Energy Harvesting: Hauchdünner 2D-Gleichrichter wandelt Funkwellen in Strom

Michael Eckstein

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Mini-Atomkraftwerk nicht nur fürs IoT: Neuartige „Rectennas“ produzieren elektrische Energie aus allgegenwärtigen elektromagnetischen HF-Funkwellen. Kernelement ist ein nur drei Atomlagen dünner Schottky-Gleichrichter. Die Energy Harvester könnten Batterien in vielen Low-Power-Anwendungen obsolet machen. Und großflächig eingesetzt sogar als Ladestation dienen.

Strahlungswandler: Der nur drei Atomlagen dünne Halbleiter fungiert als Gleichrichter in der neuartigen Rectenna des MIT - und ermöglicht neue Formen des Energy Harvesting.
Strahlungswandler: Der nur drei Atomlagen dünne Halbleiter fungiert als Gleichrichter in der neuartigen Rectenna des MIT - und ermöglicht neue Formen des Energy Harvesting.
(Bild: MIT/Christine Daniloff)

Rectennas, kurz für „Rectifying Antenna“, nennt die Fachwelt Geräte, die elektromagnetische Funkwellen in Gleichstrom umwandeln. Je nach genutztem Frequenzbereich können sie klein und auch dünn ausfallen und beispielsweise flexible elektronische Schaltungen per Energy Harvesting mit Energie versorgen. Eine etwas mehr als briefmarkengroße derartige Lösung für Tracking-Anwendungen im Internet of Things (IoT) hat das israelische Start-Up Wiliot vor einigen Tagen vorgestellt.

Nun legen Forscher des Massachusetts Institute of Technology, kurz MIT, nach: Sie haben eine Rectenna entwickelt und diese mit einem hochflexiblen, zweidimensionalen Halbleitermaterial verbunden. Dieses Material ist nur wenige Atomschichten dünn und agiert als Gleichrichter. Das von der Antenne erfasste Wechselsignal gelangt unmittelbar in den Halbleiter, der es in eine Gleichspannung umwandelt.

In Experimenten erzeugte die MIT-Rectenna rund 40 Mikrowatt Leistung, wenn es typischen Leistungspegeln von Wi-Fi-Signalen von etwa 150 Mikrowatt ausgesetzt war. Das ist ausreichend Energie, um beispielsweise eine LED zum Leuchten zu bringen – oder sparsame Controller zu versorgen. Großflächig eingesetzt, ließen sich auch Batterien mithilfe des Konverters aufladen.

Silizium und Galliumarsenid sind zu starr und zu teuer

Bisherige Rectennas verwenden entweder Silizium (Si) oder Galliumarsenid (GaAs) für den Gleichrichter. Nachteil: Das Material ist starr und sehr empfindlich. Hinzu kommt, dass eine großflächige Verwendung von Si oder GaA kostspielig wäre. Tomás Palacios denkt dabei etwa an Hausfassaden. Der Professor am EECS und Direktor des MIT/MTL Center for Graphene Devices and 2D Systems in den Labs der Mikrosystemtechnik hat gerade einen Bericht über die neue Technik im Fachmagazin Nature veröffentlicht.

Wissenschaftler würden schon seit langem versuchen, diese Probleme zu lösen. Aber die wenigen flexiblen Rectennas, die bisher entwickelt wurden, arbeiten in niedrigen Frequenzbereichen. Frequenzen im hochfrequenten Gigahertzbereich allgegenwärtiger Mobilfunk- und WLAN-Signale können sie nicht erfassen und konvertieren.

Drei Atomlagen dünne Schottky-Diode als Gleichrichter

Für den Bau ihres Gleichrichters verwenden die Forscher ein neuartiges 2D-Material mit der Bezeichnung Molybdändisulfid (MoS2). Mit einer Schichtdicke von nur drei Atomen ist es einer der dünnsten Halbleiter der Welt. Das Team nutzt für seine Energy-Harvesting-Lösung ein einzigartiges Verhalten von MoS2: Unter Einwirkung bestimmter Chemikalien ordnen sich die Atome des Materials in einer Weise neu an, die wie ein Schalter wirkt und einen Phasenübergang von einem Halbleiter zu einem metallischen Material erzwingt. Die resultierende Struktur ist eine Verbindung eines Halbleiters mit einem Metall und wird in der Elektronik als Schottky-Diode bezeichnet.

