das ist auch gut so, weil es uns dabei geholfen hat, zum weltweit führenden Anbieter von Computer-on-Modules zu werden.
Chiphersteller wie Xilinx und Nvidia versuchen in den Markt für Module und Boards einzusteigen. Sehen Sie darin eine Gefahr oder lediglich unterschiedliche Produkte für unterschiedliche Anwendungen?
Computer-on-Modules sind etablierte Standards für x86- und Arm-Prozessortechnologien, dieser ausgereifte Markt wird von verschiedenen Anbietern bedient. Hier gibt es anerkannte Standards, die von den Standardisierungsgremien PICMG und SGET gepflegt werden. Jeder neue Anbieter ist in unserer Community willkommen. Wenn Xilinx beispielsweise COM-HPC-Module anbieten sollte, dann wären diese FPGA-Anwendungen ergänzend zu Arm- oder x86-Serverprozessoren. Bei Nvidia ist es mit seinen GPGPU-basierenden Jetson-Implementierungen für KI ähnlich – auch diese eignen sich hervorragend, um Arm- oder x86-Prozessor-basierte Designs zu erweitern. Ich würde also sagen, dass es sich in den meisten Fällen um eine komplementäre Technologie zu x86- oder Arm-Computer-on-Modules handelt.
Wie betrachten Sie die Chip-Knappheit, auch hinsichtlich deren Intensität und Dauer? Gibt es Lösungen, in Zukunft einen stabileren Markt zu schaffen? Welche Methoden nutzen Sie, um Ersatz für fehlende Komponenten zu finden?
Unsere Embedded-Systeme basieren auf dedizierten Prozessoren und ICs, es gibt keinen Ersatz für die Prozessortechnologien von AMD, Intel oder NXP. Es gibt auch keine Möglichkeit, die Komponenten innerhalb einer dedizierten Plattform auszutauschen. Wir verlassen uns auf eine sorgfältige Planung gemeinsam mit unseren Kunden und setzen darauf, dass der Markt wieder an Stabilität gewinnt. Es hat schon immer Schweinezyklen gegeben. Wir gehen also davon aus, dass sich die Verfügbarkeit früher oder später auch wieder ändern wird.
Sehen Sie eine Veränderung in der Nachfrage nach x86-Plattformen gegenüber Arm-Plattformen?
Der Anteil der Arm-Plattformen in unserem Portfolio nimmt zu, da sie Segmente mit extrem niedrigem Stromverbrauch adressieren, die mit x86 einfach nicht erreichbar sind. Die größeren Projekte basieren jedoch auf High-End-x86-Clients und den kommenden Serverprozessor-Modulen. Das Edge Computing birgt für COM-HPC ein immenses Geschäftspotenzial. Aber auch im Ultra-Low-Power-Bereich gibt es ein immenses Geschäftspotenzial, hier allerdings für die Arm-Technologie. So haben wir kürzlich ein neues NXP-i.M8-M-Plus-Prozessormodul mit Neural-Processing-Unit-Implementierung, kurz NPU, vorgestellt. Gleichzeitig umfasst unser Portfolio auch COM-Express- und COM-HPC-Module mit Intels Core-, Xeon- und Celeron-Prozessoren der 11. Generation, die auf Intels Mikroarchitektur Tiger Lake H basieren. Sie werden im Vergleich zu den SMARC-Modulen mit i.MX8-Prozessoren allerdings wohl mehr Umsatz generieren. Letztendlich ist es eine Frage des Wachstums; diesen verzeichnen wir in beiden Bereichen.
Neben Modulen und Carrierboards wird Congatec zwangsläufig immer mehr Software anbieten – wie vermarkten Sie diese?
