Leistungselektronik für die Energiewende Energiewende: ein Drama oder gar ein Dilemma?
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Wide-Bandgap-Leistungshalbleiter, aktuell Galliumnitrid (GaN) und Siliziumkarbid (SiC), erobern zunehmend anspruchsvolle Anwendungen. Etwa in Photovoltaik-Wechselrichtern zeigen sie ein immenses Leistungspotential. Die Forschung läuft auf Hochtoren, um letzte Hürden, etwa zur Zuverlässigkeit und Robustheit, zu nehmen.

Vorweggenommen: Ob aller Fortschritte und Vorteile von WBG-Leistungshalbleitern bleiben Power Devices auf Siliziumbasis weiterhin die treibende Kraft in der Leistungselektronik. Mehr noch: Das Optimale Ergebnis basiert oft auf einem Kompromiss. Dazu erklärte Uwe Kirchner, Senior Concept Engineer bei Infineon auf dem Entwicklerforum der ELEKTRONIKPRAXIS: „Jedes der Materialien hat Vor- und Nachteile, die physikalisch bedingt sind. Sie zu kennen und zu nutzen, erlaubt die Differenzierung hinsichtlich Wirkungsgrad und Leistungsdichte. Doch die Nutzung der Technologie ist abhängig von der jeweiligen Topologie. Die Gründe belegte Kirchner am Beispiel einer Technologie-Positionierung mit Si-IGBT, Si-SJ-MOSFET, SiC-MOSFET und GaN-HEMT für elektrische Antriebe in der Industrie. GaN & SiC sind in der Lage, die Leistungsdichte und den Wirkungsgrad insbesondere in DC/DC-Stufen zu erhöhen. Gemischte Technologien können EMI verbessern und in der Entwurfsphase helfen. Silizium bleibt weiterhin die preiswerteste Technologie, während Sic & GaN bis 2024 nahe beieinander liegen.“
Der Nutzen von SiC Devices in PV-Anlagen
Die Photovoltaik (PV) gewinnt eine immer größere Bedeutung für eine nachhaltige, bezahlbare und seit dem Ukraine-Krieg auch sichere Energieversorgung. Bevor aus Sonnenenergie Strom für elektrische Geräte wird, müssen PV-Wechselrichter für die Anpassung sorgen. Diese wandeln den Gleichstrom von Solarmodulen in Wechselstrom um und speisen ihn in das Niederspannungsnetz ein. 50-Hz-Transformatoren sorgen dann für die Kopplung an das regionale Mittelspannungsnetz.
Forscher des Fraunhofer ISE konnten letztes Jahr im Rahmen des Projekts „SiC-MSBat“ zusammen mit Partnern einen kompakten Wechselrichter mit einem Wirkungsgrad von 98,4% zur direkten Einspeisung in das Mittelspannungsnetz in Betrieb nehmen.
Leistungstransistoren aus Siliziumkarbid mit sehr hohen Sperrspannungen (3,3 kV) spielten dabei die Hauptrolle. Sie arbeiten mit wesentlich geringeren Verlustleistungen als ihre Pendants aus Silizium und erlauben so eine Taktung des Wechselrichterstacks mit einer Schaltfrequenz von 16 kHz. Der Vorteil: Einsparungen bei passiven Bauelementen, da diese kleiner dimensioniert werden können. Gleichzeitig sind SiC-Wechselrichter durch ihre hohe Regeldynamik in der Lage netzstabilisierende Aufgaben zu übernehmen, um etwa als Filter Oberwellen im Mittelspannungsnetz zu kompensieren. Und nicht zuletzt fördern die viel höheren Leistungsdichten einen kompakten Aufbau.
Wer allerdings aktuell „Energiespar“-Chips bestellt, braucht Geduld, denn die Fabriken sind bis weit ins nächste Jahr hinein ausgebucht. Branchen-Analyst Yole Développement erwartet bis 2027 bei SiC-Bauelementen einen Umsatz von 6,3 Mrd. US-Dollar.
