Mein Netzteil hat kaum Strom gebraucht, aber jetzt raucht es

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Zuverlässige Stromversorgungen sind eine Grundvoraussetzung für geringe Ausfallraten von Elektrogeräten. Dieser Beitrag beschreibt typische und kuriose Probleme von Stromversorgungen und wie man sie vermeiden kann.

Markus Rehm am Arbeitsplatz: „Beginnen Sie so früh wie möglich, Ihr vorgesehenes Netzteil zu testen.“
Markus Rehm am Arbeitsplatz: „Beginnen Sie so früh wie möglich, Ihr vorgesehenes Netzteil zu testen.“
(Bild: IB Rehm)

Bedeutet hoher Wirkungsgrad auch hohe Zuverlässigkeit? Viele Netzteilhersteller betonen unisono, dass ein hoher Wirkungsgrad automatisch in niedrige Bauteiltemperaturen resultiert, weil es weniger Verlustleistung gibt. Kühlere Bauteile leben länger, das ist klar. Meiner Erfahrung nach ist das in der Realität aber oft nicht richtig! Stromversorgungen werden kleiner, Bauteile liegen enger nebeneinander, Kühlkörper entfallen und Verlustleistungen werden nur noch über die Leiterplatte abgeführt. Ein hoher Wirkungsgrad bedeutet auch komplexere Konzepte und bessere Bauteile.

Diese Zusatzkosten können oft nicht an die Kunden weitergegeben werden und müssen dann durch geringere Reserven kompensiert werden. Häufig messe ich gleiche oder sogar höhere Temperaturen in modernen, hoch effizienten Netzteilen. Durch den hohen Wirkungsgrad denkt mancher Designer darüber nach, den Lüfter zu entfernen, seine Drehzahl zu regeln oder ihn bei kleiner Leistung ganz auszuschalten. Damit kitzelt man oft noch das letzte fehlende Prozent zur Einhaltung der erforderlichen Normen heraus, vor allem bei 10%, 20% oder 50% Last.

Lüfter waren noch nie beliebt und einige Produktmanager meinen, dass sie nicht mehr zeitgemäß sind. Ausführliche und aufwendige Tests sind dann aber zwingend erforderlich und oft muss man sich eingestehen, dass es ohne Lüfter eben doch nicht geht. Auch bei der Drehzahlregelung muss man aufpassen, weil es Bauteile gibt, die bei kleinerer Gesamtleistung wärmer werden, weil z.B. die Schaltfrequenz höher ist. Der Sensor zur Bestimmung der Lüfterdrehzahl liegt oft am Schalttransistor auf der Primärseite oder dem Gleichrichter auf der Sekundärseite und der merkt natürlich nicht, wenn ein SMD Dämpfungsglied auf der Leiterplattenunterseite zu heiß wird.

Trotzdem ist weniger Verlustleistung im Betrieb natürlich besser für die Umwelt. Auch für die Endgeräte sind effizientere, kleinere und leichtere Netzteile vorteilhaft. Aber sie müssen gewissenhaft entwickelt sein.

Beeinflusst eine kleine Standby-Leistung die Zuverlässigkeit?

Schaltet man ein Gerät in Standby, wenn die Funktionalität nicht benötigt wird, dann wirkt sich das positiv auf die Lebensdauer und Zuverlässigkeit aus. Das gilt natürlich nur wenn die internen Verbraucher ausgeschaltet werden und sich die Leistungsaufnahme wirklich reduziert. Vor 15 Jahren habe ich für eine Umweltschutzbehörde Satellitenempfänger analysiert und festgestellt, dass viele im Standby-Modus (Display aus und keine Funktion) eine höhere Leistungsaufnahme hatten, z.B. 10,5W im Betrieb und 11W im Standby. Unglaublich aber wahr! Teilweise wurden dann auch Elkos völlig überstrapaziert. Da wäre es also besser gewesen, den Bereitschaftsbetrieb nicht zu aktivieren! Diese Zeiten sind aber gottseidank vorbei.

Heutzutage erfüllen moderne Konzepte bei Stromversorgungen mit kleinen Leistungen (z.B. unter 50W) oft schon intrinsisch die gesetzlich geforderte, niedrige Leistungsaufnahme im Bereitschaftsmodus oder bei Nulllast. Bei größeren Leistungen (z.B. ab 70W) braucht es meistens noch ein „Standby-Netzteil“, welches eine zusätzliche Hilfsspannung erzeugt und das Hauptnetzteil ausschaltet. Da muss man genau schauen, dass auch dieses zusätzliche Netzteil sehr gut entwickelt ist und die Gesamtzuverlässigkeit nicht reduziert. Leider ist das nicht immer der Fall. Oft genug finde ich Geräteausfälle, nur weil im Standby-Netzteil ein kleiner 10µF / 50V Elko wegen Überstrom ausgetrocknet ist oder eine 200V SMD Diode wegen Überspannungsspitzen beim Anlauf kaputt gegangen ist.

