Elektromotor als einzige Alternative zum Dieselantrieb

Redakteur: Gerd Kucera

Auf 106 Seiten fasst der VDE das Ergebnis seiner Studie zu Mobilitäts-, Umwelt- und Klimaaspekten des Bahn-Dieselverkehrs zusammen und empfiehlt die Vollelektrifizierung durch elektrische Antriebstechnik.

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Laut VDE ist die Vollelektrifizierung ideal, doch wirtschaftliche Überlegungen behindern die Umsetzung, die aus klimapolitischen Gründen so dringend benötigt wird.
Laut VDE ist die Vollelektrifizierung ideal, doch wirtschaftliche Überlegungen behindern die Umsetzung, die aus klimapolitischen Gründen so dringend benötigt wird.
(Bild: Markus Distelrath / Pixabay )

Nach Durchführung seiner Studie fordert der VDE differenziert Antriebssysteme als Alternative zum Dieselschienenverkehr. Ideal ist laut VDE die Vollelektrifizierung, doch wirtschaftliche Überlegungen behindern die Umsetzung, die aus klimapolitischen Gründen so dringend benötigt wird. Einem differenzierten Einsatz unterschiedlicher Antriebssystem aber steht nach VDE-Analyse nichts im Wege, vorausgesetzt das Planfeststellungsverfahren dazu wird beschleunigt.

„Die beschlossene Verkehrswende und die damit einhergehende Dekarbonisierung erfordern emissionsfreie und klimaneutrale Alternativen zum Dieseltriebzug im Personenschienennahverkehr“, konstatiert Dr. Wolfgang Klebsch, Mobility-Experte im VDE und Mitautor der Studie, „der sinnvollste Weg, den Dieseltriebzug abzulösen, sind Alternativen mit Elektromotor wie im Falle des Elektrotriebzugs mit Oberleitung sowie des Batterie- und Brennstoffzellentriebzugs. Hierzu empfehlen die VDE-Experten Batterie und Brennstoffzelle als gleichberechtigte Antriebstechnologien zu fördern. Zusätzlich muss das heutige Planfeststellungsverfahren für die Elektrifizierung vereinfacht werden.“

Das Bahnnetz hat eine Betriebsstreckenlänge von ca. 34.000 Kilometern und zählt mit 108 Schienenmetern pro km2 zu den dichtesten Netzen der Welt. Der Elektrifizierungsgrad jedoch ist mit 59% nur Mittelmaß in Europa. Die eingeschränkte Elektrifizierung trifft vor allem den regionalen Schienenpersonenverkehr. Emissionsfreiheit und Klimaneutralität sind zentrale Bewertungskriterien für neue Antriebslösungen.

VDE-Studie bewertet Alternativen zu Dieseltriebzügen und zeigt Lösungen

Erforderlich ist langfristig eine intensivere Nutzung des vorhandenen Schienennetzes durch dichtere Taktung sowie den weiteren Streckenausbau und die Reaktivierung stillgelegter Strecken. Eine Voraussetzung dafür wäre idealerweise die vollständige Elektrifizierung der Schiene.

In Deutschland sind aktuell nur 40% des Schienennetzes nicht elektrifiziert – ein Wert der unter dem europäischen Anteil liegt. Gut ein Drittel der in Deutschland gefahrenen Zugkilometer bedienen Dieselzüge, vielfach auf Strecken mit vorhandener Oberleitung. Mit Blick auf den Schadstoffausstoß der Dieselzüge sind andere Antriebssysteme für diese Strecken gefragt. Die vorhandene Technik ist effizient und anwendbar. Welche Antriebsform für welchen Streckentyp den meisten Erfolg versprechen, zeigt der Technologieverband VDE in seiner Studie „Alternativen zu Dieseltriebzügen im Schienenpersonennahverkehr“, die im Rahmen eines Entwicklungsförderprojektes des Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) erstellt wurde. Die Studie dient als Entscheidungshilfe für alternative Antriebsformen und richtet sich an die Verantwortlichen des Nahverkehrs.

Elektrifizierung am sinnvollsten, wird aber ausgebremst

Generell sehen die Autoren die Elektrifizierung als die sinnvollste Lösung, vorausgesetzt sie ist wirtschaftlich und bringt ein hohes Verkehrsaufkommen mit sich. Allerdings sind die jetzigen Dieselstrecken schwach befahren. Zum anderen ist die Elektrifizierung mit bis zu 2 Mio. € pro km kostenintensiv und bringt hohe Wartungskosten mit sich. Selbst wenn es genügend finanzielle Mittel gäbe, würde eine Elektrifizierung auch zeitlich aufgrund des heutigen aufwendigen Planfeststellungsverfahrens, das bis zu 10 Jahre laufen kann, zu lange dauern. Folglich sind Alternativen gefragt.