Nachzügler Galliumnitrid auf Überholspur
Nicht ganz so schnell voran kommt Galliumnitrid (GaN). Yole zufolge soll aber bis 2026 der GaN-Power-Markt immerhin erstmals das Volumen von 1 Mrd. US-Dollar übersteigen. Noch sind die Haupttreiber Stromversorgungen im Konsumsegment beispielsweise die Schnelllader für Smartphones. Die Analysten gehen jedoch davon aus, dass GaN-Transistoren in Zukunft auch in Wechselrichtern, Elektrofahrzeugen oder in der Industrie eine zunehmend wichtige Rolle spielen werden. Noch rangiere dieses WBG-Material hinsichtlich Kosten, Liefersicherheit und Stückzahlen hinter SiC. Weltweit arbeiten deshalb Wissenschaftler intensiv daran bestehende Hindernisse zu beseitigen.
Daher forschten unter der Leitung von Infineon Technologies Austria 26 Partnerfirmen aus neun Ländern im europäischen Projekt UltimateGaN (Projektende war April 2022, Kosten etwa 48 Mio. €) an entsprechenden Verfahren, um GaN-Chips in hoher Qualität und zu global wettbewerbsfähigen Kosten herzustellen.
GaN-Power Devices für die Photovoltaik
Mit den geeigneten Bauelementen soll nun das vom Bundeswirtschaftsministerium finanzierte Verbundforschungsvorhaben „GaN-HighPower“ (Laufzeit 01.05.2021 bis 30.04.2024) die nächste Generation kostengünstiger, ressourcenschonender und effizienter Stromrichter für Photovoltaik-Anwendungen erproben. Der Fokus liegt dabei auf String-Wechselrichtern mit größerer Leistung im Bereich über 100 kVA. Diese wandeln den photovoltaisch erzeugten Strom eines Stranges von in Reihe geschalteten PV-Modulen um. Zum Einsatz kommen Galliumnitrid-Halbleitermodule von Infineon zusammen mit stark verbesserten induktiven Bauelementen und Stromsensoren.
Die Charakterisierung der Infineon-Module geschieht an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS). Mit der Kenntnis des genauen Schaltverhaltens lassen sich dann die Gate-Treiber auf das Halbleitermodul abstimmen. Entwurf und Simulation der angepassten Gate-Treiber sowie die dazugehörige Spannungsversorgung und Auslegung des DC-Zwischenkreises gehören ebenso zu den Aufgaben der H-BRS. Besondere Anforderungen an die Ansteuerelektronik stellen dabei die schnellen Schalttransienten der Halbleitermodule dar.
Das Fraunhofer IEE geht in diesem Projekt der Frage nach, wie sich die neu entwickelten Bauteile in das Gesamtsystem eines PV-Wechselrichters integrieren lassen und welche Anforderungen sich aus der Kombination hoher Leistungen mit hohen Schaltfrequenzen ergeben.
Die Vacuumschmelze ergänzt diese schnellen und effizienten Halbleiter durch optimierte magnetische Bauteile sowie Stromsensoren, die zu einem wesentlichen Teil der Gewichtsreduktion beitragen werden. Dr. Simon Sawatzki, Entwicklung Induktive Bauelemente bei VAC, konstatiert: „Eine erfolgreiche Gewichts- und Volumenreduzierung wird durch neuartige, gekoppelte Induktivitäten aus niederpermeablen, nanokristallinen Ringbandkernen erreicht, die deutlich kompakter und verlustärmer als konventionelle Lösungen sind. Ein weiterer Aspekt ist die Entwicklung von breitbandigen Closed-Loop Stromsensoren, die auch im hohen Frequenzbereich der GaN-Halbleiter den Strom messtechnisch zuverlässig erfassen.“
Von der TH Köln werden die theoretischen Grundlagen für die neuen magnetischen Bauteile geliefert. Ein Benchmark mit bestehenden Technologien soll die erwarteten Vorteile validieren. Dazu Prof. Dr. Christian Dick, Leiter des Labors für Leistungselektronik und Elektrische Antriebe: „Weiterentwickelte weichmagnetische Bandmaterialien in neuen induktiv gekoppelten Anordnungen sind ein Schlüssel zur Gewichtsreduktion im anvisierten Frequenz-Leistungsbereich.“
Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg bewertet die Möglichkeiten, die für die Entwicklung der Hardware zu Verfügung stehen und bereitet die Integration der neuen Bauteile in einen Technologiedemonstrator vor. Prof. Dr. Marco Jung, der die Professur für Elektromobilität und elektrische Infrastruktur mit dem Schwerpunkt Leistungselektronik inne hat und die Abteilung Stromrichter und elektrische Antriebssysteme am Fraunhofer IEE leitet, sagt dazu: „Gerade eine funktionierende Ansteuerelektronik für die schnell schaltenden GaN-Halbleiter zu entwickeln, stellt eine wesentliche Herausforderung dar“.
