ZSW erforscht die industrielle Fertigung von Brennstoffzellen-Stacks
Um Brennstoffzellen in großen Stückzahlen auf den Markt zu bringen, entwickelt das ZSW mit dem Projekt HyFaB automatisierte Fertigungs- und Qualitätssicherungsverfahren für Brennstoffzellen-Stacks.
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Die deutsche Brennstoffzellen-Technologie ist reif für den Markt und hat ein großes Wertschöpfungspotenzial, weiß das ZSW (Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg). Doch Hochleistungsbrennstoffzellen-Stacks sind komplexe Konstruktionen. Sie bestehen aus hunderten von Einzelzellen, mit Membran-Elektroden-Einheiten (MEAs) mit 10 µm dünnen Membranen. Diese müssen mit Bipolarplatten mit knapp 1 mm Bauhöhe und filigranen Gasverteilerstrukturen plus den Gasdiffusionslagen aus porösem Kohlefaservlies aufeinander abgestimmt, geprüft und mit höchster Präzision zu einem Stapel (Stack) zusammengefügt werden. Hierfür bedarf es grundlegend neuer Produktionsprozesse für eine künftige Massenproduktion.
Mit HyFaB entstehe laut ZSW eine weltweit einzigartige Forschungsplattform, die einen modularen und weitestgehend format- bzw. bauteilflexiblen Ansatz verfolgt. Dadurch können einzelne Prozessschritte für verschiedene Brennstoffzellen-Stack-Designs voneinander unabhängig entwickelt werden. Der Schwerpunkt der Arbeiten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am ZSW liegt auf der Entwicklung von Einzelprozessen zur Qualifizierung, Handhabung, Herstellung und Qualitätssicherung von Materialien, Komponenten und Brennstoffzellen-Stacks. HyFaB bietet Unternehmen Orientierung beim Einstieg in die Brennstoffzellentechnologie sowie bei der zügigen Umsetzung von Produkten.
In der ersten Phase wird das ZSW in Ulm um ein Gebäude mit einer Bruttogeschossfläche von 3600 m2 für die Anlagen zur automatisierten Material- und Komponentenqualifizierung sowie zur Erforschung der Assemblierung von Membran-Elektroden-Einheiten (MEAs) erweitert. Die Inbetriebnahme ist für Anfang 2022 geplant. Die HyFaB-Gebäude sollen auf einem Grundstück errichtet werden, das an die existierenden Gebäude des ZSW am Standort Lise-Meitner-Straße 24 angrenzt.
Chancen für Automobil-, Maschinen- und Anlagenbau
Mit HyFaB erforscht das ZSW mit führenden Partnern aus der Komponenten- und Zulieferindustrie die Voraussetzungen für eine Serienproduktion von Brennstoffzellen-Stacks. Die Aktivitäten dienen dazu, eine Großserienproduktion von Brennstoffzellen in Baden-Württemberg zu etablieren. HyFaB liefert nach ZSW-Angaben die Basis, um ein wichtiges Zukunftsfeld der Automobilindustrie zu erschließen, und ist offen für die Automobil- und Brennstoffzellen-Zulieferindustrie sowie für Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau.
Das Projekt HyFaB mit Forschungsfabrik für Wasserstoff und Brennstoffzellen bündelt als strategisches Vorhaben des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg die Kompetenzen von Wissenschaft und Industrie. Das Vorhaben wird vom ZSW in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg durchgeführt.
Wasserstoff und Brennstoffzellen statt Diesel
Elektromobilität mit Wasserstoff und Brennstoffzellen bietet lautloses und vor Ort emissionsfreies Fahren mit großen Reichweiten und schneller Betankung. Die Technologie könnte überall dort eingesetzt werden, wo heute der Diesel den Markt beherrscht – vom Lkw bis zum Seeschiff. Bis Januar 2020 stieg die Zahl wasserstoffbetriebener Brennstoffzellenfahrzeuge auf rund 19.000 Einheiten weltweit. Kommerzielle, serienreife Modelle (Pkw und Lkw) bieten in Deutschland derzeit Toyota seit 2014 und Hyundai seit 2013 an. Mercedes Benz fährt seit 2018 den GLC F-CELL als Versuchsflotte. Eine Reihe von Unternehmen der Automobil-Zulieferindustrie sowie weitere Automobilhersteller wie BMW und Audi sind derzeit im Themenfeld Brennstoffzelle aktiv. IVECO will den Elektro- und Brennstoffzellen-Lkw Nikola TRE ab 2021 im Ulmer Werk produzieren und bis 2023 erste Modelle ausliefern. In der Schweiz sollen 1600 Schwerlast-Lkw von Hyundai Hydrogen Mobility (HHM) bis 2025 unterwegs sein; darüber hinaus an mehreren Orten Busse sowie erste Nahverkehrszüge im Linienverkehr mit Wasserstoff.
Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg fördert den Aufbau der Infrastruktur mit einem neu zu errichtenden Gebäude am ZSW-Standort Ulm. Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut übergab kürzlich dem ZSW den Förderbescheid über 10,5 Mio. €. „Brennstoffzellen bieten ein großes Potenzial zur CO2-Reduzierung im Verkehr und für die nationale Wertschöpfung. Wir müssen die vorhandenen Kompetenzen im Land weiter stärken. Das Projekt HyFaB trägt maßgeblich dazu bei, dass unsere Unternehmen in Baden-Württemberg von dieser wichtigen Zukunftstechnologie profitieren und die Potentiale optimal erschließen können. Auch für die zahlreichen kleinen und mittleren Betriebe im Land ergeben sich hier Möglichkeiten als Zulieferer zu partizipieren“, sagte Hoffmeister-Kraut.
Dr. Ludwig Jörissen, kommissarischer Leiter der Brennstoffzellen-Forschung am ZSW, ergänzt: „Mit HyFaB entsteht eine offene, flexible Forschungsplattform zur Herstellung von Hochleistungsbrennstoffzellen. Die Möglichkeiten gehen von der Qualifikation von Materialien, Komponenten und Brennstoffzellen-Stacks über automatisierte Fertigungsprozesse bis zu den Test- und Qualitätssicherungsverfahren, wie sie zur automobilen Großserienproduktion mit einem Volumen von 200.000 Fahrzeugen gefordert sind. Und nicht zuletzt werden Konzepte zur Aus- und Weiterbildung von Fachpersonal entwickelt.“
Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg gehört nach eigenen Angaben zu den führenden Instituten für angewandte Forschung auf den Gebieten Photovoltaik, regenerative Kraftstoffe, Batterietechnik und Brennstoffzellen sowie Energiesystemanalyse. An den drei ZSW-Standorten Stuttgart, Ulm und Widderstall sind derzeit rund 280 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker beschäftigt. Hinzu kommen 100 wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte. Das ZSW ist Mitglied der Innovationsallianz Baden-Württemberg (innBW), einem Zusammenschluss von 13 außeruniversitären, wirtschaftsnahen Forschungsinstituten.
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