Sind moderne Netzteile zuverlässiger?

Es ist nicht so einfach, einen hohen Wirkungsgrad zu erzielen bzw. die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Allein die Verwendung von besseren Bauteilen reicht schon lange nicht mehr aus. Die Entwickler müssen ganz schön tricksen und zusätzliche Steuerungen und Regelungen einbauen. Das erhöht die Komplexität enorm und ist aufwendig. Hier einige Beispiele von zusätzlichen internen Steuerungen:

  • Umschaltung von Normalbetrieb in Standby und zurück in Abhängigkeit der Leistung
  • Änderung in Skip Mode, Burst Mode, o.ä. bei kleiner Leistung
  • Wechsel von lückenden in nicht lückenden Betrieb bei höherer Leistung
  • Ein- / Ausschalten der PFC Stufe oder auch Änderung der Spannung am Bulk-Elko in Abhängigkeit der Leistung und der Netzspannung
  • Ein- / Ausschalten des sekundären Synchrongleichrichters in Abhängigkeit des Ausgangstromes
  • Umschaltung von PWM auf Frequenzmodulation bei Spitzenlasten
  • Reduktion der maximalen Ausgangsleistung in Abhängigkeit der Temperatur

Vorbei ist die schöne Zeit, wo man mit einer Regelung auskam, also z.B. Pulsweitenmodulation in Abhängigkeit der Ausgangsleistung. Mittlerweile greifen mehrere Regelungen ineinander.

Unabhängig vom Wirkungsgrad gibt es auch weitere Zusatzfunktionen, die moderne Netzteile aufweisen, z.B. Änderung der Ausgangsspannung über Poti, externer Spannung oder digitalem Bus, Regelung der Ausgangsspannung an einem Punkt außerhalb des Netzteils (remote control), Power Good / Fail, Angabe der Ausgangsleistung oder der „Restlaufzeit“.

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Glauben Sie, dass die Entwickler immer die nötige Mehrzeit zur Entwicklung all dieser komplexen Funktionen bekommen oder dass dies alles die Zuverlässigkeit erhöht? Bei allen genannten Punkten stellt sich die Frage: Wie sieht die Ausgangsspannung in den Grenzbereichen aus? Ein Netzteil soll grundsätzlich eine geregelte Ausgangsspannung liefern, und zwar im gesamten Eingangsspannungsbereich und von Null bis zur Maximallast.

Beispiele von gemessenen Kuriositäten in Standardnetzteilen

Bild 1: 12-V-Spannung eines Standard-Steckernetzteils bei Nulllast
Bild 1: 12-V-Spannung eines Standard-Steckernetzteils bei Nulllast
(Bild: IB Rehm)

Bild 1 zeigt die „geregelte“ 12-V-Spannung eines Standard-Steckernetzteils bei Nulllast. Die Ausgangsspannung schwankt im Sekundentakt zwischen 12,8V und 16,4 V.

Bild 2:  Die Ausgangsspannung variiert um 0,9V mit 3kHz und überlagerten 200kHz
Bild 2: Die Ausgangsspannung variiert um 0,9V mit 3kHz und überlagerten 200kHz
(Bild: IB Rehm)

Bild 2 zeigt die „geregelte“ 12-V-Ausgangsspannung eines Open-Frame-Netzteils bei halber Last. Die Ausgangsspannung variiert um 0,9V mit 3kHz und überlagerten 200kHz.

Bild 3:  Ausgangsspannung schwingt dauerhaft mit einem Hertz zwischen 11,5V und 16,3V
Bild 3: Ausgangsspannung schwingt dauerhaft mit einem Hertz zwischen 11,5V und 16,3V
(Bild: IB Rehm)

Bild 3 zeigt die „geregelte“ 12-V-Ausgangsspannung“ eines 150W Standardadapters bei 6A und einer Netzunterbrechung von einigen Sekunden. Direkt vor und nach der Unterbrechung ist die Ausgangsspannung wie spezifiziert, sieben Sekunden nach der Wiederkehr wird die Regelung plötzlich instabil und die Ausgangsspannung schwingt dauerhaft mit einem Hertz zwischen 11,5V und 16,3V. Auf Nachfrage hat der Hersteller gemeint, dass die Netzunterbrechung nicht normgerecht gewesen sei.