Am Fraunhofer IEE (Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik) verantwortet Dr. Sebastian Sprunck, Gruppenleiter Bauelemente und Messsysteme, die Koordination des Projekts: „Die Aufgabe des Fraunhofer IEE ist es, die neu entwickelten Bauteile zu untersuchen und ihren Betrieb so effizient wie möglich zu gestalten. Mit diesen neuen Bauteilen wird anschließend in unseren Laboren ein Technologie-Demonstrator aufgebaut, an dem die Funktion der neuen Technologien und die angestrebte Gewichtsreduktion im Praxiseinsatz validiert und weitere Schritte zur Optimierung des Systems abgeleitet werden.“
Seit Jahrzehnten ein Problem: Fachkräftemangel
Klimaschutz und Energiewende steigern den Bedarf an Ingenieur- und Informatikerberufen. Angesichts der Forderungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nach einer deutlich beschleunigten Energiewende bekommt dieser Trend dramatische Ausmaße. Daher sei für die kommenden fünf Jahre gemäß VDI-/IW-Ingenieurmonitor zu erwarten, dass 32% aller Unternehmen und 63% der Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten einen steigenden Bedarf an IT-Experten haben, speziell für die Entwicklung klimafreundlicher Technologien und Produkte. Auch im Bezug auf Umwelt-Ingenieure rechneten 19% aller Unternehmen und 43% aller Unternehmen ab 250 Beschäftigten mit Engpässen bei Ingenieuren.
Dieses Szenario beschreibt das Messe-Branchenportal zur electronica 2022. Dort heißt es weiter: Der Fachkräftemangel bremst die Energiewende. In Deutschland fehlen mehr als 150.000 Ingenieure. Im ersten Jahr der Corona-Krise legte der Ingenieurmangel noch eine Pause ein. 92.400 offene Stellen in den Ingenieur- und Informatikerberufen verzeichnete der VDI-/IW-Ingenieurmonitor damals. Danach stieg die Zahl kontinuierlich an und erreichte im 1. Quartal 2022 mit 151.300 Stellen einen Rekordwert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2011. Vor allem fehlen Ingenieure der Energie- und Elektrotechnik sowie Informatiker. Warteten im ersten Quartal 2021 noch 222 offene Stellen auf 100 Arbeitssuchende, verdoppelte sich die Zahl der offen Stellen ein Jahr später auf 418.
Die Bundesländer leiden dabei unterschiedlich stark, heißt es. In Absolutwerten am stärksten Bayern, gefolgt von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Bayern (31.000) und Baden- Württemberg (21.200) vereinen zusammen 34,5% des gesamten Stellenangebots auf sich. Knapp 600 offene Stellen kommen in Bayern (598) und Sachsen (567) auf 100 Arbeitssuchende, so der Bericht. Allerdings aus ganz verschiedenen Gründen: Während in den ostdeutschen Bundesländern vor allem demografische Entwicklungen für die steigenden Engpässe ursächlich sind, ist es in Bayern das hohe Beschäftigungswachstum. (ku)
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