Jugend forscht: Sperrwandler für den Umweltschutz

Von Sofia Mik und Jan Reckermann *

Die zu einem Akku zusammengeschalteten Zellen sind keineswegs alle gleich. Deshalb sind effiziente Batteriemanagementsysteme unverzichtbar, die die Unterschiede ausgleichen.

Haben ein hoch effizientes Batterie-Management-System entwickelt: die Schüler Jan Reckermann (links) und Sofia Mik waren damit bei Jugend forscht erfolgreich.
Haben ein hoch effizientes Batterie-Management-System entwickelt: die Schüler Jan Reckermann (links) und Sofia Mik waren damit bei Jugend forscht erfolgreich.
(Bild: Sofia Mik/Jan Reckermann, SFZ Südwürttemberg)

Wie alle anderen Akkus altern auch die Akkus von Elektroautos oder Heimspeichern. Diese sind mit einem Preis von 150 €/kWh [1] (beispielsweise bei einem Porsche Taycan mit 93 kWh [2], also ca. 14000 €), jedoch sehr teuer. Da der Akku eines Elektroautos lange verwendet werden soll, was bei stetig sinkender Leistung schwer möglich ist, ist die Zellalterung hier besonders schwerwiegend.

Diese Leistungsverringerung ergibt sich zum Teil daraus, dass in Batterien moderner Elektroautos oft mehr als 100 Zellen in Reihe geschaltet werden. Dies wird gemacht, um bei der Zellspannung eines Lithium-Ionen-Akkus von 3,6 V eine erhöhte Spannung zu erreichen, durch welche ein Betrieb bei geringeren Strömen möglich wird. Das Problem dabei ist, dass selbst zwei baugleiche Zellen des Akkus keine identischen Parameter wie Spannung, Kapazität oder Innenwiderstand aufweisen, wodurch sie unterschiedlich leistungsstark und somit auch langlebig sind.

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Durch unterschiedliche Temperaturverhältnisse im Auto altern die Zellen ebenfalls unterschiedlich schnell. Dabei bestimmt die schwächste Zelle mit der entsprechend geringsten Kapazität die Gesamtleistung der Reihenschaltung. Das führt dazu, dass die Restkapazität der schwächsten der anderen Zellen, also die Differenzen zur Kapazität schwächsten Zelle, ungenutzt verbleiben. Diese, bei einem neuen Akku noch minimalen Kapazitätsunterschiede werden aufgrund der Zellalterung im Laufe der Zeit immer größer, wodurch sich schließlich die Gesamtleistung des Akkus deutlich verringert.

Zudem erzeugt die Alterung der Zellen einen erhöhten Innenwiderstand, der durch die ansteigende Verlustleistung auch zu einer Temperaturerhöhung führt. Die Erhöhung beschleunigt den Alterungsprozess der ohnehin schlechteren Zellen wiederum weiter. Des Weiteren werden die schwachen Zellen der Schaltung durch besonders umfangreiches Be- und Entladen besonders belastet, was zusätzlich zu einer schnelleren Alterung führt, wodurch ein Teufelskreis entsteht, bei dem die schon schlechteren Zellen noch schneller schwächer werden. Daraus ergeben sich nicht nur hohe Kosten, sondern es werden auch viele wertvolle Ressourcen verbraucht, was in Zeiten der rapide wachsenden Relevanz der Elektromobilität fatale Folgen für die Umwelt hat.

Die HBM-Lösungen

Um genau diesem Problem entgegenzuwirken, haben Sofia Mik und Jan Reckermann aus der elften Klasse in Tuttlingen an einer Lösung gearbeitet, dem sogenannten HBM-Konzept, das in Bild 1 zu sehen ist. Und so funktioniert es: Ein zusätzlicher Energiespeicher, z.B. in Form von einer Zusatzzelle, wird genutzt, um die einzelnen Zellen der Reihenschaltung (1) individuell und beliebig stark zu unterstützen um somit wieder die ganze Kapazität einer Reihenschaltung nutzbar zu machen. Die Unterstützung einzelner Batteriezellen sorgt dabei dafür, dass wieder alle Zellen gleich lang entladen werden können. Dafür werden zunächst die einzelnen Zellen der Reihenschaltung permanent ausgemessen (2), es wird also die Spannung und Stromstärke jeder einzelnen Zelle ermittelt. Daraufhin wird mithilfe des Optimierungsalgorithmus (3) berechnet, wie stark jede Zelle unterstützt werden muss, damit alle Batteriezellen so unterstützt werden, dass sie zeitgleich entladen sind. Über die HBM-Platine (4) wird nun die berechnete Energiemenge von dem zusätzlichen Energiespeicher (5) in die entsprechenden Zellen der Reihenschaltung umgeladen (6). Damit ist die volle Leistungskapazität aller Zellen über die gesamte Lebensdauer gewährleistet, was den gesamten Akku länger nutzbar macht und die Reichweite, von zum Beispiel Elektrofahrzeugen, erhöht.