Bild 4:  Ab und zu bricht die Ausgangsspannung zwei Millisekunden lang auf 9V zusammen und kommt dann nach einem Überschwingen auf 13V wieder zurück
Bild 4: Ab und zu bricht die Ausgangsspannung zwei Millisekunden lang auf 9V zusammen und kommt dann nach einem Überschwingen auf 13V wieder zurück
(Bild: IB Rehm)

Bild 4 zeigt die „geregelte“ 12-V-Ausgangsspannung einer kundenspezifischen Stromversorgung mit spezifizierter Sprunglast (Der Laststrom ist die grüne Kurve unten). Zu 99% wird die Spezifikation erfüllt, aber ab und zu bricht die Ausgangsspannung zwei Millisekunden lang auf 9V zusammen und kommt dann nach einem Überschwingen auf 13V wieder zurück auf den Nominalwert.

Diese vier Extrembeispiele sind natürlich Ausnahmen, stammen aber alle aus Analysen der letzten Jahre für verschiedene Kunden. In den 20 Jahren davor hatte ich auf meinem Labortisch nie solche Fälle gesehen. Der Vollständigkeit sei noch erwähnt, dass elektronische Lasten natürlich auch eine Regelung haben. Deswegen müssen „seltsam vorkommende Messungen“ auch mit Leistungswiderständen überprüft werden. Es gibt dazu günstige, gut geeignete Leistungspotentiometer mit z.B. 40W, die man verwenden kann.

Für Sprunglasten verwende ich einen Funktionsgenerator, der über einen Mosfet einen Leistungswiderstand an die zu testende Spannung schaltet. Je nach benötigter Stromsteilheit muss ein Widerstand mit niedriger Induktivität verwendet werden (z.B. Dickfilm statt Draht) und eventuell noch ein Gatetreiber vor den Mosfet geschaltet werden.

Schlussendlich muss die Stromversorgung auch an der realen Last getestet werden. Ihr Gerät verhält sich nie so, wie Sie denken, und weitere Kuriositäten sind möglich.

Messen und Hinterfragen statt Glauben und Hoffen

Nehmen Sie sich ein paar Tage Zeit und beginnen Sie so früh wie möglich, Ihr vorgesehenes Netzteil zu testen. Messen Sie nicht einfach nur Maximallast mit Multimeter oder mit automatischen Testprozeduren. Schauen Sie genau hin mit Oszilloskop und Stromzange!

Verändern Sie Eingangsspannung und Last langsam. Dann finden Sie auch die Grenzbereiche, wo intern zwischen verschiedenen Modi umgeschaltet wird. Schalten Sie dort auch ein und aus. Meistens reicht es, erst mal nur ein Muster zu testen. Bei weiteren Mustern sind die Phänomene gleich, aber oft bei leicht anderen Bedingungen.

Leider gibt es Fälle, wo der Pegel der Effekte unterschiedlich ist. Es kam beispielsweise schon vor, dass beim ersten Muster die Spannung um akzeptable 0,6V einbricht, beim zweiten Muster aber um 1,0V, was einen Systemneustart zur Folge hatte. Deswegen sollte man diesbezüglich genug Marge vorsehen oder dem Phänomen auf den Grund gehen und den Worst-Case-Störpegel herausfinden.

Kältespray und Heißluftpistole sind dabei äußerst nützliche Hilfsmittel, weil man dadurch leicht die Eigenschaften der Bauteile beeinflussen kann ohne sie auszutauschen und schnell ein Gefühl für die Toleranzunterschiede bekommt.

Konsultieren Sie auch den Hersteller, damit Sie nicht zu viel Ihrer kostbaren Zeit investieren müssen. Wenn Sie Schwachstellen oder kuriose Effekte nicht akzeptieren können, dann muss sie der Hersteller beheben oder Sie müssen eine andere Stromversorgung auswählen. Handeln Sie rasch und bevor Ihr Gerät zugelassen wird. Richtig teuer wird es erst, wenn man die Ausfälle im Feld hat und die Kunden reklamieren.

Wenn alles gut ist dann kann man nur hoffen, dass die verschiedenen Zusatzfunktionen und Modi auch über die gesamte Lebensdauer gut zusammenspielen. Bei kritischen Anwendungen könnte man dafür weitere Tests anschließen.