Hybridantriebe sind keine geeigneten Alternativen

Den Dieseltriebzug mit Elektromotor auszustatten, wie im Falle des Elektrotriebzugs mit Oberleitung sowie des Batterie- und Brennstoffzellentriebzugs, ist eine echte Lösungsmöglichkeit. Denn Elektromotoren arbeiten emissionsfrei und sind klimaneutral, wenn Ökostrom verwendet wird. Hybridantriebe schließen die Autoren als Alternative aus: Angesichts der beschlossenen Dekarbonisierung des Verkehrs bis 2050 wäre diese Investition eine teure Übergangslösung. Die Autoren sehen den Batterietriebzug als sinnvollste Lösung für Strecken mit Oberleitungslücken von 40 bis 80 km an, bei denen die Fahrbatterie unter einer Oberleitung aufgeladen werden kann. Auch auf Linien mit größeren Oberleitungslücken ist der Batterietriebzug eine Option, wenn Elektrifizierungsinseln bereitgestellt werden. Bei Bahnlinien allerdings, die gänzlich ohne Oberleitung auskommen müssen oder Lücken von weit über 80 km aufweisen, ist die Brennstoffzelle die beste Energielösung. Als Abgas entsteht hier lediglich sauberer Wasserdampf. Notwendig ist dann allerdings ein Wasserstoff-Tankstellennetz, dessen Betrieb eine funktionierende Wasserstoff-Erzeugungsindustrie voraussetzt.

Heutiges Planfeststellungsverfahren verhindert Verkehrswende

Dr. Wolfgang Klebsch, Mobility-Experte im VDE: „Der sinnvollste Weg, den Dieseltriebzug abzulösen, sind Alternativen mit Elektromotor wie im Falle des Elektrotriebzugs mit Oberleitung sowie des Batterie- und Brennstoffzellentriebzugs.“
Dr. Wolfgang Klebsch, Mobility-Experte im VDE: „Der sinnvollste Weg, den Dieseltriebzug abzulösen, sind Alternativen mit Elektromotor wie im Falle des Elektrotriebzugs mit Oberleitung sowie des Batterie- und Brennstoffzellentriebzugs.“
(Bild: VDE)

Um die Verkehrswende zügig umsetzen zu können, fordert der VDE eine konsequente Vereinfachung des Planfeststellungsverfahrens. Die Weiterentwicklung der alternativen Antriebskonzepte bis zur Serienreife sollte zudem durch intensive Fördermaßnahmen begleitet werden – und das unabhängig von der Technologie. Kurzum: Batterie und Brennstoffzelle müssen gleichberechtigt gefördert werden. Das Risiko ihrer Umsetzung muss mit politischer Unterstützung abgemildert werden, so die VDE-Experten.

Was bedeutet Planfeststellung? Die Planfeststellung ist in Deutschland ein Verwaltungsverfahren hinsichtlich Zulässigkeit raumbedeutsamer Vorhaben und Infrastrukturmaßnahmen. Raumbedeutsam sind per Definition Planungen einschließlich ihrer Raumordnungspläne alle Vorhaben und Maßnahmen, durch die Raum in Anspruch genommen oder die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebietes beeinflusst wird. Dazu gehört der Einsatzes der dazu vorgesehenen öffentlichen Finanzmittel. Raumbedeutsame Vorhaben wie etwa eine Eisenbahntrasse berühren wegen ihrer räumlichen Dimensionen und tatsächlichen Auswirkungen (Lärm, Beeinträchtigung der Umwelt, Kosten) eine Vielzahl öffentlicher und privater Belange. Sie lösen gegenüber Bauvorhaben, die auf einem einzelnen Grundstück verwirklicht werden, besondere bewältigungsbedürftige Spannungen aus. Diese Belange bedürfen einer besonderen Ermittlung und Abwägung in einem formalisierten Verfahren, dem Planfeststellungsverfahren.

Laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom März 2018 soll der Verkehr in Deutschland im Jahr 2050 vollständig dekarbonisiert, also klimaneutral sein. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen sind in der vorliegenden Studie wiedergegeben. Die Studie ist kostenlos.

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