Umsetzung

Um das HBM-System zu realisieren, muss es möglich sein, von der Zusatzzelle in jede Batteriezelle der Reihenschaltung (RS-Zelle) unterschiedlich viel Energie zu übertragen. Das Problem dabei ist, dass sich in einer Reihenschaltung die unterschiedlichen Spannungen aufaddieren und somit jede Zelle auf einem anderen Potenzial liegt. Zur Übertragung der Energie werden daher Sperrwandler verwendet. Das Blockschaltbild dazu ist in Bild 2 zu sehen. Dabei gibt es für alle Akkus der Reihenschaltung eigene Sperrwandler, die jedoch alle eine gemeinsame Primärseite haben, da sie alle Strom von derselben Zusatzzelle bekommen. Der Schaltplan eines solchen Sperrwandlers ist in Bild 3 zu sehen.

Da jede Zelle abhängig von ihrer Restkapazität beliebig stark unterstützt werden muss, wird der MOSFET jedes Sperrwandlers mit einem separaten PWM-Signal (M1-M4) gesteuert. Um zu ermitteln wie stark die Zellen unterstützt werden müssen, werden die einzelnen Zellspannungen verglichen. Dies genügt, da die Zellspannung mit abnehmender Kapazität ebenfalls abnimmt. Aus Sicherheitsgrüunden werden bereits in jedem Elektrofahrzeug die Spannungen der einzelnen Zellen strengstens überwacht (Mess-IC/Demoboard), weshalb diese Daten einfach direkt weiterverarbeitet werden können. Da die Last des Verbrauchers nicht bekannt ist, wird der Strom in der Reihenschaltung gemessen. Eine solche Strommessung ist aber meist auch schon in einem Fahrzeug integriert. Damit die Gesamtunterstützung überwacht werden kann, muss auch der Strom in der Zusatzzelle gemessen werden, wodurch gewährleistet wird, dass die Zusatzzelle nicht vor den RS-Zellen entladen ist. Zuletzt wird der Strom der gesamten Reihenschaltung gemessen (Bild 2: Hall).

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Bei dem Laden der Reihenschaltung muss es ebenfalls möglich sein, Zellen zu unterstützen, da hier die Zellen mit einer geringeren Kapazität schneller beladen sind. Bei herkömmlichen Systemen muss somit der Ladeprozess gestoppt werden, sobald die schwächste Zelle voll ist. Auch wenn die anderen Zellen noch nicht vollständig geladen sind, wodurch die Reihenschaltung nicht vollständig geladen sind, wodurch die Reihenschaltung nicht vollständig beladen werden kann.

Beim Laden müssen deshalb die Zellen mit der größten Kapazität am stärksten unterstützt werden. Parallel dazu wird die Zusatzzelle beim Laden der Reihenschaltung mitgeladen, wozu ein zusätzlicher Sperrwandler verbaut ist. Dieser wird über einen Isolated-UART angesteuert, was den Vorteil hat, dass das HBM-Board komplett von der Hochvoltseite getrennt ist.

Der Algorithmus

Der Algorithmus unterstützt alle Zellen nach Bedarf beliebig stark. Nach einem Setup werden die Spannungen und Stromstärken aller Zellen sekündlich ermittelt und sowohl die Spannungen als auch die Ströme gemittelt. Somit können geringfügige Messungenauigkeiten ausgeglichen werden, da Zellen selbst in einem stetigen Prozess entladen werden. Anschließend wird die Spannung jeder RS-Zelle (Ui) mit der Spannung der Unterstützerzelle (Uu) verglichen, denn nur die RS-Zellen mit geringerer Spannung als die der Zusatzzelle sollen unterstützt werden. Anderenfalls würde die Unterstützerzelle schneller leer werden, als die Zellen der Reihenschaltung. Die RS-Zellen, die stärker als die Unterstützerzelle sind, haben also einen Unterstützeranteil(i) von 0. Die Spannungsdifferenzen der übrigen Zellen werden quadriert um die prozentualen Unterschiede zwischen den Zellen zu vergrößern und zu einem Divisor aufaddiert. Mit der Formel Anteil(i) = (Uu – Ui)2/Divisor wird der Unterstützanteil für jede dieser Zellen bestimmt. Anschließend werden die verschiedenen Duty Cycles so verschoben, dass sie alle hintereinander ablaufen. Das hat den großen Vorteil, dass die Zusatzzelle gleichmäßiger belastet wird, da sie über den gesamten Zyklus hinweg stets zu einem Zeitpunkt Energie an eine einzige Zelle übergibt. Mit diesem Algorithmus wird folglich pro Zyklus (20 kHz entspricht 50 µs) jede Zelle kontinuierlich und bedarfsgerecht unterstützt, sofern diese eine geringere Nennspannung, und somit auch weniger Kapazität, als die Unterstützerzelle hat.