Seminartipp: Zuverlässige Stromversorgungen Unter dem Motto „Zuverlässige Stromversorgungen: Mit Oszilloskop und Stromzange selber herausfinden, ob man ein zuverlässiges Netzteil hat“ finden im zweiten Halbjahr 2019 drei Praxisseminare mit dem Powerexperten Markus Rehm statt. Termine: 24.07. in München, 24.10. in Frankfurt am Main und 5.12. in Stuttgart: www.praxisseminar.de

Kennzahlen zur Zuverlässigkeit von Stromversorgungen sind irreführend und in der Praxis nicht aussagekräftig. Ein immenser Zeit- und Kostendruck führt auch bei Netzteil-Profis von renommierten Herstellern zu Entwicklungsfehlern. Feldausfälle sind die logische Konsequenz. Auch immer komplizierter werdende Konzepte für hohe Wirkungsgrade haben ihre Schwachstellen und können zu seltsamen Fehlfunktionen der nachfolgenden Schaltungen führen.

Die Teilnehmer lernen im Seminar anhand von vielen Praxisbeispielen, wie man mit Oszilloskop und Stromzange selber herausfinden kann, ob eine Stromversorgung zuverlässig entwickelt ist und wirklich für die eigene Anwendung passt. Zielsetzungen des Seminars sind:
  • Zuverlässige Netzteile und DC/DC Wandler für die eigene Anwendung finden
  • Analyse der realen Zuverlässigkeit und richtiges Messen
  • Falsche Bewertungskriterien vermeiden und Qualitätstest beim Hersteller beurteilen
  • Einblick in typische Entwicklungsfehler und praktikable Beseitigung der Schwachstellen
  • Effiziente Fehlersuche: Tipps und Tricks
Alle weitern Infos zum Praxisseminar und die jeweiligen Termine finden Sie unter www.praxisseminar.de

Über den Autor : Ein Professor, der aus der Praxis kommt

Prof. Markus Rehm arbeitete nach dem Studium der Elektronik und Regelungstechnik an der Hochschule Furtwangen acht Jahre lang bei der Deutschen Thomson Brandt als Forschungs- und Entwicklungsingenieur. Für Fernsehgeräte entwickelte er Schaltungen zur Erzeugung der Hochspannung und Ablenkung und weltweit die ersten verlustarmen und recycelbaren Netzteile. Für Videorekorder entwickelte er die ersten Schaltnetzteilkonzepte für weltweiten Einsatz, die jahrelang erfolgreich zig-millionenfach produziert wurden.

Seit 22 Jahren ist er freiberuflich tätig und bietet Kunden mit seinem Elektroniklabor Forschung, Entwicklung und Beratung als Dienstleistung an. Die Schwerpunkte seiner Arbeit bilden Zuverlässigkeit und EMV von Leistungselektronik, Fehlersuche in Systemen, Kosteneinsparung, Miniaturisierung, Wirkungsgraderhöhung sowie Entwicklung neuer Lösungen.

Markus Rehm ist anerkannter Experte für Leistungselektronik. Seine Erfahrungen reichen von Milliwatt bis Megawatt, zum Beispiel Null-Watt-Standby für PCs, 1-W-DC/DC-Wandler für Sensoren, 15-W-Wandler für Automobil und medizinische UV-Leuchten, 150-W-HF-Chirurgie-Geräte und Multiphasenwandler für Mikrocontroller, 300-W-Netzteile für Informationstechnologie, 1-kW-Stromversorgungen für PCs, 10-kW-Servocontroller, 250-kW-Batterieladegeräte für Bahnanwendungen und 1,8-MW-Traktionsstromrichter. Eine weitere Spezialität ist Reverse Engineering zur Aufdeckung von Patentverletzungen.

Seit zehn Jahren forscht Markus Rehm eigenständig auf dem Gebiet der kontaktlosen Energieübertragung und 2012 hat er erstmals sein neues Konzept „uniWP“ mit großem Wirkungsgrad und hoher Dynamik für lose Kopplung vorgestellt. Er hält über 25 internationale Patente, die erfolgreich im Einsatz sind, und hat einige nationale und internationale Auszeichnungen für seinen Ideenreichtum bekommen.

Seit 2008 lehrt er als Dozent an der Hochschule Furtwangen University Industrie- und Leistungselektronik, wo er 2019 zum Honorarprofessor ernannt wurde. Seit 2012 hat er über 30 Vorträge auf nationalen und internationalen Kongressen gehalten und seit 2017 gibt er Tagesseminare über zuverlässige Stromversorgungen im Auftrag von ELEKTRONIKPRAXIS, Vogel Communications Group.

Tipp der Redaktion: Markus Rehm ist regelmäßig Sprecher auf dem Power-Kongress in Würzburg. Falls Sie ebenfalls dort referieren oder teilnehmen wollen, dann finden Sie hier den Call for Paper und alle weiteren Infos: www.power-kongress.de.

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