Unsere Akquisition von Real-Time System ist hier ein Vorzeigeprojekt. Die Hypervisor-Software für echtzeitfähige virtuelle Maschinen ergänzt unsere Edge- und Fog-Server-Angebote auf der Software-Ebene und schafft die Grundlage für weitere OEM-Entwicklungen und das Design von hochindividuellen, heterogenen Edge-Servern und IIoT-Gateways. Diese Echtzeit-Hypervisor-Software ist ein eigenständiges Produkt, für das Entwickler auch ohne unsere Produkte eine Lizenz erwerben können. Es ist also einfach für uns, damit Geld zu verdienen. Wir haben nicht die Probleme unserer OEM-Kunden, die IIoT-Gateways und den Cloud-Zugang zu ihren Produkten bereitstellen müssen, wenn sie neue Services anbieten wollen, um neue Geschäftsmodelle und Monetarisierungsmöglichkeiten zu erschließen.
Planen Sie weitere Akquisitionen?
Wir beabsichtigen, unser Angebot zu erweitern, da wir unsere Führungsposition in den Embedded- und Edge-Computing-Märkten beibehalten und erstklassige Services anbieten wollen, die die Nutzung unserer Technologien so weit wie möglich zu vereinfachen. Mit der Unterstützung der DBAG Fund und ihrer Konzentration auf wachsende Industrieunternehmen verfügt Congatec nun auch über die nötige Erfahrung bei Finanzierung und Mergers and Acquisitions, um die wachsenden Marktchancen im Edge-Bereich zu nutzen. Dies wird uns helfen, unsere Position weiter zu stärken.
Woran denken Sie dabei?
Das lässt sich im Voraus nicht beantworten, denn es ist auch eine Frage der möglichen Gelegenheiten. Wir haben einige Bereiche, in denen wir uns verbessern wollen. Ein Bereich ist das Remote Management unserer COM-HPC-Plattformen. Aber längst nicht alles ist eine Frage von Akquisitionen. In Zukunft wird Congatec sein Angebot auch durch die Zusammenarbeit mit Lösungspartnern für Vision, AI, VR, AR, Medizin und dedizierte Edge-Computing-Services erweitern – um nur einige Beispiele zu nennen. Letztere werden in den virtuellen Maschinen von Fog-Servern gehostet und stellen IoT-Gateway- und Sicherheitsfunktionen für die Erkennung von Schwachstellen, Angriffen und Anomalien bereit oder lassen sich für Kryptographie nutzen, die nach den höchsten Sicherheitsstandards für sicherheitssensible Anwendungen zertifiziert sind.
Bieten Sie auch kundenspezifische Boards an oder planen Sie, diese anzubieten? Falls ja: Welchen Umsatzanteil machen diese aus?
Für Anbieter von Computer-on-Modules gibt es zwei Seiten, weil ein Systemdesign immer ein Modul und ein Carrierboard für das Modul benötigt. Da unsere COM-Kunden auch immer einen Carrier benötigen, setzen wir diesen bei Bedarf auch um, entweder mit unseren Partnern oder mit unseren eigenen Ressourcen. Letztere sind natürlich begrenzt, aber jedes stückzahlenstarke Projekt ist willkommen. Stückzahlen spielen auch beim Customizing unserer COMs eine Rolle. Wir haben bereits eine ganze Reihe kundenspezifischer COM-Designs umgesetzt – das rentiert sich jedoch nur, wenn Kunden auch hohe Stückzahlen benötigen. Bei hohen Stückzahlen werden kundenspezifische COM-Designs in der Regel auch als COM- und Carrier-Fusion realisiert, worüber sich vollständig kundenspezifische Singleboard-Computerdesigns auch am effizientesten umsetzen lassen. Aus Produktsicht sind mehr als 20 Prozent unserer Produkte kundenspezifische Designs.
Wie kommuniziert man ein Unternehmen, dessen Angebote in den Produkten anderer Unternehmen versteckt sind?
