Harnstoffmoleküle erhöhen Kondensatorkapazität um 50 Prozent

Von Ina Helms *

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Eine neue Materialklasse kann elektrische Energie sehr schnell speichern. Es handelt sich um zweidimensionale Titankarbide, so genannte MXene.

Durch Röntgenanalysen zeigen sich Veränderungen in der chemischen Struktur im Vergleich von reinen  MXene (mitte) und MXene mit zwischengelagertem Harnstoff (rechts).
Durch Röntgenanalysen zeigen sich Veränderungen in der chemischen Struktur im Vergleich von reinen MXene (mitte) und MXene mit zwischengelagertem Harnstoff (rechts).
(Bild: HZB/Martin Künsting)

Wie eine Batterie speichern MXene durch elektrochemische Reaktionen große Mengen elektrischer Energie – aber im Gegensatz zu Batterien können sie in Sekundenschnelle geladen und entladen werden. In Zusammenarbeit mit der Drexel-Universität hat ein Team am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) gezeigt, dass die Einlagerung von Harnstoffmolekülen zwischen den MXene-Schichten die Kapazität solcher „Pseudokondensatoren“ um mehr als 50% erhöhen kann. Am Elektronenspeicherring BESSY II des HZB haben sie analysiert, welche Veränderungen der MXene-Oberflächenchemie nach der Harnstoffeinlagerung dafür verantwortlich sind.

Um elektrische Energie zu speichern, gibt es unterschiedliche Lösungen: Elektrochemische Batterien auf Lithium-Basis speichern große Energiemengen, benötigen aber lange Ladezeiten. Superkondensatoren hingegen können elektrische Energie extrem schnell aufnehmen oder abgeben – speichern aber wesentlich weniger elektrische Energie.

Pseudokondensatoren aus MXene

Eine weitere Option ist seit 2011 in Sicht: An der Drexel University, USA, wurde eine neue Klasse von 2D-Materialien entdeckt, die enorme Ladungsmengen speichern können. Es handelt sich um so genannte MXene, Nanoblätter aus Ti3C2Tx -Molekülen, die ähnlich wie Graphen ein zweidimensionales Netzwerk bilden. Während Titan (Ti) und Kohlenstoff (C) Elemente sind, bezeichnet Tx verschiedene chemische Gruppen, die die Oberfläche versiegeln, zum Beispiel OH-Gruppen. MXene sind hochleitfähige Materialien mit hydrophiler Oberfläche. In Wasser bilden sie Dispersionen, die an schwarze Tinte erinnern.

Ti3C2Tx kann so viel Energie speichern wie eine Batterie, kann aber innerhalb von Zehntelsekunden geladen oder entladen werden. Während ähnlich schnelle (oder schnellere) Superkondensatoren ihre Energie durch elektrostatische Adsorption von elektrischen Ladungen absorbieren, wird die Energie in MXenen in chemischen Bindungen an ihren Oberflächen gespeichert. Diese Art der Energiespeicherung ist viel effizienter.

Weiches Röntgenlicht zeigt, was passiert

In Zusammenarbeit mit der Gruppe um Yuri Gogotsi an der Drexel-Universität haben die HZB-Wissenschaftler Dr. Tristan Petit und Ameer Al-Temimy nun erstmals weiche Röntgenabsorptionsspektroskopie an BESSY II genutzt, um MXene-Proben an den Experimentierstationen LiXEdrom und X-PEEM zu untersuchen. Sie konnten die chemische Umgebung von MXene-Oberflächengruppen im Vakuum, aber auch direkt in Wasserumgebung analysieren. Sie untersuchten Proben aus reinen MXenen und aus MXenen mit eingelagerten Harnstoffmolekülen und fanden dramatische Unterschiede.

Harnstoff erhöht die Kapazität

Das Vorhandensein von Harnstoffmolekülen verändert die elektrochemischen Eigenschaften von MXenen signifikant. Die Flächenkapazität erhöhte sich auf 1100 mF/cm2, was 56% höher ist als bei ähnlich präparierten reinen Ti3C2Tx -Elektroden.

Die XAS-Analysen bei BESSY II zeigten, dass sich die Oberflächenchemie durch die Anwesenheit der Harnstoffmoleküle verändert. „Am X-PEEM konnten wir auch den Oxidationszustand der Ti-Atome auf den Ti3C2Tx -Oberflächen beobachten. Dieser Oxidationszustand erhöhte sich durch die Anwesenheit von Harnstoff, was die Speicherung von mehr Energie erleichtern könnte“, erklärt Ameer Al-Temimy, der die Messungen im Rahmen seiner Doktorarbeit durchführte.

Elektronenspeicherring BESSY II erzeugt helles Licht für die Energie- und Materialforschung

BESSY II ist eine Synchrotronstrahlungsquelle der dritten Generation, die extrem brillantes Röntgenlicht erzeugt. Dieses Licht können Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt für ihre Experimente nutzen. BESSY II ist ein universelles Werkzeug, um ganz verschiedene Proben zu untersuchen, zum Beispiel Solarzellen, Materialien für die solare Wasserstofferzeugung und Quantenmaterialen. Aber auch Proteine für die Entwicklung neuer Wirkstoffe, Meteoriten und archäologische Funde können mit dem weichen Röntgenlicht von BESSY II untersucht werden.

BESSY II - Mehr Licht für die Forschung: Am Standort Adlershof betreibt das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie den Elektronenspeicherring BESSY II. Er erzeugt helle Röntgenblitze, mit denen sich Prozesse in Materialien analysieren lassen.
BESSY II - Mehr Licht für die Forschung: Am Standort Adlershof betreibt das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie den Elektronenspeicherring BESSY II. Er erzeugt helle Röntgenblitze, mit denen sich Prozesse in Materialien analysieren lassen.
(Bild: HZB)

BESSY II ist das Weichröntgen-Synchrotron in Deutschland

BESSY II ist mit seinem Schwerpunkt auf der weichen Röntgenstrahlung einzigartig in Deutschland. Die Anlage ist komplementär zu PETRA III am DESY in Hamburg, das das harte Röntgenspektrum bedient. Mehr als 1400 Gastforschende nutzen pro Jahr BESSY II und schätzen die hohe Zuverlässigkeit und Stabilität der Photonenquelle. Die Nutzerinnen und Nutzer können an zirka 50 Strahlrohren arbeiten, an denen modernste Spektroskopie- und Mikroskopie-Methoden zur Verfügung stehen. International genießt BESSY II für seine Methodenentwicklung einen ausgezeichneten Ruf.

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* Dr. Ina Helms ist Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Helmholtz-Zentrum Berlin.

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