Von der Notwendigkeit Mechatroniksysteme zu simulieren
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Signalintegrität, Verlustwärme, EMV, Derating, Embedded Software, Safety – Fallstricke der Mechatronik sind komplex. Nur ganzheitliche Modellierung und Co-Simulation führen aus dem Dilemma.

Vorweg genommen: Wer sich neuen Methoden öffnet und den Nutzen für die eigene Entwicklung bewertet, kann schnell auf sich ändernde Situationen und Märkte reagieren. Dieser Beitrag beschreibt daher die ganzheitliche Modellierung und Co-Simulation von Antriebsmechatronik zur Optimierung von Wirkungsgrad und Lastprofil am virtuellen Prototypen.
Autonomes Fahren und Elektrifizierung haben gemeinsam, dass es sich hier um sehr komplexe mechatronische Systeme handelt. Innovative Antriebsmechatronik finden wir aber auch in anderen Branchen wie der Luftfahrt oder Medizintechnik. Welche Trends gibt es weltweit bei der Entwicklung von komplexen, multiphysikalischen Systemen, und wie lösen das interdisziplinäre Entwicklungsabteilungen?
Die Entwicklung von Motoren oder Steuerelektronik für sich genommen ist bereits eine vielfältige Thematik, die bei den heutigen Anforderungen an Verfügbarkeit, Bauteilabkündigungen und Energieeffizienz hohe Anforderungen an die Entwicklungsabteilungen in aller Welt stellen. Kommt dann noch Embedded Software hinzu, bei der die funktionale Sicherheit nach unterschiedlichen Normen für die jeweilige Branche sichergestellt wird, potenziert dies noch einmal die Komplexität des Gesamtprojekts.
Betrachten wir einmal die Gemeinsamkeiten bei der Entwicklung von Automobilen, Flugzeugen oder medizinischen Geräten. Alle haben hohe Sicherheitsstandards und alle stehen im kommerziell harten Wettbewerb. Es gilt also schnell, kostengünstig und zuverlässig mechatronische Systeme zu entwickeln und die entsprechende Sicherheitsvorschriften einzuhalten.
Hier gibt es unterschiedliche Tendenzen und Strategien. Die großen OEM-Hersteller haben das Gesamtsystem vor Augen und schreiben eine Spezifikation. Dann vergeben sie Teilprojekte an spezialisierte Zulieferer oder Fachabteilungen, die jeweils eine Teilaufgabe perfektionieren und eine optimierte Lösung anbieten. Dieses Aufteilen in Arbeitspakete erfolgt nach den Fachkenntnissen und Erfahrungen der Gruppen, die diese Teilaufgaben lösen. Die Spezialisten haben solche oder ähnliche Teilaufgaben in der Vergangenheit bereits gelöst und haben ihre eigenen Werkzeuge und Methoden an die Teilaufgaben angepasst.
Vermehrt stören äußere Einflüsse diesen gewohnten Ablauf. Bauteile werden in immer schnelleren Zyklen abgekündigt und erfordern ein Redesign oder eine andere Schaltung als bisher. Gesetzliche Vorschriften werden verschärft und Normen oder Spezifikationen ändern die Rahmenbedingungen an EMV, Temperaturen oder Baugrößen. Der geforderte Funktionsumfang wird erweitert, was die Möglichkeiten der bisherigen Lösung überschreitet.
Plötzlich müssen jahrzehntelang erprobte Konzepte und Lösungen erneuert werden. Die Lösung liegt nicht mehr in der Optimierung einer Teilaufgabe, sondern in der Optimierung des Gesamtsystems. Oder es müssen neue Konzepte eingeführt werden, die mehrere Teilbereiche maßgeblich beeinflussen. Weltweit ist ein Trend zu beobachten, dass der Markt für Simulationslösungen deutlich höhere Zuwachsraten aufweist als der Markt für Messtechnik oder CAD-Systeme. Das heißt hier findet ein Wandel bei der Methodik in der Entwicklung statt.
Branchenübergreifend ist zu beobachten, dass die Systemhersteller in der Vergangenheit schon die Mechanik simuliert haben, bis hin zu virtuellen Crash-Tests, deren Ergebnisse mit den verbindlichen echten Crash-Tests und entsprechenden Messungen korrelieren. Der Rechenaufwand und die frühen Erkenntnisse aus diesen virtuellen Prototypen brachten deutliche Kosten- und Zeitvorteile gegenüber realen Tests an echten Prototypen.
In der Elektronik werden Schaltungen mit PSpice simuliert und digitale Teile auf Leiterplatten im Hinblick auf Signalintegrität und Spannungsversorgung (Power-Integrität) untersucht. Auch diese Simulationsergebnisse korrelieren mit entsprechenden Messungen.
Heute werden nicht nur mechanische oder elektrische, sondern mechatronische virtuelle Systeme simuliert. Dies ist durch die sinkenden Kosten für den Betrieb von leistungsstarken Rechnern und High Performance Computing (HPC) auf parallelisierten Rechnern in der Cloud oder auf Computerfarmen möglich. Die Kosten für die Simulation sind mittlerweile kleiner als der Aufwand durch wiederholte Prototypen und reale Messungen.
Schritte der Simulation mechatronischer Systeme
Wie geht man vor, wenn man ein komplexes mechatronisches System simulieren will? Zuerst abstrahiert man und baut sich Verhaltensmodelle für die einzelnen Komponenten im System. Anschließend werden die Modelle mit Messwerten verfeinert und das Grenzverhalten wird bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen, elektromagnetischen Störungen und weiteren äußeren Einflüssen in der Simulation abgebildet.
In einem modellbasierten Workflow werden unterschiedlichste Modellformate miteinander in einer Simulation kombiniert. Diese Formate können C, VHDL, Modelica, PSpice, FMI oder Simulink sein.
Neu ist der interdisziplinäre Ansatz bei der Simulation. Bei niedrigen Spannungen und hohen Strömen kommt es zu Erwärmungen auf der Leiterplatte, die wiederum die elektrischen Eigenschaften beeinflussen. Hier ist eine Co-Simulation von Elektronik und Thermodynamik hilfreich, um die Effekte vorherzusagen und erforderliche Kühlungskonzepte bereits am virtuellen Prototypen einzubauen oder das Layout bzw. die Schaltung anzupassen. Mit einer Co-Simulation durch PSpice Systems und MATLAB Simulink können mechanische Modelle aus der Simulink-Bibliothek mit virtuellen elektronischen Schaltungen simuliert werden. So kann beispielsweise analysiert werden, ob eine vorhandene Motorsteuerung weiterhin einen neuen Motor regeln kann. Es ist vorhersagbar, ob nach einer Bauteilabkündigung die Steuerelektronik mit den alternativen Bauteilen weiterhin in den gegebenen Leistungs- und Temperaturbereichen und der zu regelnden Last zuverlässig funktioniert.
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