Wir haben zwei Hauptstrategien für unsere Markenkommunikation: Die eine besteht darin, in den wichtigsten Embedded-Medien – wie der ELEKTRONIKPRAXIS – präsent zu sein. Wir glauben daran, dass solche Medien eine wichtige Rolle als Gatekeeper spielen und investieren deshalb viel in die Kommunikation unseres Fachwissens und die Vorteilsargumentation unserer Produkte. Und das über alle Kanäle hinweg – von der technischen Fachpresse bis hin zu Kongressen und Messen. Wir sehen auch großes Potenzial in den sozialen Medien, die ja zunehmend auch von den Embedded-Medien genutzt werden.
Die zweite Säule unserer Kommunikationsstrategie besteht darin, unsere Partnerschaften zu nutzen, um eine starke Präsenz auch in vertikalen Märkten wie Automatisierung, Communication, Vision-Systemen, Medical, Transportation, autonomes Fahren, kritische Infrastrukturen und vielen weiteren aufzubauen. Kunden aus diesen Branchen benötigen applikationsfertige Plattformen, die den Einsatz von Embedded-Technologien vereinfachen. Der Schlüssel dafür sind unsere Bundles mit dem Hypervisor von Real-Time Systems und unser Ecosystem für Vision, Safety und anderen Plattformlösungen – mit Partnern wie Basler, Matrix und Sysgo.
Wie gestaltet sich der Wechsel von COM Express zu COM-HPC?
COM-HPC ist gestartet. Mittlerweile gibt es zwei COM-HPC-Client-Modul-Generationen; eine Familie mit Intels neuesten Prozessoren Tiger Lake H und eine mit Low-Power-Tiger-Lake-Varianten. Derzeit bieten wir COM-HPC-Module in 17 unterschiedlichen Varianten an. Sie bieten Entwicklern neue Schnittstellen wie PCIe 4.0. PCIe ist zudem einer der Hauptgründe für einen Wechsel. Nun ist es nicht so, dass COM Express heute diese Performance nicht liefert, langfristig ist jedoch COM-HPC der Formfaktor mit den höheren Bandbreiten – bis hin zur Edge-Server-Ebene. Falls die Roadmap auf zunehmende Performance ausgerichtet ist, sollten neue Designs auf COM-HPC setzen. Die Umsetzung wird mit COM-HPC-Servermodulen viel schneller erfolgen, da sie im Vergleich zu COM-Express-Type-7-Modulen deutlich mehr Leistungspotenzial bieten. Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch diese Module marktreif sind. Wir gehen davon aus, zur Embedded World 2022 erste Implementierungen zu sehen. Ein Besuch auf unserem Messestand wird sich also lohnen.
Wie ist es, in einer relativ kleinen Stadt wie Deggendorf ansässig zu sein? Ist das ein Vorteil, weil Congatec nicht mit anderen Unternehmen um Talente konkurrieren muss? Oder ein Nachteil, weil manche potenzielle Mitarbeitende lieber in einem städtischen Ort bleiben wollen?
Deggendorf ist das „kleine Silicon Valley“ der Embedded-Computing-Technologie, insbesondere für Computer-on-Modules. Hier sind alle großen europäischen COM-Anbieter ansässig. Zudem haben wir hier auch eine renommierte technische Hochschule. Die Standortfaktoren sind also im Großen und Ganzen hervorragend. Was wir aber zugegebenermaßen nicht bieten können, ist das Großstadtflair. Aber Deutschland ist ja bekannt dafür, dass hoch spezialisierte Anbieter in kleineren Städten beheimatet sind, nicht alles findet in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder München statt. Zudem nutzen wir auch die Vorteile unseres internationalen Setups und sind nicht auf Deutschland begrenzt. Beispielsweise verfügen wir auch in unseren Niederlassungen in den USA und Asien über hervorragende Spezialisten und erweitern unsere Teams dort kontinuierlich.
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Echtzeit-Datenkommunikation
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SMARC- und Kameramodule
Computer-on-Modules: Nahezu latenzfreies Sehen mit bis zu 226,5 FPS
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