Erste Tests

Um das gesamte HBM-System zu testen und exemplarisch seine Effektivität nachzuweisen, wurden Messungen durchgeführt. Dazu wurden vier baugleiche, aber schon unterschiedlich stark belastete Batteriezellen in Reihe geschaltet, wobei sowohl die Zusatzzelle als auch die RS-Zellen eine Nennkapazität von 3 Ah haben.

Alle Zellen wurden für die Messungen immer ganz vollgeladen. In Bild 5 ist der Spannungsverlauf der unterschiedlichen Zellen ohne Unterstützung (links) und mit Unterstützung durch das HBM-Board (rechts) zu sehen, während sie von einem Verbraucher entladen wurden.

Ohne Unterstützung muss der Entladeprozess nach einer knappen Stunde abgebrochen werden, da die schwächste Zelle (Zelle 1, rot) bereits die minimale Spannung von 3 V erreicht hat. Auch Zelle 2 (blau) ist deutlich schlechter als Zelle 3 und 4 (grün, violett), die man somit noch deutlich länger entladen könnte. Ihre Restkapazität verbleibt ungenutzt im System.

Bei der Messung mit Unterstützung (rechts) wird eben diese Kapazität durch die Zusatzzelle nutzbar gemacht. Daher kann die Schaltung mehr als drei Stunden betrieben werden. Es ist zu erkennen, dass die einzelnen Zellspannungen fast bis zum Ende der Messung durch die Zusatzzelle perfekt auf einem Niveau gehalten wurden, weshalb alle Zellen, inklusive der Zusatzzelle, fast vollständig entladen werden konnten. Die zusätzlich nutzbare Kapazität spiegelt sich in einem Elektrofahrzeug in der deutlichen Erhöhung der Reichweite wieder. Diese Konfiguration stellt jedoch ein Extremtest dar, da die Zellen in der Reihenschaltung eines Autos nicht so stark auseinander laufen. Der erzielte Effekt des Systems ist vielmehr, dass auch bei fortgeschrittener Lebensdauer noch mehr Kapazität der Reihenschaltung genutzt werden kann.

Fazit

Mit dem HBM-System konnte eine Möglichkeit gefunden werden, einzelne Zellen einer Reihenschaltung individuell und intelligent zu unterstützen. Dadurch wird die gesamte nutzbare Kapazität eines Akkusystems, wie es beispielsweise in Elektrofahrzeugen eingesetzt wird, deutlich erhöht, was eine Erweiterung der Reichweite mit sich bringt. Gleichzeitig wird die Belastung der schwächeren Zellen einer Reihenschaltung minimiert, was auch zu einer deutlichen Erhöhung der Lebensdauer eines solchen Akkusystems führt. Zudem ist die Reihenschaltung auch bei fortgeschrittener Zellalterung leistungsfähiger, was die Lebensdauer zusätzlich erhöht.

Durch die effektive Nutzung der vorhandenen Akkukapazität können nicht nur wertvolle Ressourcen eingespart und die Umweltbelastung gesenkt werden. Auch ein deutlicher Kostenvorteil ist mit dem System erreichbar. Bei einer konservativ geschätzten Verlängerung der Lebenszeit eines Akkusystems können bei Elektrofahrzeugen mehrere Tausend Euro eingespart werden. Dem gegenüber stehen die Kosten des HBM-Systems, die sich auf wenige Euro pro zu unterstützender Zelle belaufen. Bei heutigen Akkusystemen entsteht zudem ein Ausstoß von 146 kg Kohlenstoffdioxid pro produzierter Kilowattstunde Speicherkapazität [3], somit lasst sich auch deutlich einsparen.

Quellenhinweise:

[1] „Statista 2019: Weltweite Preisentwicklung für Lithium-Ionen-Batterien von 2013 bis 2022”, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/534429/umfrage/weltweite-preise-fuer-lithium-ionen-akkus/ (13.12.19)

[2] „Porsche Taycan”, https://de.wikipedia.org/wiki/Porsche_Taycan (05.01.2020)

[3] „CO2-Abdruck von E-Auto-Akkus”, https://winfuture.de/news,112748.html (05.01.2020)

* Sofia Mik besucht das Gymnasium Spaichingen,

* Jan Reckermann das Immanuel-Kant-Gymnasium in Tuttlingen.

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