Si, SiC & GaN „Das Optimale ist oft ein Kompromiss.“

Von Gerd Kucera

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MOSFET oder IGBT? Silizium oder Siliziumkarbid? Welche Kriterien entscheiden? Wie lange hält das ausgesuchte Bauelement in der Applikation? Liegt die Chip-Temperatur sicher innerhalb der erlaubten Maxima? Die Liste der Fragen ist lang. Sehr lang. Auf dem ersten „Entwicklerforum Leistungselektronik“ gaben Experten ihres Fachs in ihren Vorträgen die gesuchten Antworten.

Nach erfolgreicher Premiere des „Entwicklerforum Leistungselektronik“ am 18. Oktober 2022 steht der Folgetermin fest für den 17. Oktober 2023 im VCC Würzburg.
Nach erfolgreicher Premiere des „Entwicklerforum Leistungselektronik“ am 18. Oktober 2022 steht der Folgetermin fest für den 17. Oktober 2023 im VCC Würzburg.
(Bild: Kucera)

In der Literatur gibt es zahlreiche Vorschläge und Schaltungen zum Aufbau von Treiberstufen für IGBT-Module. Doch ist die Vielfalt von Applikationsfeldern mit deren besonderen Ansprüchen schwer zu überblicken. Dadurch ist häufig ein neues Treiber-Design zu entwerfen und das richtige Ansteuern von IGBTs eine Kunst für sich.

Dr. Martin Schulz (Littelfuse): „Auch Leistungshalbleiter unterliegen dem Verschleiß. Und der ist den thermomechanischen Prozessen geschuldet.“
Dr. Martin Schulz (Littelfuse): „Auch Leistungshalbleiter unterliegen dem Verschleiß. Und der ist den thermomechanischen Prozessen geschuldet.“
(Bild: Stefan Bausewein)

Bei einem Entwurf der geeigneten Treiberstufen wiederholen sich die Aufgaben ebenso, wie es die vermeidbaren Fehler tun. Das beobachtet Dr. Martin Schulz immer wieder. In seinem Eröffnungsvortrag „Gut gedacht, schlecht gemacht“ auf dem Entwicklerforum Leistungselektronik 2022 verwies der Global Principal Application Engineer bei Littelfuse aber auch auf Montage-Fehler von Power Devices und wie diese die optimierten Schaltungsentwicklungen zu Nichte machen.

Patrick Baginski (Vincotech): „Kaum wahrnehmbares Auspumpen der Wärmeleitpaste erhöht stetig den Rth bis zum Modulausfall. Doch ein zusätzlich applizierbares Kupfergewebe hält den Rth konstant und sorgt für lange Lebensdauer.“
Patrick Baginski (Vincotech): „Kaum wahrnehmbares Auspumpen der Wärmeleitpaste erhöht stetig den Rth bis zum Modulausfall. Doch ein zusätzlich applizierbares Kupfergewebe hält den Rth konstant und sorgt für lange Lebensdauer.“
(Bild: Stefan Bausewein)

Als Senior Field Application Engineer bei Vincotech weiß Patrick Baginski nach mehr als 17 Jahren Praxiserfahrung nur genau, was in der Theorie funktioniert und was nicht. Auszug aus seinem Folgevortrag:

„In einem Umrichter ist das Leistungshalbleiter-Modul eines der teuersten Komponenten. Daher sind die Hersteller angehalten die Kosten zu verringern. Das kann dadurch geschehen günstigere Komponenten zu verwenden oder – wenn möglich – auf eine Bodenplatte zu verzichten. DCBs sind sehr bruchanfällig und können nur bis zu einer gewissen Größe sicher gehandhabt werden. Bei großen Leistungshalbleiter-Modulen wird demzufolge ein Träger für mehrere DCBs benötigt. Das kann idealerweise eine Kupferplatte oder eine AlSiC-Platte sein, wenn es um eine hohe Zyklenfestigkeit geht.

Kupfer hat eine sehr gute Wärmeleitfahigkeit, ist leicht bearbeitbar und kann gut gelötet werden. Jedoch hat Kupfer einen wesentlich größeren thermischen Ausdehnungskoeffizienten verglichen zu einer DCB, was eine Art Krümmung hervorruft und dadurch im Lastwechsel einen Bimetall-Effekt. Genau dieser Effekt verursacht eine Krafteinwirkung auf das Wärmeleitmedium zwischen Modul und Kühlkörper und kann zu einem Pumpeffekt und im schlimmsten Fall zum Ausfall des Halbleitermoduls führen.

In der Vergangenheit wurde viel Zeit und Arbeit in die Vorbiegung der Bodenplatte investiert, versucht die optimale Wärmeleitpaste zu finden und ebenso viele Langzeittests ausgewertet. Bis zu einem gewissen Punkt kann das System optimiert werden. Aber optimal ist es damit noch nicht. Sobald es Temperaturwechsel gibt, wird sich auch ein Bodenplattenmodul verformen. Das führt zum Pumpeffekt beim thermischen Interface-Material. Die Wärmeleitpaste muss also daran gehindert werden ausgepumpt zu werden.“ In seinem Referat stellte eine von mehreren möglichen Lösungen vor, die ausführlich mit Messungen evaluiert wurde.