„Wir haben MoS2 in einen 2D-Halbleiter-Metall-Phasenübergang überführt“, sagt Erstautor der Studie und EECS-Postdoc Xu Zhang, der bald als Assistenzprofessor an die Carnegie Mellon University wechseln wird. So sei eine atomar dünne, ultraschnelle Schottky-Diode mit extrem geringen Reihenwiderstand und minimaler parasitärer Kapazität entstanden.

Parasitäre Kapazitäten speichern geringe elektrische Ladungen und können elektronische Schaltungen verlangsamen. Je kleiner dieser unerwünschte Ladungsspeicher ist, desto schneller kann beispielsweise ein Gleichrichter arbeiten. Sprich: Er erreicht höhere Betriebsfrequenzen. Nach Angaben der MIT-Forscher ist die parasitäre Kapazität der hauchdünnen Schottky-Diode um eine Größenordnung kleiner als die von aktuellen Gleichrichtern. Sie könne Funksignale mit bis zu 10 GHz erfassen und umwandeln, erklärt Zhang: „Mit unserem Design ist der Aufbau flexibler Produkte möglich.“ Diese könnten die meisten der von unserer Alltagselektronik verwendeten Hochfrequenzbänder abdecken, „einschließlich Wi-Fi, Bluetooth, Mobilfunk-LTE und viele andere“.

Hauswände, Brückenpfeiler und Autobahnen als Stromlieferanten

Die jetzige Rectenna der MIT-Forscher ist auf den Frequenzbereich von Wi-Fi-Signalen abgestimmt, also 2,4 GHz. Per „Roll-to-Roll“-Fertigung sollen sich auch sehr große Flächen damit bestücken lassen. Mit der Fläche nimmt auch die Stromausbeute zu. Tomás Palacios sieht etliche Anwendungsmöglichkeiten für die Technik: „Wir könnten elektronische Systeme entwickeln, die wir um eine Brücke wickeln oder die eine ganze Autobahn abdecken. Oder die Wände unseres Büros.“

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Die Generatorfolien könnten Energie beispielsweise für intelligente Edge-Devices bereitstellen und diese so von ihrem heute quasi unvermeidlichen Batteriezwang befreien. Palacios würde die beispielsweise aus WLAN-Signalen gewonnene Energie etwa gerne dafür nutzen, „um jedem Objekt um uns herum Intelligenz zu verleihen.“

Eine vielversprechende Anwendung für die Rectenna würde auch die Stromversorgung von flexibler und tragbarer Elektronik, medizinischen Geräten und Sensoren für das IoT sein. „Flexible Smartphones zum Beispiel sind ein heißer neuer Markt für große Technologieunternehmen“, sagt Palacios.

„Eine weitere mögliche Anwendung ist die Datenkommunikation von implantierbaren medizinischen Geräten“, ist Co-Autor Jesús Grajal überzeugt, Forscher. Denkbar seien Pillen, die von den Patienten geschluckt werden und Gesundheitsdaten die an einen Computer zur Diagnose übertragen, erklärt der an der Technischen Universität Madrid tätige Wissenschaftler. Batterien zur Versorgung dieser Systeme seien denkbar ungeeignet. „Denn wenn diese Lithium verlieren, könnte der Patient sterben“, sagt Grajal. Daher sei es viel besser, Energie aus der Umwelt zu gewinnen.

Beim Wirkungsgrad ist noch Luft nach oben

Abhängig von der eintreffenden Wi-Fi-Leistung erreicht die derzeitige Rectenna laut den MIT-Forschern einen maximalen Wirkungsgrad von gut 40 %. Bei typischen Leistungspegeln soll der MoS2-Gleichrichter etwa 30 % Wirkungsgrad haben. Zum Vergleich: Aktuelle Rectennas aus starrem und teurerem Silizium oder Galliumarsenid schaffen etwa 50 bis 60 %.

Das Team, zu dem weitere 15 Co-Autoren vom MIT, der Technischen Universität Madrid, dem Army Research Laboratory, der Charles III University of Madrid, der Boston University und der University of Southern California zählen, will jetzt komplexere Systeme entwickeln und deren Effizienz verbessern. Weitere Entwürfe für flexible „Wi-Fi-to-Electricity“-Geräte mit hoher Leistung und Effizienz gibt es bereits.

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