Wärme-Management

Robert Liebchen blieb im Thema. Der für Qualitätsmanagement und Messtechnik am ZFW Stuttgart Verantwortliche für thermische Optimierungen gab Einblicke in Testmethoden und Fehlermechanismen von TIM (Thermal Interface Material). Liebchen: „Aus den Fehlermechanismen lassen sich die Einflüsse der mechanischen Eigenschaften auf die thermische Alterung ableiten. Es entstehen Design-Regeln, die die Zuverlässigkeit elektronischer Produkte verbessern.“

Robert Liebchen (Zentrum für Wärme-Management Stuttgart): „Aus Fehlermechanismen lassen sich Einflüsse auf die thermische Alterung ableiten.“
Robert Liebchen (Zentrum für Wärme-Management Stuttgart): „Aus Fehlermechanismen lassen sich Einflüsse auf die thermische Alterung ableiten.“
(Bild: Stefan Bausewein)

Gate-Treiber-Design für Leistungshalbleiter

Leistungshalbleiter brauchen den richtigen Treiber. Nicht immer sind marktübliche Gate-Treiber die optimale Lösung. Etwa wenn spezielle klimatischer Bedingungen und dedizierte Materialien mit einem Höchstmaß an funktionaler Sicherheit und Zuverlässigkeit vorgegeben sind. Seit nunmehr 20 Jahren entwickelt SAXOGY-Gründer Konrad Domes mit seinem Team anwendungsspezifische Treiber.

Konrad Domes (SAXOGY): „In den gebräuchlichsten Schaltungstopologien passen die Bezugspotentiale der Leistungshalbleiter nicht zusammen.“
Konrad Domes (SAXOGY): „In den gebräuchlichsten Schaltungstopologien passen die Bezugspotentiale der Leistungshalbleiter nicht zusammen.“
(Bild: Stefan Bauswein)

Die Inhalte seines Vortrags waren komprimierter Wissenstransfer: Entwicklung eines optimalen LE-Treibers, Gründe der Eigenentwicklung, Bauteilauswahl, Pflichtenheft. Wo liegt die Grenze eines Hochleistungstreibers? Warum gibt es diese Grenze und was passiert, wenn sie überschritten wird? Das formulierte Lernziel von Domes, der auch Lehrbeauftragter zum Thema an der TU Chemnitz ist, umfasste u.a. Detailkenntnisse zu Signalen, Wissen zur Störfestigkeit, zur thermischen Stabilität.

Si versus SiC oder besser: ein Mix aus beidem

Herausforderungen der schnell erforderlichen Energiewende befeuert auch die Nachfrage nach neuen Technologien von Hochvolt-Leistungshalbleitern. Wide Bandgap Devices scheinen die beste Wahl zu sein. Doch sind sie es wirklich oder sind Leistungshalbleiter auf Silizium-Basis weiterhin die gute (preiswerte) Wahl?

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Eine neutrale Technologieübersicht der Hochvolt-Schalter auf Basis von Silizium, Siliziumkarbid und Galliumnitrid zeigte Uwe Kirchner von Infineon Austria. Und der Senior Concept Engineer aus Villach resümierte: „Jedes der Materialien hat Vor- und Nachteile, die physikalisch bedingt sind. Sie zu kennen und zu nutzen, erlaubt die Differenzierung hinsichtlich Wirkungsgrad und Leistungsdichte. Doch die Nutzung der Technologie ist abhängig von der jeweiligen Topologie. Die Gründe belegte Kirchner am Beispiel einer Technologie-Positionierung mit Si-IGBT, Si-SJ-MOSFET, SiC-MOSFET und GaN-HEMT für elektrische Antriebe in der Industrie.

Uwe Kirchner (Infineon): „Das Optimale ist oft ein Kompromiss.“
Uwe Kirchner (Infineon): „Das Optimale ist oft ein Kompromiss.“
(Bild: Stefan Bausewein)

Seinen Vortrag, und damit das erste Entwicklerforum Leistungselektronik, schloss Kirchner wie folgt: „GaN & SiC sind in der Lage, die Leistungsdichte und den Wirkungsgrad insbesondere in DC/DC-Stufen zu erhöhen. Gemischte Technologien können EMI verbessern und in der Entwurfsphase helfen. Silizium bleibt weiterhin die preiswerteste Technologie, während Sic & GaN bis 2024 nahe beieinander liegen.“

Das nächste Entwicklerforum Leistungselektronik wird im Rahmen des Events Power of Electronics 2023 vom 17. - 18.10.2023 stattfinden.(ku)

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